Rz. 12

Der nach § 253 Abs. 1 BewG ermittelte jährliche Reinertrag des Grundstücks (Rz. 10) ist nachfolgend gem. § 253 Abs. 2 S. 1 BewG ohne Aufspaltung in einen Boden- und Gebäudeertragsanteil bzw. ohne Abzug einer Bodenwertverzinsung (§ 252 BewG Rz. 26, 27) zur Ermittlung des kapitalisierten Reinertrags des Grundstücks bzw. des Barwerts (Gegenwartswerts) des Reinertrags des Grundstücks mit dem sich aus der Anlage 37 zum BewG ergebenden Vervielfältiger zu kapitalisieren (s. Workflow in Rz. 9).

Die Vervielfältiger in der Anlage 37 zum BewG wurden im Rahmen des Grundsteuer-Reformgesetzes aus der Anlage 1 zu § 20 ImmoWertV 2010 (Barwertfaktor für die Kapitalisierung) übernommen. Dieser Kapitalisierungsfaktor wurde zwischenzeitlich unverändert in § 34 Abs. 2 ImmoWertV vom 14.7.2021[1] übernommen.[2] Finanzmathematisch handelt es sich hierbei um einen Zeitrentenbarwertfaktor einer jährlich nachschüssig zahlbaren Rente, wobei als Rente die jährlich anfallenden Reinerträge des Grundstücks über die Restnutzungsdauer des Gebäudes anzusehen sind (§ 252 BewG Rz. 22).

Maßgeblich für den Vervielfältiger sind gem. § 253 Abs. 2 S. 2 BewG der grundstücksartbezogene Liegenschaftszinssatz nach § 256 BewG (Rz. 14) und die Restnutzungsdauer des Gebäudes gem. § 253 Abs. 2 S. 3 bis 6 BewG (Rz. 16ff.). Die Vervielfältiger ergeben sich unmittelbar aus der Anlage 37 zum BewG. Gleichwohl wird in der Anlage 37 zum BewG zusätzlich als Berechnungsvorschrift für den Vervielfältiger die Formel für den Kapitalisierungsfaktor (KF) bzw. Barwertfaktor für die Kapitalisierung angegeben (§ 252 BewG Rz. 21, 22).

 

Rz. 13

einstweilen frei

[2] S. auch Anhang 6 zur ImmoWertA(Entwurf – Stand 22.12.2021), abgerufen von der Internetseite des BMI am 29.5.2022.

4.1.1 Liegenschaftszinssätze (Abs. 2 S. 2 und § 256 BewG)

 

Rz. 14

Liegenschaftszinssätze sind gem. § 256 Abs. 1 S. 1 BewG die Zinssätze, mit denen der Wert von Grundstücken abhängig von der Grundstücksart durchschnittlich und marktüblich verzinst wird.[1]

Nach § 193 Abs. 5 S. 2 Nr. 1 BauGB i. V. m. § 21 Abs. 2 S. 2 ImmoWertV werden Liegenschaftszinssätze grundsätzlich von den Gutachterausschüssen (§§ 192ff. BauGB) nach den Grundsätzen des Ertragswertverfahrens (§§ 2734 der ImmoWertV) auf der Grundlage von geeigneten – am Markt erzielten – Kaufpreisen (Kaufpreissammlung gem. § 195 BauGB) und den ihnen entsprechenden Reinerträgen ermittelt. Mit den Liegenschaftszinssätzen werden somit die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich der Entwicklung der allgemeinen Ertrags- und Wertverhältnisse auf dem Grundstücksmarkt erfasst (§ 252 BewG Rz. 12). Die Liegenschaftszinssätze dienen daher der Berücksichtigung der allgemeinen Wertverhältnisse auf dem jeweiligen Grundstücksmarkt (Marktanpassung).[2]

Im typisierten Ertragswertverfahren nach den §§ 252257 BewG werden die von den örtlichen Gutachterausschüssen für Grundstückswerte ermittelten und veröffentlichten Liegenschaftszinssätze aus Vereinfachungs- und Automationsgründen nicht unmittelbar herangezogen, sondern es werden grundstücksartbezogene marktübliche Liegenschaftszinssätze gesetzlich vorgegeben (§ 256 BewG).[3]

 

Rz. 15

einstweilen frei

[1] S. auch die weitgehend inhaltsgleiche Definition zu den Liegenschaftszinssätzen in § 21 Abs. 2 S. 1 ImmoWertV.
[3] S. Begründung zum Entwurf eines Grundsteuer-Reformgesetzes, zu § 256 Abs. 1 BewG, BT-Drs. 19/11085 v. 25.6.2019, 115.

4.1.2 Restnutzungsdauer (Abs. 2 S. 2 – 6)

 

Rz. 16

Die Restnutzungsdauer wird im BewG nicht explizit definiert. In § 253 Abs. 2 S. 3 – 6 BewG wird lediglich die Ermittlung der Restnutzungsdauer für den Regelfall und für Sonderfälle (Verlängerung der Restnutzungsdauer nach einer Kernsanierung, Mindest-Restnutzungsdauer sowie Begrenzung der Restnutzungsdauer bei einer Abbruchverpflichtung) geregelt (Rz. 17ff.).

Nach § 4 Abs. 3 S. 1 ImmoWertV bezeichnet die Restnutzungsdauer die Anzahl der Jahre, in denen eine bauliche Anlage bei ordnungsgemäßer Bewirtschaftung voraussichtlich wirtschaftlich noch genutzt werden kann.

Wirtschaftliche Gesichtspunkte werden bei der Bestimmung der Restnutzungsdauer im typisierten Ertragswertverfahren nach den §§ 252ff. BewG nur in beschränktem Umfang berücksichtigt. Der Bundesrat hielt die Berücksichtigung solcher "das Gebäudealter" (zutreffend die Restnutzungsdauer des Gebäudes) verlängernder oder verkürzender Umstände, wie eine Kernsanierung oder eine Abbruchverpflichtung, für einen nicht zu rechtfertigenden bürokratischen und administrativen Aufwand. Betroffene Eigentümer müssten in den Feststellungserklärungen entsprechende Zusatzangaben machen, z. B. zum Umfang erfolgter Sanierungen, um zu beurteilen, ob hierdurch eine Verlängerung der wirtschaftlichen Gesamtnutzungsdauer eingetreten ist. Auch in Anbetracht der vermutlich sehr geringen Anzahl von Fällen, in denen diese Berücksichtigung steuerrelevant wäre, sei eine sol...

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