1. Entstehungsgeschichte

 

Rn. 100

Stand: EL 164 – ET: 04/2023

Die mit dem REStG 1920 eingeführte Tarifermäßigung umfasste bereits damals "Einnahmen, welche die Entlohnung für eine sich über mehrere Jahre erstreckende Tätigkeit darstellen".

Im Laufe der Jahre wurde der Wortlaut an die jetzige Fassung angepasst; das StRefG 1990, s Rn 18, ersetzte zB die "Entlohnung" durch "Vergütung". Zu den Auswirkungen s Rn 103 und 112.

Im JStG 2007 v 13.12.2006 (BStBl I 2007, 28) wurde der Begriff der mehrjährigen Tätigkeit in § 34 Abs 2 Nr 4 EStG definiert. Mehrjährig ist eine Tätigkeit, soweit sie sich über mindestens zwei VZ erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst, s Rn 102.

Mehrfach geändert hat sich dagegen die Art der Tarifermäßigung:

  • Das REStG 1920 sah eine gleichmäßige Verteilung auf die vollen Jahre der Tätigkeit, maximal auf 5 Jahre bei einem Mindeststeuersatz von 10 % vor.
  • Im Anwendungsbereich des REStG 1925 war die Tarifermäßigung für außerordentliche Einkünfte entsprechend der Höhe des Einkommens pauschaliert zu berechnen.
  • Dabei waren die Steuersätze abhängig vom Gesamteinkommen (zB 10–15 % bei einem Gesamteinkommen von bis zu 30 000 Reichsmark) und vom Ermessen der FinVerw (zB bei der Festlegung des Steuersatzes von 10–15 %).
  • Nach dem KontrollratsG Nr 12 v 11.12.1946 waren die Einkünfte für mehrjährige Tätigkeit periodengerecht auf den Tätigkeitszeitraum, höchstens auf 3 Jahre, zu verteilen.
  • Das StRefG 1990 führte die sog Drittelregelung ein, s Rn 18, dh eine rein tarifliche Verteilung auf 3 Jahre. Diese Regelung ist der "Vorläufer" der jetzigen Fünftelregelung des § 34 Abs 1 EStG.
  • Ab VZ 1999 wurde durch das StEntlG 1999/2000/2002, s Rn 20, die jetzt noch gültige Fünftelregelung eingeführt. Die Vergütungen für mehrjährige Tätigkeiten wurden als Nr 4 in den Katalog der außerordentlichen Einkünfte des § 34 Abs 2 EStG aufgenommen.

Zur Rechtsentwicklung im Einzelnen vgl BFH v 25.02.2014, BStBl II 2014, 668.

2. Tatbestandsmerkmale

a) Vergütungen

 

Rn. 101

Stand: EL 164 – ET: 04/2023

Vergütungen sind Geldleistungen wie zB nachzuzahlende Arbeitslöhne, auf die der ArbN einen Rechtsanspruch hat (vgl BFH v 14.10.2004, BStBl II 2005, 289 mwN), oder vom ArbG freiwillig erbrachte Leistungen, vgl BFH v 30.07.1971, BStBl II 1971, 802.

Auch geldwerte Vorteile, die der ArbG unbewusst und ungewollt zuwendet, sind begünstigungsfähig, wenn dem ArbN nach objektiven Maßstäben ein Vorteil entsteht, der aus den Gesamtumständen des Einzelfalls nur im Hinblick auf eine mehrjährige Tätigkeit verständlich ist (vgl BFH v 10.06.1983, BStBl II 1983, 642: verbilligte Grundstücksüberlassung; zust Söffing, FR 1983, 539; Horn in H/H/R, § 34 EStG Rz 61, August 2019).

"Vergütung" iSd § 34 Abs 2 Nr 4 EStG kann jeder Vorteil von wirtschaftlichem Wert sein, den der StPfl iRd jeweiligen Einkunftsart erzielt. Die gebotene Einschränkung des weiten Tatbestands des § 34 Abs 2 Nr 4 EStG wird dadurch bewirkt, dass die begünstigten Einkünfte "außerordentliche" sein müssen, wozu auch gehört, dass die Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten eine entsprechende Progressionswirkung typischerweise erwarten lässt. (vgl BFH v 25.02.2014, BStBl II 2014, 668). Nach dem Sinn und Zweck des § 34 Abs 2 Nr 4 EStG soll die steuerliche Belastung für Einkünfte, die dem StPfl für die Tätigkeit mehrerer Jahre zufließen, möglichst nicht höher sein, als wenn ihm in jedem Jahr ein Anteil hiervon zugeflossen wäre, so bereits BFH v 10.06.1983, BStBl II 1983, 642.

Die bislang strittige Frage, ob USt-Erstattungen für zurückliegende Zeiträume als "Vergütungen" iSd § 34 Abs 2 Nr 4 EStG zu qualifizieren sind, ist durch BFH v 25.02.2014, aaO, geklärt: Danach ist der Ertrag auf Grund der geballten Nachaktivierung von USt-Erstattungsansprüchen für sechs Jahre bei einem bilanzierenden Gewerbetreibenden als tarifbegünstigte Vergütung für mehrjährige Tätigkeiten anzusehen. Die FinVerw hat sich dieser Einschätzung angeschlossen, vgl H 34.4 EStH 2021 "Gewinneinkünfte".

Erstattungszinsen nach § 233a AO sind aber keine außerordentlichen Einkünfte, BFH v 12.11.2013, BStBl II 2014, 168; aA Horn in H/H/R, § 34 EStG Rz 69 (August 2019).

b) Mehrjährigkeit

 

Rn. 102

Stand: EL 164 – ET: 04/2023

Durch das JStG 2007 v 13.12.2006 (BStBl I 2007, 28) wurde in § 34 Abs 2 Nr 4 EStG eine Legaldefinition der "Mehrjährigkeit" eingeführt. Mehrjährig ist eine Tätigkeit, soweit sie sich über mindestens zwei VZ erstreckt und einen Zeitraum von mehr als zwölf Monaten umfasst.

Ein Vergütungszeitraum von 13 Monaten sollte genügen, vgl Wacker in Schmidt § 34 EStG Rz 40 (41. Aufl), genau 12 Monate genügen nicht, vgl FG He v 27.07.2017, EFG 2018, 1449, bestätigt durch BFH v 16.12.2021, BFH/NV 2022, 325.

Damit ist die frühere Rspr des BFH überholt, wonach eine Tätigkeit auch dann mehrjährig iSd § 34 EStG ist, wenn sie sich über mindestens zwei VZ erstreckt, auch wenn die Gesamtdauer geringer ist als zwölf Monate, vgl BFH v 14.10.2004, BStBl II 2005, 289 mwH.

Der im Gesetzestext des § 34 Abs 2 Nr 4 EStG verwendete Begriff "soweit" ergibt keinen Sinn und ist als "wenn" zu interpretieren, vgl Horn in H/H/R

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