Zirkuläres Bauen: DGNB finalisiert Gebäuderessourcenpass

Die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) hat ihren Entwurf eines Gebäuderessourcenpasses finalisiert. Das Dokumentationsformat ist frei erhältlich und direkt anwendbar. Auch Immobilieneigentümer profitieren – egal ob im Neubau oder Bestand.

Den ersten Entwurf eines Gebäuderessourcenpasses hatte die Deutsche Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) im vergangenen Jahr vorgestellt – danach wurden im Rahmen einer Kommentierung mehr als 150 Vorschläge zur inhaltlichen Schärfung und Verbesserung der Anwendbarkeit eingereicht. Am 14.2.2023 hat die DGNB die finalisierte Fassung präsentiert: Das Dokumentationsformat ist ab sofort frei erhältlich und direkt anwendbar.

"Das zirkuläre Bauen verfolgt das Ziel, Gebäude zu schaffen, die über den Lebenszyklus optimiert sind", sagte Dr. Christine Lemaitre, Geschäftsführender Vorstand der DGNB. "Mit Blick auf den Materialeinsatz geht es darum, auf bereits verfügbare Ressourcen zurückzugreifen, die Massen zu reduzieren und damit die Umweltwirkungen zu minimieren."

Gebäuderessourcenpass: Mehr Transparenz für mehr Kreislaufwirtschaft

Der Gebäuderessourcenpass soll einen Beitrag zur Transparenz über die verbauten Materialien, die Treibhausgasemissionen von Gebäuden sowie deren Kreislauffähigkeit leisten. "Und das nicht in ferner Zukunft, sondern hier und jetzt bei jedem Neubau- oder Bestandsprojekt", so Lemaitre.

Concular, Madaster, das Circularity Design Toolkit von EPEA oder der Urban Mining Index haben die inhaltlichen Anforderungen des Gebäuderessourcenpasses der DGNB bereits integriert oder planen dies in Kürze umzusetzen. Auch die Anschlussfähigkeit an Maßnahmen des Bundes und der EU, wie den geplanten digitalen Gebäudepass, soll sichergestellt werden.
 
Der Gebäuderessourcenpass soll Auskunft darüber geben, ob ein Gebäude bereits heute einen Beitrag zur Kreislaufwirtschaft leistet, wie lange es genutzt und angepasst werden kann und ob es auch zukünftig demontierbar, trennbar und verwertbar – also kreislauffähig – ist.

DGNB-Dokumentationsformat: So funktioniert es

Das DGNB-Instrument hat sechs übergeordnete Bereiche mit insgesamt 25 Teilaspekten. Inhalt sind allgemeine Informationen zum Gebäude, zu den verbauten Massen, der Materialität der Immobilie, zur Herkunft der Materialien sowie zu Bau- und Abbruchabfällen. Außerdem gibt es Angaben zu CO2-Emissionen über den Lebenszyklus eines Gebäudes – genauer: über eine Referenznutzungsdauer von 50 Jahren – hinweg und zur Flexibilität der Gebäudestruktur. Auch Demontagefähigkeit, Materialverwertungspotenzial und Zirkularitätsbewertung sind thematisiert. Plus Angaben zur Form der erfolgten und in Zukunft geplanten Dokumentation.

Je nachdem, welche Informationen zum Gebäude zur Verfügung stehen, ist der Gebäuderessourcenpass in zwei Varianten verfügbar: eine vollständige und eine reduzierte Fassung für den Einstieg. Auf der DGNB-Website gibt es jeweils ein Beispieldokument für ein fiktives Projekt sowie die entsprechende Vorlage zum Ausfüllen. Darüber hinaus gibt es sechs Zusatzblätter, mit denen eine tiefergehende Dokumentation möglich ist. In Kürze will die DGNB noch eine Anleitung zur Anwendung der Vorlagen mit einer Detailbeschreibung aller adressierten Themenfelder anbieten.

DGNB-Gebäuderessourcenpass: Kostenlose Dokumentationsvorlage

Gebäuderessourcenpass: Zwischen Anspruch und Anwendbarkeit

Mit großer Spannung war die Veröffentlichung des Koalitionsvertrags der neuen Bundesregierung erwartet worden – auch in der Bau- und Immobilienwirtschaft, erklärte Felix Jansen, Abteilungsleiter PR, Kommunikation und Marketing bei der DGNB, im Oktober 2022.

Tatsächlich enthält das Dokument mit dem Titel "Mehr Fortschritt wagen" viele Passagen, die all denen, die sich seit Jahren für mehr Nachhaltigkeit in der Branche einsetzen, positiv stimmten. Das betraf auch die Ankündigung, einen digitalen Gebäuderessourcenpass einführen zu wollen, mit dem Ziel, "die Grundlagen (zu) schaffen, (um) den Einsatz grauer Energie sowie die Lebenszykluskosten verstärkt betrachten zu können."

