Berliner Zweckentfremdungsverbot: BVerfG äußert sich nicht

Das Oberverwaltungsgericht Berlin hatte Zweifel, ob das Berliner Zweckentfremdungsgesetz verfassungskonform ist, und wandte sich an das Bundesverfassungsgericht (BVerfG). Das war vor fünf Jahren. Die Frage bleibt aber weiter ungeklärt. Das höchste deutsche Gericht hält die Vorlagen für unzulässig.

Ob das Gesetz des Landes Berlin gegen ungenehmigte Ferienwohnungen – Zweckentfremdungsverbot-Gesetz (ZwVbG) – verfassungskonform ist, bleibt auch nach einer Anfrage beim Bundesverfassungsgericht (BVerfG) ungeklärt.

Die Karlsruher Richter befanden die entsprechenden Vorlagen des Oberverwaltungsgerichts (OVG) Berlin-Brandenburg für unzulässig, wie jetzt bekannt wurde. Nach Auffassung der 3. Kammer des Ersten Senats hat das OVG "weder seine Überzeugung von der Verfassungswidrigkeit der angegriffenen Vorschrift noch die Entscheidungserheblichkeit der Vorlagefrage hinreichend dargelegt" (Beschluss v. 29.4.2022, 1 BvL 2/17). 

BVerfG-Richter: OVG-Vorlage unzureichend

Das ZwVbG stellt die Nutzung von Wohnraum als Ferienwohnung grundsätzlich unter den Vorbehalt einer Genehmigung. Das OVG Berlin hatte sich vor mehr als fünf Jahren mit der Frage an das BVerfG gewandt, ob das Verbot der Zweckentfremdung von Wohnraum auch rückwirkend gelten darf – also für Ferienwohnungen, die es vor Inkrafttreten des Gesetzes Ende 2013 (geändert durch das Erste Gesetz zur Änderung des Zweckentfremdungsverbot-Gesetzes vom 22.3.2016) schon gab.

Wegen der Bedenken bezüglich der Vereinbarkeit mit dem Grundgesetz (GG) setzte das OVG zahlreiche Berufungsverfahren von Eigentümern aus. Konkret ging es um einen möglichen Verstoß gegen die Berufsfreiheit (Art. 12 I GG) und die Eigentumsgarantie (Art. 14 I GG), die das OVG laut BVerfG nicht ausreichend dargelegt hat.

Aus Sicht des Karlsruher Richter haben die Berliner Kollegen auch nicht deutlich gemacht, warum sie zu unterschiedlichen Entscheidungen kämen, wenn das Gesetz entweder verfassungskonform oder verfassungswidrig wäre. Beispielsweise hätten sie sich nicht dazu geäußert, ob die betroffenen Wohnungen baurechtlich vor Inkrafttreten des Gesetzes überhaupt als Ferienwohnung hätten vermietet werden dürfen.

Zweckentfremdungsverbot Berlin: Hintergrund

Im Dezember 2013 trat das Gesetz in Kraft, mit dem die zweckfremde Nutzung von Wohnraum unter Genehmigungsvorbehalt gestellt wurde (§ 1 Abs. 1 ZwVbG). In § 1 Absatz 2 ZwVbG ist festgelegt, dass durch eine Rechtsverordnung festzustellen ist, ob und wo in Berlin das Gesetz konkret zur Anwendung gelangt. Am 1.5.2014 trat diese Verordnung in Kraft: Seitdem bedarf die Nutzung von Wohnraum zu anderen als Wohnzwecken im gesamten Stadtgebiet einer Genehmigung der Bezirksämter.

2018 verschärfte der Senat das Gesetz: Seither brauchen auch die Anbieter zumindest eine Registriernummer, die nur ein Zimmer an Touristen untervermieten wollen. Eine darüber hinausgehende Genehmigung benötigen sie dann, wenn das Zimmer mindestens halb so groß ist wie die gesamte Wohnung.

Die Anbieter müssen die Registriernummer im Angebot etwa bei der Vermittlungsplattform Airbnb öffentlich machen. Aus Sicht der Bezirke funktionierte das lange nur unzureichend. Sie warfen den Onlineportalen vor, die Angebote auch ohne die Angabe der Nummer zu veröffentlichen. Das Berliner Verwaltungsgericht (VG) entschied im vergangenen Jahr, dass Airbnb die Daten privater Vermieter an Behörden herausgeben muss – wenn es den Anfangsverdacht einer Zweckentfremdung gibt.

BVerfG verweist ZwVbG-Klage zurück an das OVG Berlin

Das OVG Berlin war der Auffassung, das Zweckentfremdungsverbot sei rechtmäßig, soweit es sich auf bestehenden Wohnraum beziehe. Eine Rückwirkung auf Räume, die schon vor dem 1.5.2014 als Ferienwohnung genutzt wurden, ginge aber über den Schutz des Wohnraumbestandes hinaus und greife unverhältnismäßig in die Grundrechte von Eigentümern und Vermietern ein.

Die besondere Gefährdung der Wohnraumversorgung rechtfertige es nicht, Eigentümer zu zwingen, gewerblich genutzte Räumlichkeiten in Wohnraum (zurück) zu verwandeln. Die vom Gesetz eingeräumte Übergangsfrist von zwei Jahren für die Vermieter von Ferienwohnungen und die Möglichkeit, eine Genehmigung zu beantragen, könnten die Rechtsbeeinträchtigungen, die mit dem Zweckentfremdungsverbot verbunden seien, nicht kompensieren.

Die Kläger sind Eigentümer oder Mieter von Wohnungen, die schon vor dem Verbot als Domizil für Feriengäste angeboten wurden – und weiter genutzt werden sollen.

(OVG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse v. 6.4.2017, OVG 5 B 14.16 u.a.) 


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dpa
Schlagworte zum Thema:  Zweckentfremdung, Ferienwohnung