Büroimmobilien: Das große Ringen um Mieter

Der Leerstand in deutschen Büro-Hochburgen wächst. Eigentümer und Makler versuchen deshalb, mit Incentives, flexiblen Vertragslaufzeiten und nachhaltigen Modernisierungen bestehende Nutzer zu halten – und neue zu gewinnen. 

Es sind keine erbaulichen Daten, die Researcher zuletzt zum deutschen Büromarkt zusammengetragen haben. Das Vermietungsgeschehen ist in den ersten neun Monaten des vergangenen Jahres (2023) signifikant eingebrochen. "Der Flächenumsatz in den ersten drei Quartalen 2023 notierte mit etwa 1,6 Millionen Quadratmetern deutlich unter dem Durchschnitt der vergangenen fünf Jahre von 2,3 Millionen Quadratmetern", erklärt Jan-Niklas Rotberg, Head of Office Agency Germany beim Immobiliendienstleister Savills.

Vom "schwächsten Ergebnis der vergangenen zehn Jahre" sogar spricht Stephan Bräuning, Head of Office Letting Deutschland bei der Beratungsgesellschaft Colliers. "Die anhaltend hohe wirtschaftliche Unsicherheit sowie Überlegungen zu Neuausrichtung der Büroflächennutzung, mobilen Arbeitsmodellen und bereits eingeführte Homeoffice-Quoten bremsen die Marktaktivität."

Top-Märkte: Das neue Eine-Million-Quadratmeter-Loch 

Bestandshalter ringen deshalb mit Macht darum, vorhandene Nutzer zu halten – oder neue zu gewinnen. "Die Leerstandsquote stieg im vierten Quartal um 40 Basispunkte und liegt in den Top 7 der deutschen Bürostandorte, in Berlin, Düsseldorf, Frankfurt am Main, Hamburg, Köln, München und Stuttgart, aktuell bei 6,1 Prozent", sagt Bräuning. "Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet dies einen Anstieg um 100 Basispunkte oder um fast eine Million Quadratmeter."

Die Unsicherheit über die weitere Konjunkturentwicklung lässt Unternehmen bei der Verlängerung bestehender Mietverträge oder der Anmietung neuer Flächen zunehmend vorsichtiger agieren. "Die Mietvertragsverhandlungen ziehen sich mittlerweile deutlich länger hin", berichtet Martina Averbeck, Geschäftsführerin der Hamburger Immobilienanlagegesellschaft HansaInvest Real Assets. "Risiken werden derzeit gescheut." Die Anmietung der Büroflächen, so Averbeck, "ist wieder Chefsache geworden für Unternehmen".

Bis auf Weiteres: Bedarf an Büroflächen sinkt 

Der Vermietungsstand bei den von HIH Real Estate betreuten Büroobjekten betrage aktuell rund 95 Prozent, sagt Carolin Brandt, stellvertretende Bereichsleiterin Asset Management beim Hamburger Immobilien-Investmentmanager. Einen höheren Leerstand will das Unternehmen unbedingt verhindern. Deshalb "hat es für uns oberste Priorität, die Bestandsmieter zu halten", betont Brandt. "Wir treten mit ihnen in den Dialog, um ihre Bedürfnisse zu erfragen, und gehen Mietvertragsverlängerungen frühzeitig und proaktiv an."

Der Bedarf an Büroflächen könnte in diesem und den kommenden Jahren weiter sinken. "Die meisten großen Unternehmen beschäftigen sich bereits mit neuen Arbeitsmodellen", berichtet Savills-Researcherin Antonia Wecke. "Zwar hat noch nicht jeder seine Antwort gefunden, umstrukturieren werden wahrscheinlich aber die meisten." Wohin dabei die Reise gehen wird, zeige die Entwicklung bei den Dax-Unternehmen. "Alle wenden hybride Arbeitsmodelle an", erklärt Wecke. "Wahrscheinlich werden deshalb in den kommenden Jahren viele Unternehmen, die derzeit noch auf volle Büropräsenz setzen, in das Hybridmodell wechseln."

