Stets bemüht, aber ... – Ampel verfehlt Klimaziele für Gebäude

News 23.08.2023 Klimaschutz-Expertenrat

Um Deutschland bis 2045 klimaneutral zu machen, hat sich die Bundesregierung 130 einzelne Vorhaben ausgedacht – aber es reicht nicht, attestiert der eigene Expertenrat für Klimafragen der Ampel. Auch der Gebäudebereich kommt auf keinen grünen Zweig.

Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) sieht deutliche Fortschritte bei der Klimaschutzpolitik der Ampel-Koalition. "Die Klimaschutzlücke, die die Vorgängerregierung hinterlassen hat, wird um bis zu etwa 80 Prozent geschlossen", kommentierte der Politiker die am 22. August präsentierte Stellungnahme des Expertenrats für Klimafragen. Es sei aber noch viel zu tun, betonte Habeck, der auch Klimaschutzminister ist.

Expertenrat: Zu viel Optimismus beim Klimaschutz

Der Expertenrat, dem fünf Männer und Frauen aus Wirtschafts- und Naturwissenschaften angehören, stellte klar: Selbst wenn das Klimaschutzprogramm komplett umgesetzt würde, dürften die Treibhausgase wohl weniger stark reduziert werden als vorausgesagt. Laut Klimaschutzgesetz müsste der Ausstoß bis 2030 um mindestens 65 Prozent im Vergleich zum Referenzjahr 1990 sinken.

Die Bundesregierung geht von einer verbleibenden Lücke zwischen 2021 und 2030 von rund 200 Megatonnen CO2-Äquivalenten aus. Diese Prognose zweifelt der Expertenrat an. Zudem bleibe unklar, wie die Regierung die Lücke schließen wolle. Dennoch sei insgesamt ein "nennenswerter Beitrag" für den Klimaschutz zu erwarten, erkannte der Vorsitzende des unabhängigen fünfköpfigen Gremiums, Hans-Martin Henning, an.

Henning bemängelte auch eine "inkonsistente Datenlage". Damit lasse sich keine zuverlässige Vorhersage zur Gesamtwirkung des Klimaschutzprogramms machen. Das entspreche auch nicht den gesetzlichen Vorgaben.

Stellungnahme zum Entwurf des Klimaschutzprogramms 2023

Sorgenkind Gebäude: Heizungsgesetz in der Kritik

Im Gebäudebereich bescheinigen die Experten der Bundesregierung zu wenig Ehrgeiz. Für den Sektor bleibt demnach eine Lücke bis 2030 von 35 Megatonnen CO2-Äquivalenten. Auch hier kritisiert der Rat die Datengrundlage. "Wir vermuten, dass die angenommene Treibhausgasminderung im Gebäudesektor geringer ausfallen dürfte als im Gutachten errechnet", erklärte Henning. Dafür verantwortlich seien vor allem die Änderungen am Gebäudeenergiegesetz (GEG), das nun längere Fristen für den Umstieg auf klimafreundlichere Heizungen vorsieht. Das sogenannte Heizungsgesetz soll am 8. September im Bundestag beschlossen werden.

In die Kritik geraten ist zuletzt auch die vom Bundeskabinett beschlossene Reform des Klimaschutzgesetzes. Die Einhaltung der Klimaziele soll künftig nicht mehr rückwirkend nach verschiedenen Sektoren kontrolliert werden, sondern in die Zukunft gerichtet, mehrjährig und sektorübergreifend. Die Bundesregierung als Ganzes soll dann entscheiden, in welchem Sektor und mit welchen Maßnahmen die zulässige CO2-Gesamtmenge bis 2030 erreicht werden soll – allerdings erst, wenn es zwei Jahre in Folge zu einer Zielverfehlung kommt.

Der Expertenrat warnte: Dann müsse aber auch ein gemeinsamer Kurs sichergestellt werden. Eine Möglichkeit böte der deutsche Emissionshandel. Dabei müssen teilnehmende Unternehmen Rechte zum CO2-Ausstoß vorweisen, sogenannte Zertifikate. Deren Preise sind festgelegt und steigen derzeit jedes Jahr, für 2026 gibt es einen Korridor. Diese Entwicklung macht etwa die Nutzung fossiler Brennstoffe zum Heizen auch für Privatleute teurer und soll den Umstieg auf klimafreundlichere Alternativen befördern.

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Klimaökonom plädiert für CO2-Handel statt Heizungsgesetz

Arbeitsgrundlage des Klimarats war der jüngste Projektionsbericht des Umweltbundesamtes (UBA), der im August 2023 abgeschlossen worden ist – darin wurden die Klimaschutzmaßnahmen untersucht.

