Basel III: Die verzweifelte Suche nach besserer Risikokontrolle
"Das ist jetzt eine Phase, wo es um wichtige Weichenstellungen für viele unserer Mitgliedsbanken geht", betont Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfandbriefbanken (vdp). Der Bankenlobbyist hofft, die anstehende Verschärfung der Eigenkapitalvorschriften für Immobilienkredite im Verlauf des aktuellen Abstimmungsprozesses zwischen dem Europäischen Parlament (EU-Parlament) und der EU-Kommission noch abmildern zu können.
vdp: Wohnimmobilienfinanzierungen als risikoarm einstufen
So unterstützt der vdp einen Änderungsantrag der Europäischen Volkspartei (EVP), der darauf abzielt, Wohnimmobilienfinanzierungen dauerhaft – und nicht nur für eine Übergangszeit bis 2032 – als risikoarm einzustufen. Der Antrag sieht laut Tolckmitt zum Beispiel vor, dass bei der Ermittlung von Kapitaluntergrenzen (Output-Floor) bis zu einem Beleihungsauslauf (LTV) von 55 Prozent ein Risikogewicht von zehn statt 20 Prozent bezogen auf die Kredithöhe angesetzt werden kann. Vorausgesetzt, die in "Super Hard Tests" ermittelten institutsindividuellen Verlustquoten lagen in den vergangenen sechs Jahren im Schnitt unter 0,25 Prozent.
"Bei granularem Wohnen ist das Risiko sicherlich geringer als etwa bei Logistikimmobilien", sagt Peter Axmann, Leiter Immobilienkunden der Hamburg Commercial Bank (HCOB). Daher sollten derartige Finanzierungen eigentlich mit weniger Eigenkapital unterlegt werden müssen. Der Sinn stärkerer Regulierungsbestrebungen sei ja, Risiko adäquater zu bewerten.
Diese Problematik betrifft auch Gewerbeimmobilien. Deswegen unterstützt der vdp einen weiteren Änderungsantrag der EVP, dass Banken bei Gewerbeimmobilienfinanzierungen beim Kreditrisikostandardansatz (KSA) – bis zu einem LTV von 55 Prozent – mit einem reduzierten Risikogewicht von 50 statt 60 Prozent kalkulieren dürfen. Jedoch nur, sofern die Rückzahlung nicht vom Cashflow des Beleihungsobjekts abhängt.
Risikogewichtung an "grünen Faktoren" festmachen?
Das ist beispielsweise dann der Fall, wenn es keiner Zweckgesellschaft gehört, sondern direkt zum Betriebsvermögen eines Unternehmens. Durch niedrige Verlustquoten ist im "Hard Test" ferner unter anderem nachzuweisen, dass die Ausfallrisiken sehr gering sind.
Auf wenig Beifall der meisten Banken und des vdp stößt der Vorschlag von Jonás Fernández, dem Berichterstatter des EU-Parlaments, grüne Faktoren bei den Mindestkapitalanforderungen für Immobilienkredite zu berücksichtigen. "Die Gewichtung von Risiken sollte die möglichen wirtschaftlichen Auswirkungen adäquat abbilden und nicht politische Zielsetzungen transportieren", argumentiert Tolckmitt. Die Option, institutsspezifische Nachhaltigkeitsrisiken durch Kapitalzuschläge zu adressieren, sei im Aufsichtsrechts bereits verankert.
Ernst Eichenseher, Leiter Risikomanagement und Controlling der Deutschen Pfandbriefbank (pbb), sieht das ähnlich: Risikobeurteilungen sollten sich an den realen Risiken orientieren und nicht an formalen Klassifizierungen als "grün" oder "braun". Sonst bestehe die Gefahr von Fehlanreizen. Ohnehin müssten zuvor Kriterien für die Einordnung fixiert werden. Selbst Zertifizierungen wie LEED (Leadership in Energy and Environmental Design) seien kein geeigneter Maßstab, findet Jan Uhligs, Finanzierungsexperte von EY Real Estate. Bislang werde dort unter anderem die CO2-Neutralität-Thematik komplett ausgeblendet.
"Braune Immobilien": Risiko für das Kreditportfolio
Klar ist der Branche aber auch, dass grüne Faktoren für die Bewertung von Immobilienfinanzierungen an Bedeutung gewinnen. "Braune Immobilien werden in den kommenden Jahren zu einem immer größeren Risiko für Kreditportfolien", warnt Jan Peter Annecke, Bereichsleiter Immobilienkreditgeschäft der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba). Der vdp teilt diese Einschätzung. "Sobald Nachhaltigkeit und CO2-Neutralität für Gebäudestandards zu greifbaren Bewertungsfaktoren herangereift sind, werden sie automatisch in die Bewertung von Immobilien einfließen", ist Tolckmitt überzeugt. Sie jetzt schon in die Basel-III-Eigenkapitalregulatorik hinzupacken, sei daher überflüssig.