Wenn immer mehr Unternehmen Mitarbeitende einen oder gar mehrere Tage pro Woche im Homeoffice arbeiten ließen, "würde dies die Flächennachfrage weiter verringern, denn dieser Wechsel geht in den meisten Fällen mit einer Flächenreduktion einher" sagt die Researcherin. "Die Bandbreite ist dabei groß und kann je nach Umständen zwischen zehn Prozent bis 60 Prozent Flächenabbau bedeuten."

Büroimmobilien: Neue Trends im Mietmarkt

Viele Eigentümer seien deshalb bestrebt, ihre Mieter im Objekt zu halten. "Das äußert sich unter anderem dadurch, dass die Zahl der Vertragsverlängerungen merklich zugenommen hat – und das häufig einhergehend mit guten Konditionen für den Nutzer", so Rotberg. Auch Peter Bigelmaier, Geschäftsführer Office Letting bei der Beratungsgesellschaft Colliers, registriert, dass Vermieter verstärkt Incentives anbieten. "Die klassischen Hebel wie mietfreie Zeiten, ein Ausbaukosten-Zuschuss oder gar ein Umbau durch den Vermieter sind häufig zu beobachten", berichtet Bigelmaier. "Noch relativ selten, aber in den vergangenen Monaten neu zu beobachten ist ein verwendungsfreier Zuschuss des Vermieters an seinen Mieter, der diese Zuwendung dann mit Standorttreue belohnen soll."

Bei der Gewährung von Incentives und Mietnachlässen gebe es jedoch deutliche Unterschiede zwischen einzelnen Quartieren – auch innerhalb der großen Bürostandorte. Beispielhaft zeige dies die gegenwärtige Situation in der Bundeshauptstadt, erklärt der Colliers-Geschäftsführer. "Während die Berliner City Ost nach wie vor auf eine rege Nachfrage unter Mietinteressenten trifft, sehen wir in der City West zurzeit reihenweise deutliche Reduktionen der Angebotsmieten im Bestand."

Hinzu kommt ein weiterer neuer Trend: Eine wachsende Zahl von Unternehmen sind daran interessiert, Mietverträge mit kürzerer Laufzeit oder der Möglichkeit auf eine vorgezogene Sonderkündigung abzuschließen. Sie wollen so Flexibilität gewinnen, um ihre Büroflächen künftig weiter reduzieren zu können, sollten sie die zeitweise Arbeit ihrer Beschäftigten im Homeoffice ausweiten. "Vor allem in Nordrhein-Westfalen sehen wir immer mehr Sonderkündigungsklauseln in neuen Mietverträgen – auch für mittelgroße Flächen ab 2.000 Quadratmetern", sagt Bigelmaier. Diese Forderung werde aber "längst noch nicht von jedem Vermieter akzeptiert".

Mietverträge: Mieter wollen vor allem Flexibilität

Insbesondere in Berlin gebe es einen Trend "zu etwas kürzeren Laufzeiten", so der Geschäftsführer. "Es werden dort von den Mietern auch vermehrt Auflösungsoptionen eingefordert." Zugleich würden viele Unternehmen jedoch weiterhin klassische Zehn-Jahres-Mietverträge abschließen. "Die Mietvertragsmodelle differenzieren sich deutschlandweit etwas mehr aus", erklärt Bigelmaier. "Es geht nicht nur in eine Richtung."

Vom Trend zu kürzeren Mietvertragslaufzeiten profitieren Full-Service-Anbieter wie Scaling Spaces, die Büroflächen für Tage, Wochen, Monate, aber auch mehrere Jahre an Start-ups und etablierte Unternehmen vermieten. Gerade hat der Berliner Anbieter mit sieben Standorten in der Bundeshauptstadt eine weitere Niederlassung in der Bankenmetropole Frankfurt eröffnet. "Langfristige Mietverträge sind zunehmend ein Auslaufmodell", sagt Martin Ballweg, Gründer und Geschäftsführer von Scaling Spaces. "Unternehmen benötigen heute Flexibilität." Firmen suchten zunehmend Mietverträge, die bei der Laufzeit und Flächengröße kurzfristig anpassbar seien. "Denn viele Unternehmen können aktuell nicht verlässlich planen, wie hoch ihr Flächenbedarf für ihre Mitarbeitenden langfristig sein wird", betont Ballweg.

