Corona-"Novemberhilfen" landen vor dem Bundesverfassungsgericht

Hotelübernachtungen sind wegen des verlängerten Corona-Lockdowns bis zum 20. Dezember scharf reguliert. Gegen die aus ihrer Sicht unzureichende Entschädigung ("Novemberhilfe") für das Beherbergungsverbot hat die Hotelgruppe Dorint Beschwerde beim Bundesverfassungsgericht eingereicht.

Dorint-Aufsichtsratschef Dirk Iserlohe sieht in den verlängerten Lockdown-Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie erhebliche Verletzungen der Grundrechte nach Artikel 3 ("Gleichheitsgebot"), 12 ("Berufsfreiheit") und 14 ("Eigentumsschutz") – sollte es keine gesicherte Entschädigung für die Umsatzeinbußen der Hotellerie geben.

Die Geschäftsführung der Hotelgruppe beklagt, dass mit der sogenannten "Novemberhilfe" zunächst nur eine Abschlagszahlung in Höhe von 10.000 Euro für die gesamte Unternehmensgruppe fließen soll. Der Maximalantrag, der derzeit gestellt werden kann, belaufe sich auf eine Million Euro, sagte Iserlohe – und das bei einem Schaden der rund 60 Dorint-Hotels & Resorts von derzeit 14,3 Millionen Euro im Vergleich zum November 2019. Darüber hinausgehende Leistungen müssten "angeblich" mit der EU abgestimmt werden.

Die Entschädigungen seien verpflichtend, zeitgerecht und angemessen zu zahlen, sagte Iserlohe. Das sei nicht geschehen. Daher habe die Hotelgruppe eine Beschwerde mit sechs Hauptanträgen und zwei Eilanträgen beim Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe gegen die neuen "Lockdown-Maßnahmen ohne gesicherte Entschädigung" eingereicht. Denn sollte nicht zügig bezahlt werden, sei eine ganze Branche in ihrer Existenz gefährdet.

Da die Pachten und Kapitaldienstverpflichtungen für November 2020 aufgrund des noch nicht klargestellten § 313 BGB (Störung der Geschäftsgrundlage) sowie der Ratenzahlungen für Überbrückungskredite aus dem ersten Lockdown fällig seien, dürfte klar sein, dass die Novemberhilfe, der "noch nicht gefallene Tropfen auf den heißen Stein", schon jetzt in der Luft verdampft, so der Dorint-Aufsichtsratschef. Zumal die Insolvenzantragspflichten für die Zahlungsunfähigkeit seit dem 1.10.2020 wieder gesetzlich vorgegeben seien.

Um die Mieten in der Hotellerie ist eine heiße Debatte entbrannt

Hotelbetriebe sind besonders stark betroffen von den staatlichen Lockdowns und anderen restriktiven Maßnahmen. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte vor Kurzem angekündigt, dass sie mit einer Änderung des Mietrechts – explizit geht es um die Anwendung des § 313 BGB, den Iserlohe erwähnt – Gewerbemietern und -pächtern, wie Einzelhändlern, Hoteliers und Gastronomen, in der Corona-Krise unter die Arme greifen will.

Dieser Plan entfachte heftige Diskussionen – auch in der Immobilienbranche. Dr. Andreas Mattner, Präsident des Zentralen Immobilien Ausschuss (ZIA), ist der Auffassung, dass der von Lambrecht geplante Eingriff in die Systematik von Vertragsverhältnissen nicht nachvollziehbar sei. "Die pauschale Anwendbarkeit des Wegfalls der Geschäftsgrundlage auf Mietverträge lehnen wir daher entschieden ab. Bilaterale und passgenaue Vertragsanpassungen können die Vertragsparteien besser selbst als durch rechtliche Anordnung aushandeln", argumentierte Mattner.

Das empörte Iserlohe. Er kritisierte in einem offenen Brief an Mattner – der der Redaktion vorliegt – die "stark darwinistische und kurzsichtige" Einstellung der "lobbyistischen" Immobilienwirtschaft. Die könne nicht zu einem bilateralen fairen Interessensausgleich zwischen den gewerblichen Vermietern und den durch die Pandemie-Folgen stark belasteten Mietern und Pächtern führen.

"Sie würden Ihren Mitgliedern mehr helfen, wenn Sie den Vorstoß von der Bundesjustizministerin Frau Lambrecht unterstützen und sich nicht gegen die Klarstellung wenden, damit sich die Vertragspartner ohne eine langwierige prozessuale Auseinandersetzung legal und legitim einem fairen Interessensausgleich nicht weiter versperren", schreibt der Dorint-Chef in dem Brief.

ZIA-Präsident Mattner wies den Vorwurf, der ZIA würde sich einem fairen Ausgleich versperren, zurück. Der Verband habe sich schon zu Beginn der Krise für die Belange der Hotelbranche eingesetzt – unter anderem habe es Gespräche mit Dieter Müller (Motel One) und Olaf Steinhage (mrp) gegeben. Eine Befragung unter den ZIA-Mitgliedern zeige außerdem, dass für knapp 80 Prozent der Gewerbemietverträge eine Einigung über Corona-bedingte Mietanpassungen getroffen werden konnte; bei weiteren Mietverträgen liefen die Verhandlungen noch.

Corona-Verhaltenskodex von HDE und ZIA: Blaupause für das "Mietproblem"?

In Hamburg hat sich im November eine Initiative aus Senat, dem Handelsverband Deutschland (HDE) und dem ZIA formiert, die für faire individuelle Miet-Lösungen und für einen Corona-Verhaltenskodex wirbt. Die Initiatoren rufen gewerbliche Mieter und Vermieter in Hamburg zur Zusammenarbeit auf. Beide Mietparteien säßen wegen der Corona-bedingten Einbußen in einem Boot und müssten sich über eine faire Risiko- und Lastenverteilung in der Krise einigen, heißt es in einer Mitteilung des Senats.

Viele Vermieter hätten sich zwar bereits auf ihre Mieter zubewegt, "denn auch sie wissen, dass Kündigung und Leerstand keine gute Alternative in der Krisenbewältigung sind", erklärte dazu Finanzsenator Andreas Dressel (SPD), der auch für die städtischen Immobilien zuständig ist: "Aber uns berichten immer wieder Gewerbemieter, dass es auch Vermieter gibt, die zu keinerlei Zugeständnissen bereit sind."

Gewerbliche Vermieter sollten mindestens für das Corona-Jahr 2020 mit ihren Mietern im Einzelfall lösungsorientierte Vereinbarungen treffen: Das könne eine Mietstundung, eine Mietminderung oder auch eine Ratenzahlung sein, heißt es beim ZIA. Nicht nur durch Betriebsschließungen seien Einzelhändler und andere Gewerbetreibende staatlichen Restriktionen ausgesetzt, sondern auch durch Frequenzbeschränkungen und andere Maßnahmen, die auf die Umsätze drücken.

Hier könne der Verhaltenskodex von HDE und ZIA nicht nur im Handel, sondern auch in anderen besonders betroffenen Branchen Maßstab sein und den Weg aufzeigen, so Senator Dressel. Im Zuge der massiven Corona-Einschränkungen seit Anfang November wurden auch die kommunalen Unternehmen erneut gebeten, wohlwollend mit Anträgen gewerblicher Mieter umzugehen.


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