Basel III: Banken finden Eigenkapital­vorschriften zu streng

Die finale Ausgestaltung der Ba­sel-III-Eigenkapital­re­geln steht für 2023 an. Derzeit wird im EU-Parlament noch über Ände­rungs­vor­­schlä­­ge debattiert, die auch Banken entlasten sollen. Fest steht bereits: Immo­bi­lien­kredite werden – nicht nur wegen der Zinswende – teurer. 

"Das ist jetzt eine Phase, wo es um wichtige Weichenstellungen für viele unserer Mitgliedsbanken geht", betont Jens Tolckmitt, Hauptgeschäftsführer des Verbandes deutscher Pfand­brief­banken (vdp). Der Bankenlobbyist hofft, die anstehende Verschärfung der Eigenkapital­vorschriften für Immobilienkredite im Verlauf des aktuellen Abstimmungsprozesses zwischen dem Europäischen Parlament (EU-Parlament) und der EU-Kommission noch abmildern zu können.

vdp: Wohnimmobilienfinanzierungen als risikoarm einstufen

So unterstützt der vdp einen Änderungsantrag der Eu­ro­pä­ischen Volks­­par­tei (EVP), der darauf abzielt, Wohnimmobilienfinanzierungen dauerhaft – und nicht nur für eine Übergangszeit bis 2032 – als risikoarm einzustufen. Der Antrag sieht laut Tolck­mitt zum Beispiel vor, dass bei der Er­­mittlung von Kapitaluntergrenzen (Output-Floor) bis zu einem Beleihungs­auslauf (LTV) von 55 Prozent ein Risikogewicht von zehn statt 20 Prozent bezogen auf die Kre­dit­hö­he angesetzt werden kann. Vorausgesetzt, die in "Super Hard Tests" er­mit­­­­tel­­ten insti­tu­ts­­in­di­viduellen Verlustquoten lagen in den vergangenen sechs Jah­ren im Schnitt unter 0,25 Prozent.

"Bei granularem Wohnen ist das Risiko sicherlich geringer als etwa bei Logistikimmobilien", sagt Peter Axmann, Leiter Im­mo­bilien­kun­den der Ham­burg Commercial Bank (HCOB). Daher sollten derartige Finanzierungen eigentlich mit weniger Eigenkapital un­ter­legt wer­den müs­sen. Der Sinn stärkerer Regulierungs­be­stre­bun­gen sei ja, Risiko adäquater zu be­­wer­ten.

Die­se Pro­­ble­matik betrifft auch Gewerbeimmobilien­. Deswegen unterstützt der vdp ei­nen wei­te­ren Än­der­ungs­antrag der EVP, dass Banken bei Gewerbe­im­mo­bi­li­en­finanzierungen beim Kre­­dit­ri­si­ko­stan­dardansatz (KSA) – bis zu einem LTV von 55 Prozent – mit einem redu­zier­ten Ri­si­ko­ge­­wicht von 50 statt 60 Prozent kalku­lie­ren dür­fen. Jedoch nur, sofern die Rück­­zah­­lung nicht vom Cashflow des Beleihungs­ob­jekts ab­­hängt.

Risikogewichtung an "grünen Faktoren" festmachen?

Das ist bei­spiels­­weise dann der Fall, wenn es kei­ner Zweckgesellschaft ge­hört, son­dern di­­rekt zum Betriebsver­mö­gen ei­nes Un­ter­­­­nehmens. Durch niedrige Ver­­lust­­­­quo­­ten ist im "Hard Test" ferner un­ter anderem nachzuweisen, dass die Ausfallrisiken sehr gering sind.  

Auf wenig Beifall der meisten Banken und des vdp stößt der Vor­schlag von Jonás Fernández, dem Berichterstatter des EU-Parlaments, grüne Fa­k­to­ren bei den Mindestkapitalanforderungen für Immobilienkredite zu berücksichtigen. "Die Ge­wich­tung von Ri­­siken sollte die mög­­lichen wirtschaftlichen Auswirkungen adäquat abbil­den und nicht po­li­tische Ziel­set­zungen transportieren", ar­gumentiert Tolck­mitt. Die Option, institutsspezifische Nach­hal­tig­keits­ri­si­ken durch Kapitalzuschläge zu adressieren, sei im Aufsichts­­rechts be­reits ver­an­kert.

Ernst Eichenseher, Leiter Risikomanagement und Con­trol­ling der Deutschen Pfand­briefbank (pbb), sieht das ähnlich: Risikobeurteilungen sollten sich an den realen Risiken orien­tie­ren und nicht an formalen Klassifizierungen als "grün" oder "braun". Sonst bestehe die Gefahr von Fehl­­anreizen. Ohnehin müssten zuvor Kriterien für die Einordnung fixiert werden. Selbst Zertifi­zie­rungen wie LEED (Lea­der­ship in En­er­gy and Environ­men­tal Design) seien kein geeig­neter Maß­stab, findet Jan Uh­ligs, Fi­nan­­zie­rungs­ex­per­te von EY Real Estate. Bis­lang werde dort unter anderem die CO2-Neu­tralität-Thematik komplett ausgeblendet.