Andererseits schreiben manche Mieter von Büroflächen in gefragten Lagen bestehende Mietverträge bereits vor Ablauf fort, um sich den Standort zu sichern. So hat das Direktmarketing-Unternehmen Teleffekt im Spätsommer seinen Mietvertrag über 1.567 Quadratmeter Bürofläche im Düsseldorfer Bürokomplex Global Gate III vorzeitig um fünf Jahre verlängert. Dies zeige, "dass Top-Büroimmobilien in guten bis sehr guten Lagen mit flexiblen Flächen nach wie vor gefragt sind und ihre Mieter halten können", sagt Sven Lintl, Leiter Asset Management Deutschland beim Volksbanken-Fondsanbieter Union Investment Real Estate, der die Immobilie 2017 für seinen in Österreich vertriebenen offenen Immobilie-fonds immofonds 1 erworben hat.

Langfristige Mietverträge sind (noch) nicht aus der Mode

Matthias Goßmann, Head of Leasing Germany beim Luxemburger Immobilieninvestor HB Reavis, beobachtet wiederum, dass viele Unternehmen weiterhin bereit sind, langfristige Mietverträge abzuschließen, wenn Vermieter deren "berechtigten Wünschen nach Flexibilität auf andere Weise als durch bloße Kürze der Vertragslaufzeit entsprechen". Beispiele dafür seien Verträge, in denen "beispielsweise 20 Prozent der Flächen von vornherein vertraglich als Hinzumiet- und Rückmietoption verankert werden, um künftig sowohl Wachstum als auch Schrumpfung zu ermöglichen", so Goßmann.

Reinhold Knodel, Vorstandschef des Kölner Projektentwicklers Pandion, registriert bislang "keine Abkehr von langfristigen Verträgen" bei Anmietungen in neu errichteten Bürogebäuden. "Kompromisse bezüglich Laufzeit und Mietkosten beobachten wir ausschließlich im Bestand." Jedoch gebe es "bei vielen Unternehmen eine gewisse Unsicherheit bezüglich ihres tatsächlichen Flächenbedarfs aufgrund der zeitweisen Arbeit im Homeoffice", sagt Knodel. "Dies resultiert bei Mietvertragsverhandlungen in einer erhöhten Nachfrage nach Abmietoptionen von Teilflächen."

Unternehmen kennen eigenen Flächenbedarf nicht

Digitale Technik kann Mietern und Vermietern helfen, den tatsächlichen Flächenbedarf zu ermitteln. "Ein Beispiel dafür ist die Nutzung von Meeting-Räumen", erklärt HB-Reavis-Manager Goßmann. "Sensoren können die Belegung messen und anonymisierte Daten liefern, um potenzielle Flächeneinsparoptionen aufzuzeigen." Nach zwei bis drei Jahren könnten sich Eigentümer und Nutzer über die Daten austauschen. Aus den Daten lasse sich nicht nur ableiten, ob ein Unternehmen zusätzliche oder weniger Büroflächen benötige. "Auch eine etwaige Neukonfiguration der einzelnen Arbeits- und Besprechungszonen kann dann erörtert werden", sagt Goßmann.

Um Mieter zu binden, würden Vermieter zudem immer häufiger Zusatzleistungen anbieten, die den Büroarbeitsplatz deutlich attraktiver machen als das Homeoffice. "Das Angebot reicht vom Wine Tasting für die Mieter bis zur Massage im Büro – alles oft gestützt durch eine gebäudeeigene App zur bequemen Buchung der Angebote", sagt Goßmann. Dahinter stehe der Gedanke: "Die Anwesenheit im Büro darf den Menschen Spaß machen, und sie darf ihre Gesundheit fördern", erklärt Goßmann.

