Gebäuderessourcenpass: Immobilienbranche sucht Standard

Der digitale Ressourcenpass soll alle im Gebäude verbauten Materialien dokumentieren, um die Umweltleistung von Gebäuden messbar und vergleichbar zu machen. Der Haken: Bisher fehlt ein einheitlicher Standard. Einige Branchenplayer machen nun den Vorstoß und setzen Maßstäbe.

Eigentlich ist die im Koalitionsvertrag 2021 der Bundesregierung formulierte Idee, einen digitalen Gebäuderessourcenpass einzuführen, logisch und konsequent, um im Gebäudesektor neben CO2-Emissionen auch Ressourcen einzusparen. Der Pass soll über den Einsatz sogenannter grauer Energie und die Lebenszykluskosten informieren und damit die Auswirkungen von Gebäuden auf die Umwelt transparent machen. Zudem soll er die Kreislaufwirtschaft in der Bau- und Immobilienbranche vorantreiben. Soweit die Theorie.

Gebäuderessourcenpass: Bisher weder Norm noch Regel

In der Praxis sorgt die von der Politik gut gemeinte bei Wohnungsunternehmen, Projektentwicklern und Bauherren noch für ein Nebeneinander unterschiedlicher Erhebungsverfahren und Dokumente, weil unklar ist, welche Informationen ein Gebäuderessourcenpass beinhalten soll, nach welcher Methodik er zu erstellen ist und wer ihn ausstellen darf. Die nicht näher erläuterten Pläne des Bundesbauministeriums, den Gebäuderessourcenpass zukünftig bei Neubauten an die Vergabe von KfW-Fördermitteln koppeln zu wollen, macht eine einheitliche Definition nur umso dringender.

Derzeit gibt es weder eine DIN-Norm für einen solchen Pass – die im Januar 2023 publizierte "Normungsroadmap Circular Economy" weist lediglich auf den Bedarf eines Informationsstandard zur Bereitstellung für das Recycling relevanter Informationen hin – noch eine einheitliche Regel.

Madaster & Co.: Immer mehr Anbieter und Instrumente

Die Auswahl an Instrumenten, die zur Verfügung stehen, um ressourcenschonend zu planen, zu bauen und nachzuweisen, dass die eingesetzten Produkte und Werkstoffe wiederverwendbar sind, wird gefühlt täglich größer. Neben Madaster – einem Kataster, in dem Daten über alle in einem Gebäude verbauten Materialien und Produkte registriert sind –, gibt es den Building Circularity Passport von EPEA. Der basiert auf einem BIM-Modell und gibt Auskunft über den CO2-Fußabdruck, die Recyclingfähigkeit und den verbauten Rohstoffrestwert des Gebäudes. Oder die Plattform Concular, auf der Materialien in Bestandsgebäuden mit Materialpässen digitalisiert und beim Rückbau in einer Datenbank zur Verfügung gestellt werden, sowie der Urban Mining Index, eine Systematik zur quantitativen Bewertung der Kreislaufpotenziale von Konstruktionen in der Neubauplanung.

Auch eine Social Impact-Betrachtung von Immobilien durch das Institut für Corporate Governance in der deutschen Immobilienwirtschaft (ICG) ist möglich: Hier werden messbare positive Auswirkungen auf gesellschaftliche und soziale Themen bei gleichzeitiger Erzielung einer angemessenen betriebswirtschaftlichen Rentabilität gemessen. Zusätzlich gibt es den von der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen (DGNB) verifizierten EU-Taxonomie Pre-Check, mit dem geprüft werden kann, ob ein Gebäude oder Neubauprojekt mit den Umwelt-, Sozial- und Governance-Richtlinien (ESG) und der EU-Taxonomie konform geht.

Größere Immobilienunternehmen starten Pilotprojekte 

Statt auf einen Standard zu warten, haben größere Unternehmen sich schon in die komplexe Materie eingearbeitet. Beim börsennotierten Wohnentwickler Instone Real Estate zum Beispiel wird gerade der Einsatz von Madaster und Concular getestet. "Im ersten Schritt setzen wir die Instrumente zur Status-quo-Erhebung außerhalb unserer schon vorhandenen Materialbeschreibungen ein, um im zweiten Schritt Optimierungspotenziale in der Planung zu identifizieren", berichtet Nachhaltigkeitsleiterin Wibke Witschel.

Die GWG Städtische Wohnungsgesellschaft München hat über EPEA ein Urban Mining Konzept inklusive Stoffstromanalyse für ein aktuell in Bearbeitung befindliches Sanierungsgebiet erstellen lassen. "Aktuell wird nach externen und internen Abnehmern für Bauteile und Materialien gesucht", sagt GWG-Sprecher Michael Schmitt. Zudem sei ein weiteres Pilotprojekt geplant, bei dem die Systematik nach dem Building Circularity Passport in Betracht komme. "Unser Anspruch ist, dass der Gebäuderessourcenpass nicht eine Formalie gegenüber Behörden und Banken wird, sondern einer lebenszyklusorientierten und ressourcenschonenden Bewirtschaftung dienen kann", so Schmitt.

