
Der Berliner Senat hat verbindliche Regeln für den Bau von Hochhäusern beschlossen. Eine zentrale Vorschrift in dem jetzt veröffentlichten Leitbild: Reine Bürotürme über 60 Meter Höhe soll es nicht mehr geben – zirka ein Drittel der Fläche muss etwa für Wohnen genutzt werden.
Maximal 70 Prozent der Fläche in den neuen Hochhäusern über 60 Meter darf entsprechend dem für Projektentwickler und die Bezirke verbindlichen Leitbild künftig noch für Büros oder Hotels ausgewiesen werden. 30 Prozent sollen unter anderem für Wohnungen eingeplant werden, auch öffentlich geförderte. Gedacht ist auch an kulturelle oder soziale Einrichtungen.
Im Erdgeschoss müssen die Türme öffentlich zugänglich sein, möglich wären etwa Cafés oder Shops. Auch die Dachterrassen sollen der Allgemeinheit "gehören", etwa mit gastronomischen Angeboten, oder zumindest gemeinschaftlich genutzt werden. Umfasst das Bauvorhaben mehrere Gebäudeteile, muss die Multifunktionalität innerhalb des Gesamtvorhabens gewährleistet werden, wobei mindestens ein Gebäude höher als 60 Meter sein muss.
"Das Hochhausleitbild formuliert, wie Hochhäuser in einer auch vertikal gedachten Stadt einen Mehrwert für die Allgemeinheit schaffen und gleichzeitig den vielfältigen Flächenansprüchen begegnen können." Katrin Lompscher (Linke), Berliner Senatorin für Stadtentwicklung und Wohnen
Das Hochhausleitbild soll künftig der Orientierungsrahmen für die verbindliche Bauleitplanung sein. Das Berliner Abgeordnetenhaus muss noch abschließend über die neuen Regeln entscheiden.
Mehr Hochhäuser in der Stadt – das erfordert Akzeptanz bei den Bürgern
"Vor dem Hintergrund des anhaltenden Stadtwachstums werden verstärkt Hochhausprojekte an den Senat und die Bezirke herangetragen", erklärte Lompscher bei Vorstellung des Hochhausleitbildes am 25. Februar. Die Berliner Bevölkerung wächst seit Jahren dynamisch: Nach jüngsten Zahlen des Senats von heute bis zum Jahr 2030 um 4,7 Prozent auf 3,9 Millionen Einwohner. Hochhäuser könnten einen Beitrag dazu leisten, der anhaltend hohen Flächennachfrage für Wohnungen, Büros, Handel, Infrastruktur und Kultur zu begegnen, meint Lompscher.
Das Problem ist: Häufig stehen die Interessen des Immobilienmarktes und die Wünsche der Bürger gegeneinander. Für das bereits 2016 im Koalitionsvertrag der rot-rot-grünen Landesregierung vereinbarte "Hochhausleitbild" wurde im Juli 2019 auch die Öffentlichkeit gehört. Ein Ergebnis: In Gebieten mit Einfamilienhäusern bleiben Hochhäuser auch in Zukunft tabu.
Aktuell gelten in Berlin der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung zufolge zirka 1.300 Gebäude als Hochhäuser. Sie sind höher als 35 Meter und erheben sich damit über die sogenannte "Berliner Traufhöhe" – Höhe der Dachrinne – von 21 bis 22 Metern, die traditionell im Innenstadtbereich als Grenze gilt. Das sind nur 0,35 Prozent aller 370.000 Gebäude in der Stadt. Nur etwa 100 Gebäude sind bislang höher als 60 Meter. Spitze ist der Fernsehturm am Alexanderplatz mit 368 Metern.
Künftig soll das Hochhausleitbild Anwendung finden, wenn weitere Hochhäuser geplant sind. Essenziell für die Genehmigung ist dabei eine gute Verkehrsinfrastruktur in der Nähe der Gebäude. Konkret bedeutet das nicht mehr als fünf Minuten Fußweg zur nächsten Tram, U- oder S-Bahn-Station. Wie hoch die Türme letztlich werden dürfen, ist nicht geregelt. Tabu für die Genehmigung von Hochhäuser: Denkmäler. Sie bekommen eine Pufferzone.
Kritik am Hochhausleitbild kommt aus der Wirtschaft
"Der Bau neuer Hochhäuser ist ein essenzieller Beitrag, um die Lage am Berliner Wohnungs- und Gewerberaummarkt zu entspannen", sagt Jörg Nolte, Geschäftsführer Wirtschaft und Politik der IHK Berlin zu den vom Senat beschlossenen Regeln für den Bau von Hochhäusern.
Doch neue, dringend benötigte Hochhausprojekte steckten schon viel zu lange in der Warteschleife. Das neue Leitbild sei keine tragfähige und transparente Entscheidungsgrundlage für Investoren, sondern vielmehr ein "Katalog für die Behörden", der den Investoren den Spielraum nehme. Als besonders problematisch schätzt die IHK Berlin die geplanten Restriktionen: Etwa die Erfordernis, das Baukollegium dreimal zu beteiligen.
"Auf diesen und weitere Punkte hat die Wirtschaft während der Beteiligungsphase zum Hochhausleitbild hingewiesen – bezeichnenderweise ohne jedes Feedback", zeigt sich Nolte enttäuscht.
Zum "Hochhausleitbild für Berlin"
Das könnte Sie auch interessieren:
30 neue Hochhäuser bis 2023 in Deutschland – allein Berlin bekommt 14
(Luxus-)Hochhäuser liegen im Trend – "Upper West" in Berlin wird eröffnet