"Was fehlte, war die Konkretisierung, was der Gebäuderessourcenpass inhaltlich umfassen sollte", so Jensen. Das führte dazu, dass zahlreiche Organisationen das angekündigte Instrument mit eigenen Deutungen für sich nutzten, was für weitgehende Verwirrung und viele offene Fragen sorgte. Aus diesem Grund entwickelte die DGNB schließlich im vergangenen Jahr einen Vorschlag und stellte diesen zur Kommentierung bereit. Das Ziel: Mehr Geschwindigkeit bei der Einführung des Gebäuderessourcenpassen.

Grundkonzept und Ziel des Gebäuderessourcenpasses

Der Gebäuderessourcenpass lehnt sich an die Idee des Energieausweises an, sagte Jensen. Das grundlegende Prinzip dabei: In dem Ressourcenpass sollen individuell für jedes Gebäude die wesentlichen Informationen rund um den Ressourcenverbrauch, die Klimawirkung und die Kreislauffähigkeit transparent angegeben werden. Er soll die nötigen Informationen zur Verfügung stellen, um Ressourcen in verschiedenen Szenarien wie "Urban Mining", Sanierung und Abbruch bestmöglich zu nutzen.

"Langfristig schafft er die Grundlage für eine konsistente Kreislaufwirtschaft im Bausektor, in der frühe und späte Lebenszyklusphasen (Produktdesign und Produktrecycling) optimal miteinander koordiniert und verzahnt sind. Erforderlich dafür sind die vollständige Transparenz über verbaute Materialien und Komponenten, ihrer Werte und Besitzverhältnisse", war der DGNB-Experte überzeugt.

Zielgruppen: Auch Eigentümer von alten und neuen Gebäuden

"Die Erstellung eines Gebäuderessourcenpasses lohnt sich in vielerlei Hinsicht und für unterschiedliche Akteursgruppen", erklärte Dr. Anna Braune, Abteilungsleiterin Forschung und Entwicklung bei der DGNB, unter deren Leitung das finale Dokumentationsformat entwickelt wurde.

Eigentümer von Neu- oder Bestandsbauten bekommen demnach Aufschluss über tatsächlich verbaute Materialien oder mögliche gesundheitsgefährdende Schadstoffe sowie darüber, welche werkstofflichen Potenziale und Werte im Gebäude vorhanden sind. Für Planer bietet das Instrument Mehrwerte, wenn die optionalen Zusatzblätter zum Gebäuderessourcenpass gepflegt werden, heißt es bei der DGNB: Sie sollen vertiefende Analysen für eine qualifizierte Beratung von Bauherren und die Ausarbeitung von kreislaufgerechten, ressourcenschonenden Varianten bieten.
 
Bauherren können das Format nutzen, um umgesetzte Maßnahmen systematisch zu dokumentieren und erbrachte Leistungen übersichtlich darzustellen. Auch Kommunen können der DGNB zufolge von der Erstellung eines projektindividuellen Gebäuderessourcenpasses profitieren: Etwa als Basis zum Aufbau und Management von urbanen Minen. Perspektivisch könnte das Format auch als Grundlage zur Genehmigung von ressourcenoptimierten, kreislaufgerechten Gebäuden genutzt werden.
 
Gebäuderessourcenpass: Die Experten

Entstanden ist der Gebäuderessourcenpass in enger Abstimmung mit dem 2022 gegründeten DGNB Ausschuss für Lebenszyklus und zirkuläres Bauen. In dem Experten-Gremium engagieren sich Dr. Patrick Bergmann (Madaster Germany), Dominik Campanella (Concular), Jörg Finkbeiner (Partner und Partner Architekten Günter und Finkbeiner), Joost Hartwig (Ina Planungsgesellschaft), Prof. Dr. Linda Hildebrand (RWTH Aachen University), Prof. Andrea Klinge (ZRS Architekten Ingenieure), Katrin Lenz (Fraunhofer-Institut für Bauphysik IBP), Martin Pauli (Arup Deutschland), Prof. Dr. Anja Rosen (C5), Daniela Schneider (EPEA GmbH – Part of Drees & Sommer), Dr. Jörg Spangenberg (4D Architektur+Consult), Prof. Dr. Patrick Teuffel (Teuffel Engineering Consultants Ingenieurgesellschaft), Sebastian Theißen (List Eco), Dr. Wolfram Trinius (Ingenieurbüro Trinius), Antonino Vultaggio (HPP Architekten) und Dr. Stefanie Weidner (Werner Sobek København).


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