2.1.6.1 Persönlicher Strafaufhebungsgrund

 

Rz. 24

Der Staat verzichtet – auch nach der sprachlichen Neuregelung des § 371 Abs. 1 AO – nachträglich auf den durch die rechtswidrige und schuldhafte Verwirklichung des Straftatbestands des § 370 AO entstandenen staatlichen Strafanspruch, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 371 Abs. 13 AO erfüllt werden.[1] Es entfällt in diesem Fall nur die Strafbarkeit, sodass die Rechtswidrigkeit[2] und die Vorwerfbarkeit, d. h. die Schuld des Tatbeteiligten[3] der begangenen Steuerhinterziehung unberührt bleiben. § 371 AO regelt also einen Strafaufhebungsgrund.

 

Rz. 25

Die den staatlichen Strafanspruch aufhebende Wirkung der Selbstanzeige tritt nur für denjenigen an der Tathandlung nach § 370 Abs. 1 AO Beteiligten ein, der die Selbstanzeige selbst erstattet hat oder für den die Selbstanzeige erstattet wurde (zur Abgabe der Selbstanzeige durch Vertreter Rz. 53ff.), also nur für diesen "persönlich".

 

Rz. 26

Der Strafverzicht nach § 371 Abs. 13 AO tritt nur ein, wenn sämtliche Voraussetzungen erfüllt sind. Bei einer fehlgeschlagenen Selbstanzeige bleibt die Strafbarkeit erhalten (vgl. Rz. 384ff. zum Strafmaß bei fehlgeschlagenen Selbstanzeigen). Soweit allerdings die strafaufhebende Wirkung der Selbstanzeige

kann unter den Voraussetzungen des § 398a AO ein Strafverfolgungsverbot eingreifen.

 

Rz. 27

Die Strafbarkeit der fehlgeschlagenen Selbstanzeige wird auch nicht dadurch aufgehoben, dass die Finanzbehörde oder die Staatsanwaltschaft rechtsfehlerhaft von einer wirksamen Selbstanzeige ausgeht.[4] Die fehlgeschlagene Selbstanzeige kann allerdings zu einer Milderung bei der Strafzumessung[5] bis hin zur Einstellung des Verfahrens führen.

[1] Rz. 24ff.; vgl. z. B. BGH v. 20.5.2010, 1 StR 577/09, BFH/NV 2010, 1595 Rz. 5; BGH v. 24.10.1984, 3 StR 315/84, wistra 1985, 74; BFH v. 16.12.1997, VII B 45/97, BStBl II 1998, 231; BayObLG v. 3.11.1989, RReg 4 St 185/89, wistra 1990, 159, 162; Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 371 Rz. 7; Joecks, in Joecks/Jäger/Randt, Steuerstrafrecht, 8. Aufl. 2015, § 371 AO Rz. 39; Schauf, in Kohlmann, Steuerstrafrecht, 59. Lfg. 11/17, § 371 AO Rz. 53 m. w. N.; Henneberg, BB 1973, 1301.
[5] Webel/Dumke, in Schwarz/Pahlke, AO/FGO, § 370 AO Rz. 219, Klein/Jäger, AO, 15. Aufl. 2020, § 371 Rz. 11; umfassende Darstellung bei Webel, PStR 2014, 70ff.

2.1.6.2 Nichtahndung der Steuerhinterziehung

 

Rz. 28

Nach § 371 Abs. 1 AO kommt einer Selbstanzeige strafbefreiende Wirkung nur hinsichtlich der Ahndung einer Steuerhinterziehung nach § 370 AO zu. Die Tat muss verübt sein und rechtlich als Steuerhinterziehung nach § 370 AO geahndet werden können.

Für die Straffreiheit nach § 371 AO ist nach dem eindeutigen Gesetzeswortlaut unerheblich die Form der Tatbeteiligung an der Steuerhinterziehung und das Stadium der Tat.[1] Nach der bis zum 31.12.2014 geltenden Fassung des § 371 AO war es auch ohne Bedeutung, ob ein besonders schwerer Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 5 AO vorlag.[2] Dies hat sich jedoch durch die Einführung des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 4 AO zum 1.1.2015 (vgl. Rz. 2) dahingehend geändert, dass aufgrund dieser Vorschrift im Fall eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 2 bis 5 AO die Straffreiheit ausgeschlossen ist. Für besonders schwere Fälle der Steuerhinterziehung i. S. d. § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO gilt Entsprechendes aufgrund des Ausschlussgrundes des § 371 Abs. 2 S. 1 Nr. 3 AO. Folglich kann sich nur noch für die unbenannten besonders schweren Fälle der Steuerhinterziehung[3] aus § 371 AO die Straffreiheit ergeben.

 

Rz. 29

Sofern die Hinterziehung von KiSt in den Ländern einen Fall der Steuerhinterziehung darstellt[4], ist auch § 371 AO anwendbar.

 

Rz. 30

§ 371 AO ist darüber hinaus aufgrund ausdrücklicher Gesetzesverweisungen auch in zahlreichen weiteren Fällen anwendbar, von denen hier nur einige beispielhaft genannt werden sollen.[5]

Bei der Hinterziehung von Abwasserabgaben[6] und von Abgaben zu Marktordnungszwecken[7], beim (versuchten) Erschleichen verschiedener Prämien und Zulagen wie Arbeitnehmersparzulage[8] und Wohnungsbauprämie.[9] Darüber hinaus verweisen auch die Kommunalabgabengesetze der Länder im Kommunalabgabenrecht weitgehend einheitlich auf die Selbstanzeigeregelung der Abgabenordnung. Auf die Eigenheim- und die InvZul ist § 371 AO hingegen nicht anwendbar.[10]

Der frühere Verweis auf § 371 AO in § 5a Abs. 2 S. 1 BergPG im Hinblick auf das Erschleichen von Bergmannsprämie wurde mit Wirkung zum 1.12.201...

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