Wolkenkratzer-Streit: Wie hoch darf's in Berlin denn sein?
Es wäre ein Prestigebau für Berlin: Das geplante (Wohn-)Hochhaus des Investors Hines an der östlichen Spitze des Alexanderplatzes hinter dem Elektronikmarkt Saturn. 150 Meter soll es hoch werden, das ist die Grenze, ab der ein Gebäude überhaupt erst Wolkenkratzer genannt werden darf. Der Architektenwettbewerb, an dem Verwaltung und Politik maßgeblich beteiligt waren, fand im Jahr 2014 statt, Sieger war das Büro Gehry Partners – damals wurde die Höhe abgenickt. Nun bahnt sich ein Streit innerhalb der rot-rot-grünen Koalition an.
Die Berliner Senatsbaudirektorin Regula Lüscher (parteilos) forderte im Sender "rbb" eine Obergrenze für das Hines-Hochhaus: bei 130 Metern soll Schluss sein. Linke und Grüne springen ihr bei, Regierungspartner SPD lehnt ab – und der Investor leistet ebenfalls Widerstand.
Hines-Hochhaus: Geht es gegen den Bau von Luxuswohnungen?
"Wir haben uns das im Baukollegium genau angeguckt und sind zu der Überzeugung gekommen, dass die 130 Meter für alle Gebäude deutlich besser wären, weil dadurch der Fernsehturm als Krone besser sichtbar ist", erklärte Lüscher. 150 Meter Höhe passten nicht mehr ins Bild.
Der ursprüngliche Masterplan von Hans Kollhoff für den Alexanderplatz mit mehreren 150-Meter-Hochhäusern sei nicht mehr zeitgemäß, sagte die stadtentwicklungspolitische Sprecherin der Grünen, Daniela Billig, dem rbb. Katalin Gennburg, Stadtentwicklungsexpertin der Linken, verwies zudem auf die U-Bahntunnel unter dem Baufeld: Es sei fraglich, ob der "Bau von Luxuswohnungen" eine Gefährdung der Bahnanlagen rechtfertige.
Christoph Reschke, Geschäftsführer Hines Deutschland, erwiderte, man habe sich mit den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) bereits über den Schutz des darunterliegenden Tunnels der U5 geeinigt – das sei eine Voraussetzung für die Fertigstellung des Bebauungsplans gewesen. Der Tunnel werde mit einem aufwändigen Verfahren für bis zu 30 Millionen Euro saniert und abgesichert. "Nun wollen wir unser Projekt so realisieren, wie wir es miteinander abgestimmt und geplant haben", so Reschke.
Auch die Berliner SPD hält weiterhin an den 150 Metern Bauhöhe für den Hines-Wohnturm "Alexanderplatz Residential" fest. Die Planungen sollten nach jahrelangen Diskussionen nicht nachträglich geändert werden, sprach sich SPD-Stadtentwicklungspolitiker Daniel Buchholz gegen eine generelle Obergrenze von 130 Metern aus.
Berlin: Vier Hochhäuser sind derzeit am Alex geplant
Hines hatte das ursprünglich für den Bau eingeplante Grundstück, auf dem nun der Elektronikmarkt steht, verkauft. Für das Baufeld direkt dahinter, auf dem der Investor nun seinen Wolkenkratzer bauen will, gebe es bisher gar keinen Bebauungsplan, konterte Lüscher. Deswegen sei eine nachträgliche Änderung der Höhe zulässig. Der Bebauungsplan muss vom Berliner Abgeordnetenhaus beschlossen werden.
Das Hines-Hochhaus ist eines von vier geplanten Hochhäusern am Alexanderplatz. Zwei sind bereits im Bau, am Einkaufszentrum Alexa durch den Investor Monarch, und neben dem Park Inn Hotel durch den Investor Covivio. Das dritte wird von Karstadt-Eigner Signa auf dem Galeria-Gebäude geplant und ist bereits weitgehend genehmigt. Der Monarch-Turm soll tatsächlich 150 Meter hoch werden. Der Investor hatte bereits einen gültigen Bebauungsplan und eine Reduzierung der Höhe abgelehnt.
