2.2.1 Unanfechtbarkeit des geänderten Verwaltungsakts

 

Rz. 9

Die Einschränkung des § 351 Abs. 1 AO greift nur ein, wenn der Erstbescheid[1] formell bestandskräftig ist, d. h. nicht mehr mit einem zulässigen Einspruch angegriffen werden kann[2], und demgemäß eine erneute Sachentscheidung über den Regelungsinhalt des Erstbescheids ausgeschlossen ist. Hierbei ist es unerheblich, ob der Regelungsinhalt des bestandskräftigen Erstbescheids materiell fehlerhaft ist oder nicht.[3]

 

Rz. 9a

Der Erstbescheid kann bei mehrfacher Änderung selbst ein Änderungsbescheid sein. Unerheblich ist auch, ob die frühere Änderung zugunsten oder zuungunsten erfolgt ist.[4] Für den Umfang des Änderungsrahmens ist auf den letzten unanfechtbaren Verwaltungsakt abzustellen.[5]

 

Rz. 9b

Die Unanfechtbarkeit kann sich durch den Ablauf der Einspruchsfrist nach § 355 AO, durch Einspruchsverzicht nach § 354 AO, durch Rücknahme des Einspruchs nach Ablauf der Einspruchsfrist oder eine abschließende Einspruchsentscheidung nach den §§ 366, 367 AO bzw. durch den Ablauf der Klagefrist[6], durch Zurücknahme der Klage[7] oder abschließende gerichtliche Entscheidung ergeben.[8] Unter diesem Gesichtspunkt ist also zu prüfen[9], ob gegen den Erstbescheid wirksam Einspruch eingelegt worden ist.[10] Bei einem zulässigen Einspruch und einer zulässigen Klage tritt der Änderungsbescheid gem. § 365 Abs. 3 AO bzw. § 68 FGO in das Verfahren ein.[11] § 351 Abs. 1 AO findet keine Anwendung.

 

Rz. 10

Ist die Änderung dagegen erfolgt, bevor der Erstbescheid bestandskräftig geworden ist, so kann der Änderungsbescheid in vollem Umfang angefochten werden.[12] Maßgeblich für die Einschränkung des § 351 Abs. 1 AO ist allein, dass die Bekanntgabe des Änderungsbescheids nach § 124 Abs. 1 AO vor Eintritt der Bestandskraft des Erstbescheids erfolgt ist. Unerheblich ist, dass im Zeitpunkt der Einspruchseinlegung nach § 357 AO gegen den Änderungsbescheid der Erstbescheid unanfechtbar geworden ist.[13] Faktisch verlängert sich durch die Änderung des Erstbescheids vor Eintritt der Bestandskraft für den Stpfl. die Einspruchsfrist um die für den Änderungsbescheid geltende Einspruchsfrist nach § 355 AO. Bei der Anfechtung des Änderungsbescheids können damit sämtliche Einwendungen auch gegen den noch nicht bestandskräftigen Erstbescheid geltend gemacht werden.[14]

2.2.2 Änderung des Verwaltungsakts

2.2.2.1 Begriffsbestimmung

 

Rz. 11

Die Einschränkung des § 351 Abs. 1 AO greift ferner nur dann ein, wenn ein ändernder Verwaltungsakt angefochten wird. Die Bestimmung des Begriffs "Änderung" i. S. d. Vorschrift wird dadurch erschwert, dass das Gesetz und die Verwaltungspraxis hinsichtlich der Terminologie für die Korrektur von Verwaltungsakten nicht konsequent verfahren. So werden die Begriffe "Aufhebung", "Änderung", "Berichtigung", "Rücknahme", "Widerruf" oder "Ersetzung" teilweise ohne exakte Systematisierung nebeneinander verwendet, obgleich sie sich in ihrer rechtlichen Wirkung unterscheiden. Demgemäß ist in der Rspr. auch der Anwendungsbereich des § 351 Abs. 1 AO umstritten.

 

Rz. 12

Für die Inhaltsbestimmung der "Änderung" i. S. v. § 351 Abs. 1 AO ist im Hinblick auf den uneinheitlichen Sprachgebrauch die Bezeichnung in der jeweiligen Korrekturbestimmung oder in dem Änderungsbescheid kein geeignetes Abgrenzungskriterium. Es ist vielmehr auf den Sinn und Zweck der Vorschrift abzustellen, wonach der bestandskräftige Regelungsinhalt des Erstbescheids nicht mehr in den Streit über den Änderungsbescheid einbezogen werden soll.[1] Entscheidendes Kriterium ist demgemäß allein die Fortdauer der bestandskräftigen Regelung, die durch die "Änderung" eine inhaltliche Umgestaltung erfährt.[2] Hierbei ist der rechtstheoretische Streit, ob der Erstbescheid wirksam bleibt und insoweit im Änderungsbescheid irrelevant wiederholt wird[3], oder ob der Regelungsinhalt des Erstbescheids in den Änderungsbescheid aufgenommen und insoweit dessen rechtliche Wirksamkeit suspendiert wird[4], für § 351 Abs. 1 AO ohne Bedeutung, denn in jedem Fall bleibt der Regelungsinhalt des Erstbescheids existent.

Eine Änderung i. S. v. § 351 Abs. 1 AO liegt da...

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