Bauturbo-Gesetz: So soll die Wohnungskrise gelöst werden
Der Gesetzentwurf zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung (Bauturbo) hat am 17.10.2025 den Bundesrat passiert. Der Bundestag hatte den Regierungsentwurf am 9.10.2025 in zweiter und dritter Lesung in einer vom Bauausschuss am 8.10.2025 leicht geänderten Fassung beschlossen.
Die auf fünf Jahre befristeten Sonderregelungen im Baugesetzbuch (BauGB) sollen dafür sorgen, dass künftig schneller geplant, genehmigt und gebaut werden kann. Dafür werden unter anderem ein § 246e BauGB, wie ihn schon die Ampel-Regierung auf dem Plan hatte, eingeführt und § 31 Absatz 3 BauGB angepasst.
Nach der Ausfertigung und Verkündung tritt das Gesetz am Tag nach seiner Veröffentlichung am 30.10.2025 in Kraft.
Bauturbo: Sonderregelungen im Überblick
Die wichtigsten Änderungen im BauGB im Überblick:
Neueinführung § 246e BauGB
Erlaubt wird ein Abweichen von bauplanungsrechtlichen Vorschriften. Wenn die Kommune sich entscheidet, den Bauturbo anzuwenden, könnten zusätzliche Wohnungen bereits nach einer dreimonatigen Prüfung zugelassen werden. Einer Aufstellung oder Änderung eines Bebauungsplans bedürfe es nicht mehr. "Das erlaubt es, durch Neubau, Umbau oder Umnutzung zügig neuen Wohnraum zu schaffen", erwartet die Bundesregierung.
Die Regelung wird im Gesetzentwurf als Experimentierklausel bezeichnet und soll zunächst bis zum 31.12.2030 befristet gelten.
Anpassung § 31 Absatz 3 BauGB
Durch eine Anpassung des § 31 Absatz 3 BauGB wird im Geltungsbereich eines Bebauungsplans mehr Wohnbebauung auch über die Vorgaben des Bebauungsplans hinaus ermöglicht, heißt es in dem Entwurf. So könne in ganzen Straßenzügen durch Aufstockung, Anbauten oder Bauen in der zweiten Reihe neuer Wohnraum geschaffen werden.
Anpassung § 34 Absatz 3b BauGB
Im unbeplanten Innenbereich soll über die bisher bestehenden Möglichkeiten hinaus auch dort die Neuerrichtung von Wohngebäuden ermöglicht werden, wo sie sich nicht in den Bebauungszusammenhang einfügen (§ 34 Absatz 3b BauGB).
Nachverdichtung wird einfacher
Bislang scheitern Nachverdichtungen oft an zu strengen städtebaulichen Hürden. Es soll auch in Innenbereichen – also in zusammenhängend bebauten Ortsteilen – ohne Bebauungsplan von geltenden städtebaulichen Regelungen abgewichen werden können, zum Beispiel bei der nachträglichen Aufstockung von Gebäuden oder Hinterlandbebauung.
Bauland: Außenbereich wird geöffnet
In vielen Städten und Gemeinden wird verfügbares Bauland immer knapper. Deshalb soll im Außenbereich – Gebiete ohne Bebauungsplan und außerhalb eines im Zusammenhang bebauten Ortsteils – leichter neuer Wohnraum geschaffen werden können. Umweltschutz und Flächensparsamkeit werden beachtet. Gebaut werden soll nur im räumlichen Zusammenhang mit bestehenden Siedlungen.
Durchmischung von Quartieren wird erleichtert
Restriktive Immissionsrichtwerte und technische Vorgaben für anlagenbezogenen Lärm machen Bauprojekte kompliziert und teuer. Änderungen im BauGB sollen ermöglichen, dass Kommunen bei der Aufstellung von Bebauungsplänen davon abweichen dürfen, zum Beispiel bei der Festsetzung von Schallschutzvorkehrungen.
Mit innovativen Lärmschutzlösungen kann mehr Wohnbebauung als bisher in der Nähe von Gewerbebetrieben ermöglicht werden. In begründeten Fällen sollen Abweichungen von der Technischen Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) zulässig sein.
Kommunale Selbstverwaltung wird gestärkt
Das letzte Wort darüber, wie der Bauturbo konkret eingesetzt wird, haben die Städte und Gemeinden. Das Zustimmungserfordernis bleibt bestehen. Verlängert wird auch die Möglichkeit für die Bundesländer, Kommunen mit angespanntem Wohnungsmarkt auszuweisen, was den Kommunen eine Reihe von Instrumenten an die Hand gibt, um die Entwicklung vor Ort besser zu steuern, etwa durch die erleichterte Anwendung von Vorkaufsrechten, Befreiungen oder Baugeboten.
Miete zu Eigentum: Umwandlungsschutz wird verlängert
Mietwohnungen sollen auch künftig nicht ohne Weiteres zu Eigentumswohnungen umgewandelt werden können. Das ist ein wichtiges Instrument, um Mieter vor Verdrängung aus dem gewohnten Lebensumfeld zu schützen. Deshalb wird der sogenannte Umwandlungsschutz in Gebieten mit angespanntem Wohnungsmarkt um fünf Jahre verlängert.