Trotz der unsicheren Wirtschaftslage würden immer mehr Unternehmen nachhaltige Büroflächen bevorzugen, berichtet Asset Managerin Brandt. "Das Thema Nachhaltigkeit spielt eine immer zentralere Rolle bei den Mieterwünschen." Viele Marktteilnehmer seien auch bereit, die entsprechend höheren Mieten zu zahlen, sagt die Managerin der HIH Real Estate. Allerdings würden viele dieser Nutzer "im Gegenzug das Volumen der angemieteten Flächen reduzieren, damit ihre finanzielle Gesamtbelastung nicht steigt".

Green Leases: Nachhaltigkeit hat hohe Priorität bei Mietern

Grüne Büroflächen böten Mietern eine Reihe von Vorteilen, betont der Ökonom Günter Vornholz, Leiter der Gesellschaft für Immobilienresearch in Lüdinghausen. "Ihre Betriebskosten sind geringer, weil diese Gebäude weniger Energie verbrauchen." Zudem biete die Anmietung nachhaltiger Büroflächen Unternehmen einen Imagegewinn. "Der Bedarf an grünen Büroflächen wird in den kommenden Jahren weiter steigen, da die EU mit der Corporate Sustainability Reporting Directive immer mehr Unternehmen verpflichtet, Nachhaltigkeitsberichte zu erstellen", so Vornholz. "Viele Gesellschaften werden deshalb grüne Flächen anmieten, um damit zumindest einen Teil nachhaltigen Agierens darlegen zu können."

Dass eine Reihe von Unternehmen durchaus bereit ist, höhere Mieten für grüne Flächen zu zahlen, zeigt auch eine nicht repräsentative Umfrage von HansaInvest in deren LinkedIn-Netzwerk. "Nur 32 Prozent der Teilnehmer gaben an, dass ihnen Nachhaltigkeit keinen höheren Mietpreis wert sei", berichtet Geschäftsführerin Averbeck. "29 Prozent äußerten, sie seien bereit, eine um ein bis drei Prozent erhöhte Miete zu zahlen, weitere 24 Prozent fanden Mietaufschläge von vier bis sechs Prozent gerechtfertigt." 14 Prozent hätten sich sogar bereit erklärt, mehr als sechs Prozent höhere Mieten zu zahlen. Vom wachsenden Bedarf an grünen Flächen könnten Projektentwickler in den kommenden Jahren profitieren, sagt Pandion- Vorstandschef Knodel. Denn es sei einfacher, Neubauten von vornherein nachhaltig zu realisieren, als Bestandsobjekte aufwendig zu modernisieren.

"Aufgrund der steigenden Nachfrage und der geringen Realisierung von Projekten wird sich das Angebot an modernen, hochwertigen und nachhaltigen Büroflächen in zentralen und urbanen A-Lagen in nächster Zeit weiter verknappen", so Knodel. Allerdings machen sich auch Bestandshalter zunehmend daran, ihre Objekte – oftmals in Absprache mit den Nutzern – zu modernisieren, um diese zu halten.

"Bestandsmieter legen oft großen Wert darauf, sich nachhaltige Büroflächen in guten Lagen möglichst bereits vor Ablauf des aktuellen Mietvertrages frühzeitig zu sichern", sagt Thomas Böcher, Geschäftsführer des Hamburger Investment und Asset Managers Paribus Holding. "Bei Vertragsverlängerungen prüfen wir deswegen stets, welche Modernisierungen wir den Mietern vorschlagen können, um neue Nachhaltigkeitsaspekte umzusetzen."


Dieser Beitrag stammt aus der aktuellen  Ausgabe 01/2024 des Fachmagazins "Immobilienwirtschaft". Lesen Sie das gesamte Heft auch in der  Immobilienwirtschaft-App.


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