Vonovia bereitet sich ebenfalls vor: Der Wohnungskonzern ist seit Anfang 2021 Partner von Madaster und hat laut eigenem Nachhaltigkeitsbericht 2021 den Anspruch, umweltverträgliche Rohstoffe und Produktionsverfahren sowie nachhaltige und recyclingfähige Baumaterialien einzusetzen. Mittelständische Unternehmen tun sich schwerer mit dem Ressourcenpass, selbst wenn sie Innovationen gegenüber aufgeschlossen sind, wie etwa die Baugenossenschaft Langen: "Bei dem Thema müssen wir leider passen", erklärt Vorstand Wolf-Bodo Friers.

Immobilienbranche: Vereinheitlichung dringend gewünscht

Einer, der beinahe die gesamte Palette der erwähnten Instrumente für sein Neubauvorhaben Moringa in der Hamburger Hafencity nutzt, ist Vanja Schneider, Geschäftsführer der Moringa GmbH. "Aus meiner Sicht ist das alles nötig, um den ökologischen Fußabdruck eines Gebäudes qualifiziert darzulegen", sagt er. Eine Standardisierung und Vereinfachung wären zwingend notwendig.

Allerdings sollte der digitale Ressourcenpass neben den ökologischen Gebäudedaten zu CO2-Werten, zur Kreislauffähigkeit und Materialbeschaffenheit unbedingt auch Hinweise zu den Rohstoffwerten aufzeigen, damit er eine marktwirtschaftliche Bedeutung erlangt und die Rohstoffwerte zukünftig in die Ermittlung von Gebäudewerten positiv einfließen, meint Schneider.

Für eine Vereinheitlichung plädiert ebenso Instone-Nachhaltigkeitsleiterin Witschel, um die Akzeptanz auch bei Herstellern, Nachunternehmern, künftigen Eigentümern und Verwaltungen zu erhöhen und die notwendigen Ressourcen für die Umsetzung in einem vertretbaren Rahmen zu halten.

DGNB-Ressourcenpass: Ähnlich wie der Energieausweis

Einen Vorstoß in Richtung Vereinheitlichung machte die DGNB mit ihrem finalen Entwurf für einen Gebäuderessourcenpass. Demnach soll er analog zum Energieausweis aufgebaut sein und neben allgemeinen Informationen und Massen zum Gebäude über Inhaltsstoffe und die Verwendung zirkulärer Wertstoffe aufklären sowie die Umweltwirkungen (Treibhausgas-Emissionen und Primär-Energiebedarf) ausweisen. Zudem zeigt er die Umbau- und Rückbaufreundlichkeit sowie mögliche Nachnutzungswege auf. Kreisdiagramme veranschaulichen die Werte, so dass auf einen Blick die Ressourceneffizienz eines Gebäudes erkennbar ist.

"Im Sinne einer schnellen Einführung des Instruments schlagen wir zwei Ausführungsarten vor", sagt Dr.-Ing. Anna Braune, Leiterin Forschung und Entwicklung bei der DGNB, "eine vollständige, umfangreiche Version und eine kompakte." Die kompakte Version werde weniger Informationen verpflichtend abfragen. Auch in der vollständigen Version solle es möglich sein, bestimmte Informationen nicht bereitstellen oder haben zu müssen, das aber transparent zu machen. Über Details wäre man derzeit im konstruktiven Austausch mit Immobilienverbänden, der Bundesarchitektenkammer oder der Deutschen Umwelthilfe.

Auch seitens der Politik gebe es Interesse an dem Entwurf, etwa von Obleuten der Bundesausschüsse und vom TÜV. Überdies testeten Baufirmen die Bereitstellung entsprechender Daten und Hersteller von Planungssoftware und beabsichtigten, die Ökobilanzwerte in Gebäudepässe zu transferieren. Parallel dazu fänden Gespräche mit dem Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBSR) statt, die ihrerseits Vorschlägen gemacht hätten.

Einheitlicher Gebäuderessourcenpass zeitnah wahrscheinlich

Die Frage scheint also nicht, ob ein einheitlicher Gebäuderessourcenpass kommt, sondern wann. DGNB-Forschungsleiterin Braune ist zuversichtlich, dass es in zwei bis drei Jahren der Fall sein dürfte. Im ersten Schritt sei denkbar, dass der Pass einer Baugenehmigung beizulegen ist und Transparenzfunktion hat. Darauf basierend könnten Baurechtsämter dann Materialkataster anlegen.

Im zweiten Schritt könnten bestimmte Grenzwerte gelten, so die Bauingenieurin, um Förderung zu erhalten. Die Verknüpfung von Klimafreundlichkeit und Förderhöhe ist bereits jetzt Programm: Wer ab dem 1.3.2023 beim Planen und Bauen besonders klimafreundliche Standards berücksichtigt, kann über die staatliche Förderbank KfW bis zu 150.000 Euro Förderung pro Wohneinheit erhalten. Für klimafreundliche Wohngebäude ohne Nachhaltigkeits-Qualitätssiegel gibt es dagegen nur bis zu 100.000 Euro pro Einheit.


Das könnte Sie auch interessieren:

Koalitionsvertrag 2021 aus Immobiliensicht

Vermieter müssen CO2-Abgabe anteilig zahlen

Taxonomie scharf gestellt: Jetzt braucht's Rechtssicherheit!