Erleichterungen für militärische Bauvorhaben
Das Gesetz erleichtert außerdem die Genehmigung von Bauprojekten im Außenbereich, die der Herstellung oder Lagerung von Munition, Sprengstoffen und deren Vorprodukten dienen – sofern diese für die Einsatzfähigkeit und Versorgungssicherheit der Bundeswehr erforderlich sind.
Anpassungen am Bauturbo im Bauauschuss
Der Spitzenverband der Wohnungswirtschaft GdW lobte folgende Anpassungen aus dem Bauausschuss als praxisrelevante Änderungen:
- Mehr Spielraum für Aufstockungen: Künftig kann bei § 34 BauGB auch bei Umnutzungen von Nichtwohngebäuden auf das Einfügungserfordernis verzichtet werden, wenn dadurch neuer Wohnraum entsteht. Das erleichtert etwa die Aufstockung von Supermärkten oder Parkhäusern um Wohnetagen.
- Mehr Zeit für Zustimmung: Die sogenannte Zustimmungsfiktion wurde auf drei Monate verlängert. Das entschärft Befürchtungen, dass Genehmigungen allein aus Zeitgründen verweigert werden.
- Mehr Klarheit beim § 246e BauGB: Die Streichung der Formulierung "im erforderlichen Umfang" kann unnötige Zusatzprüfungen vermeiden. Zudem wurde der Anwendungsbereich erweitert – künftig ist eine strategische Umweltprüfung auch bei erheblichen Umweltauswirkungen möglich. Damit bleibt der Weg für den Bauturbo grundsätzlich offen, auch wenn die Verfahren dadurch länger dauern können.
Bauturbo-Gesetzgebung: eine Chronologie
- Der erste Entwurf eines Gesetzes zur Beschleunigung des Wohnungsbaus und zur Wohnraumsicherung wurde vom Bundeskabinett am 18.6.2025 beschlossen.
- Am 10. Juli war ein überarbeiteter Kabinettsentwurf in erster Lesung im Bundestag. Im Anschluss erfolgt die Überweisung an den Ausschuss für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen zur weiteren Beratung.
- Der Bundesrat hat am 11. Juli Stellung genommen und den Entwurf mit einer Gegenäußerung der Bundesregierung dem Bundestag zugeleitet.
- Eine öffentliche Anhörung im Bauausschuss fand am 10. September statt.
- Der Bundestag hat den Bauturbo am 9.10.2025 abschließend beraten.
- Der Bundesrat gab am 17.10.2025 grünes Licht für das Gesetz.
Expertenanhörung: Stellungnahmen der Immobilienbranche
Die Sachverständigen haben in einer Anhörung des Ausschusses für Wohnen, Stadtentwicklung, Bauwesen und Kommunen am 10.9.2025 den Regierungsentwurf sehr unterschiedlich bewertet und zum Teil als nicht weitreichend genug beurteilt.
Der GdW forderte Nachbesserungen: So müsse etwa die Schaffung von bezahlbarem Wohnraum im Baurecht – analog zu § 2 EEG für erneuerbare Energien – als "überragendes öffentliches Interesse" festgeschrieben, der Gebäudetyp E bundesrechtlich abgesichert und die Technische Anleitung zum Schutz gegen Lärm (TA Lärm) angepasst werden.
Der Zentrale Immobilien Ausschuss (ZIA) kritisierte insbesondere die Befristung der Sonderregelung bis 2030 und die Neueinordnung und Ausweitung des Zustimmungsvorbehalts der Gemeinden. Gefordert wurde außerdem die Absenkung der Baustandards, eine Überarbeitung der KfW-Förderbedingungen und eine Reduzierung der 37-Prozent-Staatsquote.
Stellungnahme von ZIA-Hauptgeschäftsführerin Aygül Özkan zum Thema Bauturbo
Der Deutsche Mieterbund (DMB) machte sich bei der Anhörung stark für eine dauerhafte Entfristung bei der Umwandlung von Miet- in Wohneigentum und mehr kommunales Eigentum an Grund und Boden. Außerdem müssten die Vorkaufsrechte für Kommunen in Milieuschutzgebieten und für Problemimmobilien gestärkt, der preislimitierte Vorkauf vereinfacht und die Umgehung von kommunalen Vorkaufsrechten bei Share Deals verhindert werden.
Dirk Salewski, Präsident des Bundesverbands der Immobilien- und Wohnungsunternehmen (BFW), lehnte eine Verlängerung des Verbots der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen in Gebieten mit angespannter Wohnlage grundsätzlich ab: "Umwandlungsverbote sind Eingriffe in den freien Markt, die die Eigentumsbildung verhindern, ohne dass neue Wohnungen gebaut werden."
