Neue Ideen für Wohnungsmarkt und Mobilität

Beim Wohnungsbau ergeht es Hamburg wie vielen Boomregionen: Das Angebot ist knapp, die Preise steigen, bezahlbarer Wohnraum lässt sich kaum noch realisieren. Bessere Mobilitätskonzepte könnten eine Lösung sein.

Welchen Wert, Herr Sonnenschein, hat Ihrer Erfahrung nach in Hamburg bei all den Gewerbethemen der Wohnbau?
Sonnenschein: Das Bündnis für das Wohnen in Hamburg war sehr innovativ. Das haben bundesweit sogar alle größeren Städte versucht zu kopieren. Bis 2030 soll ein Zuzug von weiteren 100.000 Bewohnern stattfinden. Das bedeutet, dass mindestens 6.000 Wohnungen bis 2030 jedes Jahr fertiggestellt werden müssen. Da hat das Bündnis für Wohnen mit der richtigen Größenordnung geplant.

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Doch leider hängt nach wie vor die Fertigstellung hinter den Genehmigungszahlen hinterher. 

Kaufpreise für Wohnflächen müssen niedriger sein

Welche Rolle spielt dabei das Preisverhältnis Gewerbe- zu Wohnbauflächen?
Sonnenschein: Eine große! Im Wohnungsbau haben wir nun mal durch die Vorgaben der EnEV eine um elf Prozent schlechtere Flächeneffizienz. Deswegen muss ich mit meinem Kaufpreis zwangsläufig niedriger liegen als ein gewerblicher Entwickler.

Diesen Vorteil hat Gewerbe immer!
Sonnenschein: Ja, aber es werden am Markt zum Teil Preise bezahlt, bei denen ich bezweifle, ob es dann an diesem Standort zu einer Realisierung kommt. Wir werden ja sehen, ob etwa das Holstenareal zu diesen Preisen realisiert werden wird. Wenn ein Quadratmeter Wohnfläche 2.800 Euro im Meridian kos­tet und wir nun noch den Abschluss in der Bauindustrie mit 5,7 Prozent hinzuziehen, dann wissen Sie, wo die neuen Baukosten im Mittel liegen werden…

Maaß: …wenn Sie überhaupt noch Unternehmer finden, die die notwendigen Kapazitäten zur Verfügung stellen können. Ich sehe da allerdings noch weitere Risiken. Wir führen hier nämlich eine unfaire Diskussion. Man müsste auch bei den 6.000 Wohneinheiten besser differenzieren. Nach Qualität etwa. Wird alles die 5.000-Euro-Eigentumswohnung oder brauche ich auch bezahlbares Wohnen?

Wie wird bezahlbarer Wohnraum möglich?

Sonnenschein: Moment mal, die Baukos­ten sind für alle gleich! Jeder hat bereits rund 3.000 Euro pro Quadratmeter Herstellungskosten auf der Uhr. Hinzu kommen die Grundstückskosten von 1.000 Euro und mehr. Da stellt sich die Frage nach bezahlbarem Wohnen nicht mehr.

Maaß:

Aber die Stadt muss doch einen wohnungspolitischen Ansatz verfolgen! Wenn sie die wachsende Stadt propagiert, muss sie doch aufpassen, dass nicht die Grundstücksbesitzer bei den niedrigen Zinsen die gesamte mögliche Wertsteigerung abschöpfen!

Die Kostenthemen bleiben, für Projektsteuerer ist das Risiko mannigfaltig. München etwa könnte für Hamburg ein abschreckendes Beispiel sein. Bei 25 bis 30 Euro Miete pro Quadratmeter in der Innenstadt kann dort ja selbst ein hochqualifizierter Arbeitnehmer nicht mehr wohnen.

Detig: Und was ist erst mit Krankenschwestern oder Polizisten? Wo werden diese Menschen wohnen? Sie werden ja scheinbar momentan aus der Stadt verdrängt. Doch das ist komplett unsinnig, weil sie täglich zum Arbeitsplatz pendeln.