"Braune Immobilien": Risiko für das Kreditportfolio

Klar ist der Branche aber auch, dass grüne Faktoren für die Bewertung von Immobilienfinanzie­rungen an Be­deutung gewinnen. "Braune Immobilien werden in den kommend­en Jahren zu einem immer größeren Risiko für Kre­dit­portfolien", warnt Jan Peter An­ne­cke, Be­reich­­s­leiter Im­mo­bi­lien­kre­ditgeschäft der Lan­des­bank Hes­sen-Thü­rin­gen (Helaba). Der vdp teilt diese Ein­schätzung. "Sobald Nach­haltig­keit und CO2-Neu­tralität für Ge­bäudestandards zu greif­ba­ren Bewertungsfaktoren her­an­ge­reift sind, werden sie automatisch in die Be­wertung von Im­mo­bilien einfließen", ist Tolckmitt überzeugt. Sie jetzt schon in die Basel-III-Eigen­ka­pi­tal­regulatorik hinzupacken, sei daher überflüssig.

Ein Dorn im Auge ist der Branche ferner, dass sich in den nächsten Jahren durch den "Output-Floor" die Abweichung der Er­geb­nisse der eigenen Risikomodelle – bezogen auf die Risikogesamt­kosten – von Kreditinstituten verglichen mit denen, die sich auf Basis des Kreditrisikostandardansatz (KSA) ergeben, stär­ker an­nähern soll. "Die Ein­füh­rung des Output-Floors in der von der EU-Kommis­­sion vor­ge­­schla­­ge­nen Form kon­­­ter­kariert das Vertrauen in die internen Modelle der Immobilien­ban­ken, die sich über viele Jah­re be­währt haben", kri­ti­siert die Aareal Bank.

Basel-III-Reform: "Output Floor" ab 2030 bei 72,5 Prozent

Das se­hen Auf­sichts­behörden of­fen­bar an­ders. Geplant ist, dass ab 2030 die durch interne Risi­ko­­­modelle der Geld­häuser ermittelten Risikowerte die Anforderungen des KSA-Ansatzes im Schnitt nur noch um höchs­tens 27,5 Prozent unterschreiten dür­fen. "Unter­schied­­liche Geschäftsmodelle wer­den da­durch viel stärker über einen Kamm geschert", re­sümiert Annecke. Gerade Banken, die sich auf risi­ko­arme Finanzierungen spezia­­li­siert hät­ten, müssten deutlich mehr Eigenkapital bei der Kre­dit­vergabe ein­set­zen, ohne die Margen anpassen zu können. "Da die Helaba den Output-Floor in der Neugeschäftskalkulation bereits seit Längerem simuliert, werden uns die Neuerungen weit weniger zusetzen", so der Bankmanager.

Problematisch ist, dass der "Output-Floor" in der geplanten Ausgestaltung tendenziell risikoreichere Finanzierungen attraktiver macht, kritisiert die Branche. Das könn­te Banken dazu bewegen, aus Ren­ta­bili­täts­gründen höhere Risiken einzugehen, weil sich die nicht entsprechend in einem höheren Ka­pi­­tal­­be­darf niederschlagen. "Wir hoffen, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist, um den Out­put-Floor nachzu­jus­tie­ren", sagt pbb-Risikomanager Ei­­­chen­se­her. HCBO-Ban­ker Ax­mann be­fürc­htet jedoch, dass es dafür schon zu spät sein könnte.

Banken: Basel-III-Effekte werden bereits einkalkuliert

Denn das Zeit­fenster, um ein abschließendes Ergebnis zu lie­fern, schließt zu­seh­ends. Bis Mitte 2023 sollen die Beschlüsse von allen nationalen und EU-Entscheidungsins­tanzen gebilligt sein. Der vdp setzt sich für einen danach beginnenden zwei­jäh­ri­gen "Implementierungs­­zeit­raum" der Basel-III-Ei­gen­kapitalregeln – von Banken auch Ba­­sel IV genannt – ein, damit den Banken ge­nügend Zeit haben, die umfangreichen Neu­­erungen umzusetzen. Doch selbst wenn es in den kommenden Wochen und Monaten gelingt, Änderungen durchzuboxen, Grund zu jubeln, dürfte die Bran­che kaum haben. Das neue Re­gelwerk wird Kredite ver­teu­ern.

Dieser Prozess sei längst im Gange, sagt Axmann. Bei der Kre­ditvergabe würden längst Basel-III-Effekte mit einkalkuliert. Ebenso dürften die Governance-Regeln bei der Kre­dit­­ver­gabe verschärft werden. "Die Banken wer­den wohl die Belei­hungsgrenze für Kre­dite wei­ter runterfahren und mehr Ei­gen­ka­pi­tal von Kreditnehmern einfor­dern sowie höhe­re Til­gungen", ist Finanzierungs­be­ra­ter Uhligs überzeugt. Ärgerlich findet Tolckmitt, dass sich die ver­schärf­te Re­gulierung auf Ban­ken konzentriert: "Wesentliche Teile des Kre­­­dit­marktes werden völ­lig ausgeblendet", kritisiert er. Dafür gebe es eigentlich keine Rechtfertigung. Nutznießer, da sind sich Bran­chen­­kenner einig, dürften alternative Kreditfinanzie­rer wie Debt Funds sein.

"Da rei­ben sich viele bereits die Hände, weil sie – anders als Banken – kaum reguliert werden und aufgrund dessen prinzipiell weder bei den Kreditstandards noch beim Kreditvolumen limitiert werden", gibt Axmann zu bedenken. Ob das kluge Steuerungsimpulse für die Risiken bei Immobilienfinanzie­run­gen sind, darf durchaus bezweifelt werden.   


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