Wohnungsnot: Verdichtung kann heute wieder Hochhaus heißen
Mehr Offenheit für Hochhausbauten, wenn es um zu hohe Mieten in Deutschlands Großstädten geht, forderte der Deutsche-Wohnen-Chef Michael Zahn im Gespräch mit der "Wirtschaftswoche" von Kommunalpolitikern. Frankfurt am Main sei in diesem Punkt sehr viel weiter als Städte wie Berlin oder auch München, wo es 2004 einen Volksentscheid gab, dass kein Haus höher sein darf als die Türme der Frauenkirche: also maximal 100 Meter hoch.
In den 1970er Jahren hatte sich Deutschland weitgehend von Hochhäusern verabschiedet. Konzepte für Hochhaus-Siedlungen am Stadtrand waren nicht aufgegangen, oft entstanden soziale Brennpunkte. Danach entstanden Hochhäuser dann eher als Prestigebauten, unter anderem für Banken. Der Architekt und Stadtplaner Claus Steffan, Professor für Gebäudetechnik und Entwerfen an der TU Berlin, sagte bereits vor Jahren: "Wohnhochhäuser gehören ins Zentrum".Doch häufig geht es um Investitionen – und um den Preis dafür. Teure und schicke Wohntürme mit günstigen Mieten sind kaum denkbar. Sie rechnen sich für Investoren nicht und fallen damit als Puffer für den angespannten Wohnungsmarkt im Stadtzentrum aus.
Berlin: Verbindliche Regeln für den Hochhausbau
Berlin hatte im Jahr 2020 verbindliche Regeln für den Bau von Hochhäusern verabscheidet. Eine zentrale Vorschrift: Reine Bürotürme mit mehr als 60 Metern Höhe soll es nicht mehr geben – zirka ein Drittel der Fläche muss etwa für Wohnungen genutzt werden, auch für öffentlich geförderte. Maximal 70 Prozent dürfen künftig noch für Büros oder Hotels ausgewiesen werden. Gedacht ist auch an kulturelle oder soziale Einrichtungen.
Im Erdgeschoss müssen die Türme öffentlich zugänglich sein, möglich wären etwa Cafés oder Shops. Auch die Dachterrassen sollen der Allgemeinheit "gehören", etwa mit gastronomischen Angeboten, oder zumindest gemeinschaftlich genutzt werden. Umfasst das Bauvorhaben mehrere Gebäudeteile, muss die Multifunktionalität innerhalb des Gesamtvorhabens gewährleistet werden, wobei mindestens ein Gebäude höher als 60 Meter sein muss.
Das Hochhausleitbild soll der Orientierungsrahmen für die verbindliche Bauleitplanung sein.
Kritik am Hochhausleitbild kommt aus der Wirtschaft
"Der Bau neuer Hochhäuser ist ein essenzieller Beitrag, um die Lage am Berliner Wohnungs- und Gewerberaummarkt zu entspannen", sagt Jörg Nolte, Geschäftsführer Wirtschaft und Politik der IHK Berlin zu den vom Senat beschlossenen Regeln für den Bau von Hochhäusern.
Doch neue, dringend benötigte Hochhausprojekte steckten schon viel zu lange in der Warteschleife. Das neue Leitbild sei keine tragfähige und transparente Entscheidungsgrundlage für Investoren, sondern vielmehr ein "Katalog für die Behörden", der den Investoren den Spielraum nehme. Als besonders problematisch schätzt die IHK Berlin die geplanten Restriktionen: Etwa die Erfordernis, das Baukollegium dreimal zu beteiligen.
"Auf diesen und weitere Punkte hat die Wirtschaft während der Beteiligungsphase zum Hochhausleitbild hingewiesen – bezeichnenderweise ohne jedes Feedback", zeigt sich Nolte enttäuscht.
Zum "Hochhausleitbild für Berlin"
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