Andere Mobilitätskonzepte notwendig

Sind Immobilien nichts ohne ein sinnvolles Mobilitätskonzept?
Detig: Ja. Denn wir müssen mit solchen Konkurrenzen, die Immobilien unbezahlbar machen für eine bestimmte Bevölkerungsschicht, konstruktiv umgehen.

Mobilität ist eine Möglichkeit zur Teilhabe dieser Menschen am eigentlichen städtischen Leben.

Maaß: Es kann sich keiner leisten, 60 bis 70 Prozent seines Nettolohns für die Miete auszugeben!

Sonnenschein: Ich bekomme den Mietenmarkt ja nur runter, wenn ich ein Überangebot an Wohnraum habe. Nur so muss ich nicht 25 Euro auf den Quadratmeter zahlen.

Wir müssen die Attraktivität der Städte auch für junge Leute weiterhin hoch halten.

Was muss Hamburg konkret leisten, damit das geschieht?
Sonnenschein: Ich habe mir die Zahlen von 2010 bis 2015 genau angeschaut: Wir haben bereits ein Wohnungsdefizit von etwa 23.000 Einheiten, allein wenn man die hergestellten Wohneinheiten und die durchschnittliche Haushaltsgröße mit den zugezogenen Einwohnern vergleicht.

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Es gilt, verstärkt die Baulandflächenpotenziale dafür zu heben – sonst werden die Preise weiter steigen.

Was sind Ihre Mittel der Wahl, Frau Detig: Konversion, Nachverdichtung, Aufstocken oder entlang der Ausfallstraßen Hamburgs Grundstücke entwickeln?
Detig: Die Lösung ist die Mischung vieler Dinge. Doch noch eine andere Frage beschäftigt mich: Wir reden immer von den Zuzugsregionen und den Wachstumsstädten. Doch es gibt auch Städte und Regionen, die leerlaufen. Dort sinken die Mietpreise und steigen die Leer­­­stände. Das bedeutet für die auf dem Land lebenden Menschen Wertverluste.

Maaß: Das werden Sie nicht eindämmen.

Detig: Nein, natürlich nicht. Es ist eben gerade der Trend, dass alle wieder in die Städte hineinwollen. Es gab auch schon gegenteilige Phasen.

Sonnenschein: Doch weltweit gesehen ist der derzeitige Zyklus ein Dauerphänomen!

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Natürlich garantiert uns das Grundgesetz gleiche Lebensqualität. Doch bereits vor 28 Jahren war klar, dass viele kleine Kommunen besonders im Osten Deutschlands ausbluten werden. Denn ohne Arbeitsplätze kann die Versorgung der kleinen Gemeinden infrastrukturell nicht aufrechterhalten werden. Der Metropolentrend wird sich nicht wieder umkehren.

Maaß: Doch der wichtige Unterschied lautet, ob denn alle Leute ins Zentrum wollen. Vielleicht genügt manchen ja auch eine Stadtrandlage. Deswegen ist die Vermarktung als Metropolregion nicht verkehrt. Denn um hier langfristig leben und arbeiten zu können, brauchen wir dieses Gesamtkonzept.

Neue Ideen sind wichtig

Detig: Zusammengefasst muss es andere Konzepte zur Stadtentwicklung geben. Wie binde ich etwa die weiter außerhalb Wohnenden per Mobilitätskonzepte an das städtische Leben an? Und was kann neben allen tollen Ideen der Markt bereits jetzt gewährleisten? Denn wo ist die Industrie, die etwa für autonomes Fahren erforderlich ist?

Sonnenschein: Wenn der gesamte Verkehr über Elektromobilität abgewickelt werden soll, dann müssten wir in Deutschland im Hinblick auf den Klimawandel zehn neue Atomkraftwerke bauen. Das will sicher keiner.

Detig: Wenn ich mir den ökologischen Fußabdruck von Elektromobilität anschaue, bin ich mir auch nicht so sicher über ihre Gesamtbilanz. Man kann dadurch allerdings Schadstoffe aus den Innenstädten heraushalten. Die Stadt – so wie sie jetzt gewachsen ist in unserem alten Europa – ist wunderschön. Doch das Stadtkonzept benötigt nun eine Anpassung an die modernen Erfordernisse.