UBA-Präsident: "Beschränkung für fossile Heizungen dringend nötig"

Obwohl die Lücke zum Klimaziel 2030 im Vergleich zur Voraussage von 2021 um 70 Prozent reduziert werden konnte, bleibt sie bei etwa 331 Millionen Tonnen Treibhausgasemissionen, geht aus dem UBA-Bericht hervor. Mit den geplanten Maßnahmen der Bundesregierung würde das Net-Zero-Ziel bis 2045 nicht erreicht – auch der Gebäudebereich wird dem Amt zufolge die Ziele verfehlen.

"Der Projektionsbericht zeigt deutlich, dass zusätzliche Maßnahmen nötig sind", sagte UBA-Präsident Dirk Messner. Studien zeigten, dass etwa die Beschränkung fossiler Heizungen dringend nötig wäre.

Der Projektionsbericht wurde durch ein unabhängiges Forschungskonsortium erstellt, das die Auswirkungen der aktuellen Klimaschutzpolitik auf die Treibhausgasemissionen abschätzt. Das Umweltbundesamt betonte, dass diese Projektionen nicht als Prognose für 2024 missverstanden werden sollten.

Projektionsbericht 2023 für Deutschland

Projektionsberichte: Daten der CO2-Emissionen

Die Umsetzung der Novelle wird in den Projektionsberichten abgebildet, die das UBA in Abstimmung mit den zuständigen Ressorts aller Sektoren auf Bundesebene koordiniert. Nach § 5 KSG werden am 15. März jeden Jahres die Daten der Treibhausgasemissionen des Vorjahres nach festgelegten Sektoren festgelegt. Die sind die Grundlage für die im Gesetz festgesetzten Aufgaben des Expertenrats für Klimafragen, der nun bis zum 15. April Zeit hat, die Daten zu prüfen. Danach haben die zuständigen Ministerien drei Monate Zeit, um ein Sofortprogramm zum Erreichen der Klimaziele vorzulegen.

Rahmendaten für den Projektionsbericht 2023

Am 15.3.2023 stellte das Umweltbundesamt den jüngsten Emissionsbericht vor. Der weist für den Sektor Gebäude im Jahr 2022 zwar Verbesserungen aus – der CO2-Ausstoß wurde um knapp sechs Millionen Tonnen (5,3 Prozent) gesenkt –, die zulässige Jahresemissionsmenge wurde jedoch gegenüber dem Jahr 2021 um 4,6 Millionen Tonnen CO2-Äquivalente überschritten.

Klimaschutzberichte: Der Hintergrund

Mit der Novelle des Bundesklimaschutzgesetzes (KSG) im Jahr 2021 wurden die Klimaziele erhöht. 2030 soll der Ausstoß von Treibhausgasen um mindestens 65 Prozent und bis 2040 mindestens 88 Prozent gegenüber 1990 sinken. Bis 2045 soll Deutschland treibhausgasneutral werden. Deutschland hat nicht nur eigene Klimaschutzziele, sondern auch entsprechende Verpflichtungen nach EU-Recht.

Zu den berücksichtigten Maßnahmen zählen das "Klimaschutzprogramm 2030", das vom Bundeskabinett im Oktober 2019 beschlossen worden ist. Dazu gehören auch die CO2-Bepreisung und das sogenannte "Fit For 55"-Gesetzespaket zur Umsetzung des EU-Klimaziels. So soll der Ausstoß deutscher Treibhausgase bis 2030 um die Hälfte sinken im Vergleich zu 2005. Im Mai 2021 wurde ein "Sofortprogramm 2022" beschlossen, das zusätzliche Maßnahmen enthielt, für die erhebliche zusätzliche Mittel für die Förderung energieeffizienter Gebäude in Aussicht gestellt wurden.

In den Klimaschutzberichten nach § 10 Absatz 1 KSG berichtet die Bundesregierung dem Bundestag über den jeweils aktuellen Stand der Klimapolitik, die Entwicklung der CO2-Emissionen, den Stand der Umsetzung der Klimaschutzprogramme und der Minderungswirkung. Dieses Monitoring findet jährlich statt. Die Zahlen dienen zur Bewertung der in dem Gesetz verbindlich festgelegten Ziele zur CO2-Reduktion der einzelnen Sektoren. Bei Zielverfehlungen sollen die zuständigen Bundesressorts innerhalb von drei Monaten Sofortmaßnahmen vorlegen. Der Klimaschutzbericht 2021 war der erste Bericht nach KSG-Vorgaben.

Klimaschutzbericht 2021

Klimaschutzbericht 2022

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dpa