Stellungnahme von BFW-Präsident Dirk Salewski zur Anhörung am 10.9.2025
BauGB-Novelle kommt im nächsten Schritt
Die Reform des BauGB, die noch von der Ampel-Regierung angestoßen wurde, will Schwarz-Rot ebenfalls noch in diesem Jahr in Angriff nehmen. Die Novelle ist laut CDU/CSU-Fraktion in Vorbereitung: "Denn völlig klar ist, die Bauvorschriften müssen strukturell und dauerhaft entschlackt und auf Schnelligkeit und Effizienz getrimmt werden. Eine befristete Ausnahmeregel wie der Bauturbo kann nur eine Zwischenlösung sein", heißt es in einer Pressemitteilung vom 8.10.2025.
Parallel arbeite man am Gebäudetyp E, damit Bauherren von hohen Baustandards rechtssicher abweichen und die Kosten minimieren können. Zusammen mit der Förderung des EH55-Standards zur Aktivierung des Bauüberhangs entstünde ein starker Impuls für die Bauwirtschaft. Das Ziel sei eine Schubumkehr, eine Zeitenwende für den Wohnungsbau.
Das könnte Sie auch interessieren:
Gebäudetyp E: rechtliche Einordnung
Der Bauturbo und die föderalen Hindernisse
Rekordetat 2026 für den Wohnungsbau löst nicht alle Probleme
-
EH55-Neubau: Förderantrag ab 16. Dezember möglich
5.021
-
Mindesttemperatur in Wohnungen: Das gilt rechtlich
3.349
-
Sonder-AfA für den Neubau von Mietwohnungen wird angepasst
2.6896
-
Degressive AfA für den Wohnungsbau: fünf Prozent, sechs Jahre
1.455
-
Verkürzte Nutzungsdauer, höhere jährliche Abschreibung
1.1192
-
Energetische Sanierung: Kosten von der Steuer absetzen
674
-
Hydraulischer Abgleich und Heizungscheck: alle Infos
6621
-
Was die Grundsteuer 2025 für Vermieter und Mieter bedeutet
6501
-
Bundesfinanzministerium plant Beschränkung bei Gutachten
531
-
Neuer CO2-Preis für 2027 gegen Preissprünge beim Heizen
461
-
Höhere Grundsteuer-Hebesätze für Gewerbe rechtswidrig
04.12.2025
-
Bau von Wohnhochhäusern wird in Berlin einfacher
03.12.2025
-
Mietpreisbremse in Dresden und Leipzig gilt länger
02.12.2025
-
Branchen-Award für Auslandsreportage
02.12.2025
-
Immobilienwirtschaft: Veranstaltungen und Events 2025/2026
01.12.2025
-
Haushalt 2026: Was der Bund fürs Wohnen ausgibt
28.11.20251
-
Berlin verlängert Mietpreisbremse bis Ende 2029
28.11.2025
-
BauGB-Novelle: Das plant die schwarz-rote Regierung
28.11.20251
-
Niedersachsen verlängert Geltung der Mietpreisbremse
28.11.2025
-
Mietpreisbremse in Bremen gilt bis 2029
28.11.2025
Bernd Michalski
Sun Oct 19 18:35:45 CEST 2025 Sun Oct 19 18:35:45 CEST 2025
Die Frage: Wer zerstört die Wohnimmobilienwirtschaft kann nicht allein an die Politik gerichtet sein.
Eine Wohnung ist ein Produkt wie jedes andere hergestellte Erzeugnis aber mit der wichtigen Eigenschaft, ein Produkt für die Daseinsvorsorge zu sein.
Es kann keine zukunftsfähige Lösung sein, wenn beim Wohnungsneubau mit Subventionen, auch geförderter Wohnungsbau genannt, die sogenannte Sozialbindung nach 15 Jahren wegfällt und diese Wohnungen dann zu „Marktmieten“ angeboten werden können.
Vermutlich müssen dann sehr viele Mieter aus finanziellen Gründen ihre Wohnung, sowie ihre damit verbundenen und seit langem bestehenden sozialen Beziehungen, aufgeben.
Es kann auch keine zukunftsfähige Lösung, wenn der Steuerzahler wegen der geringen operativen Leistungsfähigkeit und Produktivität (McKinsey)
https://www.mckinsey.de/news/presse/infrastruktur-und-wohnen-deutsche-ausbauziele-in-gefahr
dem geringer Wertschöpfungsgrad von ca.30% (Roland Berger)
file:///C:/Users/Win10%20Pro%20x64/Documents/B.M/Eigene%20Bilder/dokumente/roland_berger_digitalisierung_bauwirtschaft_final.pdf
und der exorbitanten Fehlerquote (BauInfoConsult),
https://bauinfoconsult.de/presse-fehlerkosten-am-bau-in-2021-mit-rund-165-milliarden-immer-noch-zu-hoch/
der Bauwirtschaft einen Ausgleich durch Subventionen tragen muss.
Es ist keine Frage der Förderprogramme, sondern die Frage ist:
Was nützt das Geld, wenn man dafür nur überteuerte Leistungen bekommt.