Ein Dorn im Auge ist der Branche ferner, dass sich in den nächsten Jahren durch den "Output-Floor" die Abweichung der Ergebnisse der eigenen Risikomodelle – bezogen auf die Risikogesamtkosten – von Kreditinstituten verglichen mit denen, die sich auf Basis des Kreditrisikostandardansatz (KSA) ergeben, stärker annähern soll. "Die Einführung des Output-Floors in der von der EU-Kommission vorgeschlagenen Form konterkariert das Vertrauen in die internen Modelle der Immobilienbanken, die sich über viele Jahre bewährt haben", kritisiert die Aareal Bank.
Basel-III-Reform: "Output Floor" ab 2030 bei 72,5 Prozent
Das sehen Aufsichtsbehörden offenbar anders. Geplant ist, dass ab 2030 die durch interne Risikomodelle der Geldhäuser ermittelten Risikowerte die Anforderungen des KSA-Ansatzes im Schnitt nur noch um höchstens 27,5 Prozent unterschreiten dürfen. "Unterschiedliche Geschäftsmodelle werden dadurch viel stärker über einen Kamm geschert", resümiert Annecke. Gerade Banken, die sich auf risikoarme Finanzierungen spezialisiert hätten, müssten deutlich mehr Eigenkapital bei der Kreditvergabe einsetzen, ohne die Margen anpassen zu können. "Da die Helaba den Output-Floor in der Neugeschäftskalkulation bereits seit Längerem simuliert, werden uns die Neuerungen weit weniger zusetzen", so der Bankmanager.
Problematisch ist, dass der "Output-Floor" in der geplanten Ausgestaltung tendenziell risikoreichere Finanzierungen attraktiver macht, kritisiert die Branche. Das könnte Banken dazu bewegen, aus Rentabilitätsgründen höhere Risiken einzugehen, weil sich die nicht entsprechend in einem höheren Kapitalbedarf niederschlagen. "Wir hoffen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, um den Output-Floor nachzujustieren", sagt pbb-Risikomanager Eichenseher. HCBO-Banker Axmann befürchtet jedoch, dass es dafür schon zu spät sein könnte.
Banken: Basel-III-Effekte werden bereits einkalkuliert
Denn das Zeitfenster, um ein abschließendes Ergebnis zu liefern, schließt zusehends. Bis Mitte 2023 sollen die Beschlüsse von allen nationalen und EU-Entscheidungsinstanzen gebilligt sein. Der vdp setzt sich für einen danach beginnenden zweijährigen "Implementierungszeitraum" der Basel-III-Eigenkapitalregeln – von Banken auch Basel IV genannt – ein, damit den Banken genügend Zeit haben, die umfangreichen Neuerungen umzusetzen. Doch selbst wenn es in den kommenden Wochen und Monaten gelingt, Änderungen durchzuboxen, Grund zu jubeln, dürfte die Branche kaum haben. Das neue Regelwerk wird Kredite verteuern.
Dieser Prozess sei längst im Gange, sagt Axmann. Bei der Kreditvergabe würden längst Basel-III-Effekte mit einkalkuliert. Ebenso dürften die Governance-Regeln bei der Kreditvergabe verschärft werden. "Die Banken werden wohl die Beleihungsgrenze für Kredite weiter runterfahren und mehr Eigenkapital von Kreditnehmern einfordern sowie höhere Tilgungen", ist Finanzierungsberater Uhligs überzeugt. Ärgerlich findet Tolckmitt, dass sich die verschärfte Regulierung auf Banken konzentriert: "Wesentliche Teile des Kreditmarktes werden völlig ausgeblendet", kritisiert er. Dafür gebe es eigentlich keine Rechtfertigung. Nutznießer, da sind sich Branchenkenner einig, dürften alternative Kreditfinanzierer wie Debt Funds sein.
"Da reiben sich viele bereits die Hände, weil sie – anders als Banken – kaum reguliert werden und aufgrund dessen prinzipiell weder bei den Kreditstandards noch beim Kreditvolumen limitiert werden", gibt Axmann zu bedenken. Ob das kluge Steuerungsimpulse für die Risiken bei Immobilienfinanzierungen sind, darf durchaus bezweifelt werden.
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