Die Stadt ganzheitlich betrachten - ohne Insellösungen

Der umkämpfte Wohnungsmarkt hat auch Nachteile für die Innenstadt: Wenn die Menschen zunehmend an den Stadtrand gedrängt werden, bluten die Stadtzentren aus. Um die Entwicklung positiv voranzutreiben, müssen Städte mit allen ihren Facetten und Funktionen betrachtet werden.

Hat die LBBW aus ihrer internationalen Erfahrung in New York, Paris und London Ansatzpunkte, wohin die Stadt­­­­­­­­­entwicklung Hamburgs gehen sollte?

Maaß: Uns interessiert ja besonders das Thema gewerbliches Bauen. Doch auch in diesem Bereich dürfen wir einfach nicht mehr so eindimensional unterwegs sein. Wir dürfen nicht etwa bei der Erkenntnis stehen bleiben, dass wir 6.000 Wohneinheiten pro Jahr brauchen.

Wir müssen die Stadt ganzheitlich betrachten mit Arbeitsplätzen, mit Unternehmen, mit Mobilitätskonzepten – und idealerweise alles ohne Insellösungen. Denn unser Leben ist wesentlich komplexer und vernetzter.

Sonnenschein: Die Menschen zögen ja nicht nach Hamburg, wenn es hier keine Arbeitsplätze gäbe. Das Statistische Landesamt zeigt wunderbar: Die Hartz-IV-Haushalte sind zurückgegangen, die Wohngeldbezieher auch. Und die Beschäftigungsquote ist deutlich gestiegen in den letzten Jahren. Wir sind seit langer Zeit in einer Hochkonjunkturphase!

Was bedeutet dies für den Nahverkehr?
Sonnenschein: Zum Stichwort Mobilität empfehle ich mal über den Hauptbahnhof zu gehen oder sich in einen Metrobus hineinzuzwängen. An diesem Konzept scheitert die Stadt momentan. Denn viele Behörden schauen noch zu eindimensional auf das Problem.

Eine Busspur allein hilft nicht, wenn man nicht mehr Busse kauft und deren Taktung erhöht. Mit dem aktuellen System bekomme ich die Masse Mensch nicht befördert.

Detig: Derzeit macht das London ganz gut mit den Schnellbahntrassen in die Außenbezirke. Doch London hat noch andere Schwierigkeiten. Ich war letztens sonntags abends an der St Paul‘s Cathedral. Da war nichts los. Montags morgens dagegen war es brechend voll in der Stadt. Deshalb dürfen wir nicht die städtischen Probleme nur in die Außenbezirke verlagern.

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Es muss eine Mischung aus den verschiedensten Ansätzen sein,  damit die Innenstadt lebens- und liebenswert bleibt.

Die städtische Vision fehlt

Maaß: Gerade hierfür fehlt mir – und das kreide ich Hamburg stark an – die städtische Vision. Zu Zeiten, als wir in Hamburg einen negativen Bevölkerungssaldo hatten, haben wir die Vision „Wachsende Stadt“ entwickelt. Doch das ist seit 15 Jahren nichts Neues. Das betrifft auch den Einzelhandel.

Wir bekommen jetzt in der HafenCity noch einmal 100.000 Quadratmeter an Einzelhandelsflächen hinzu. Doch für wen ist das attraktiv, wenn kaum noch jemand in der Innenstadt wohnt?

Denn wenn wir mal abends etwas länger arbeiten, ist es um neun Uhr auch bei uns in der Fußgängerzone schon ganz schön leer. So stirbt die Stadt.

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Video: Unternehmerrunde Hamburg