Expo Real 2023: Krise versus Zweckoptimismus

Die Krisen ziehen ihre Kreise. Wie reagiert die Branche auf der Expo Real darauf? Während die einen noch die Herausforderungen manifestieren, blicken andere schon optimistisch über das Tal der Tränen hinaus. Es bleibt auch nichts anderes übrig – der Druck ist groß und die Zeit drängt.

Die diesjährige Expo Real als Familientreffen mit einer Stimmung wie bei einem Begräbnis – diese Vorahnung hatte GdW-Präsident Axel Gedaschko bereits im Vorfeld der Messe im EXPO REAL Podcast by L’Immo. Und schon der Einzug der Besucherinnen und Besucher am Morgen des ersten Messetages hatte etwas von einem Trauerzug. Waren in den vergangenen Jahren noch vermehrt farbenfrohe Business Casual Outfits zu entdecken, konnte man jetzt von oben aus dem Pressezentrum nur eine lange Schlange aus dunkelblauen, grauen und schwarzen Anzügen erkennen.

Düstere Aussichten in der Immobilienfinanzierung

Der Tenor bei der ersten Veranstaltung im Zeichen der Immobilienfinanzierung war auch gleich sehr düster: "Es ist schlimmer gekommen, als wir uns es vergangenes Jahr vorgestellt haben", so Moderator Prof. Dr. Steffen Sebastian von der IREBS International Real Estate Business School an der Universität Regensburg.

Gründe für die schlechte Stimmung gibt es viele. Der Transaktionsmarkt ist nahezu zum Erliegen gekommen. Schuld sind die hohen Zinsen, die noch höheren Baukosten und fehlendes Kapital. Maria-Teresa Dreo-Tempsch von der Berlin Hyp AG relativierte allerdings, dass die Branche anerkennen müsse, dass der Superzyklus vorbei sei und die Wertkorrekturen akzeptiert werden müssten. Doch dann könne man auch wieder arbeiten und kalkulieren. Und auch Marcus Buder von der Berliner Sparkasse gab zu bedenken, dass fünf bis sechs Prozent Zinsen erst im mittleren Bereich anzusiedeln waren, es gab auch schon Zeiten mit zwölf Prozent.

Assetklasse Büro: Vermieter müssen ihre Hausaufgaben machen

Zwar reden die Banken davon, dass sie Schnappatmung bekommen, wenn ein Projektentwickler mit einem neuen Büroprojekt vorstellig werden, aber: Totgesagte leben länger. An der Assetklasse Büro halten nach wie vor alle fest. Und auch bei den Büromaklern nachgefragt sind die Einschätzungen zwar nicht besonders rosig, doch im Leasing Bereich längst nicht pessimistisch wie in anderen Bereichen der Branche.

Ja, Büros haben unter der Pandemie und durch die schwache Konjunktur stark gelitten. Doch sind die Unternehmen nach Einschätzung von JLL nach wie vor in der Findungsphase des hybriden Arbeitens und Flächen werden immer noch gebraucht. Der Markt ist herausfordernder geworden und Vermieter müssen sich jetzt aktiv Gedanken machen, wie sie für Mieter attraktiv werden.

Miguel Rodriguez Thielen, Head of Office Leasing Germany bei JLL, sieht genau hier den Scheidepunkt, wo sich in der Bürovermietung – trotz Krise – noch erfolgreich wirtschaften lässt: "Wenn Bürovermieter ihre Hausaufgaben machen, können sie sogar eine höhere Miete erzielen". Mit Hausaufgaben sind hochwertige Flächen mit guten energetischen Standards gemeint und den entsprechenden Daten, die positiv auf die ESG Reportings der Unternehmen einzahlen. "Vermieter müssen ihre Mieter abholen und zeigen, wie sie ihre Nachhaltigkeitsziele erreichen können. Das Gebäude ist dabei ein erster Schritt", rät Rodriguez Thielen.

Bestandssanierung: Ohne Ökologie keine Ökonomie

Apropos aktiv werden und Nachhaltigkeit. Da gibt es doch noch ein Thema, das die Branche auf Trab hält. Richtig: Die Bestandssanierung. War es vor zwei Jahren noch eher ein Randthema, rückte es vergangenes Jahr schon stärker in den Fokus der Messe. Jetzt, am ersten Tag der Messe, platzte das Panel rund um den Bestand aus allen Nähten.

Sarah Dungs, Vorstandsvorsitzende des Verbands Bauen im Bestand und Geschäftsführerin, brach gewohnt leidenschaftlich eine Lanze für den Bestand und entkräftigte jedes "Ja, aber…". Auf das Zögern in Bezug auf die Sanierung aus wirtschaftlichen Gründen entgegnete sie lapidar: "Ohne Ökologie gibt es auch bald keine Wirtschaft mehr".

Ob es das Publikum so eindringlich getroffen hat, wie es wahr ist, lässt sich nicht sagen. Zumindest die Zahl der Handzeichen auf die Frage, wie viele Teilnehmende sich denn bereits mit dem Bestand auseinandersetzen würden, war ernüchternd: Eine Handvoll meldeten sich tapfer. Bleibt zu hoffen, dass sich der Rest am zweiten Messetag an das Thema wagt. "Es ist eine schlechte Zeit für Optimisten", sagte sogar Dungs selbst nach der Veranstaltung. Aber die Alternativlosigkeit treibe sie an, weiter aufzuklären und die Branche zu ermutigen. Denn am Ende gehöre ihre Generation der Professionals zu denen, die etwas bewirken könne.

Realitätsnah? Gut so!

Eine weitere Stimme der jungen Immobilien-Professionals fasste die Stimmung auf der Expo Real ebenfalls kurz und knapp zusammen: Als "realitätsnah", bezeichnete sie Nico Kramp, Co-Founder von Assetbird und NextGen-Beirat des Instituts für Corporate Governance. Diese Einschätzung kann die Messe eigentlich als Kompliment auffassen. Denn wie oft wird der Immobilienbranche nachgesagt, doch etwas über den Dingen zu schweben?

Sich einzugestehen, dass die fetten Jahre vorbei sind und die Unternehmen aktiv Herausforderungen lösen müssen, ist ein essenzieller Schritt in die richtige Richtung. Das gilt nicht nur für die Wirtschaft, sondern auch und vor allem für die Zukunft unseres Klimas. 


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