Rz. 9

[Autor/Stand] Das Strafbefehlsverfahren ist gegenüber dem "gewöhnlichen" Strafverfahren durch folgende Abkürzungen gekennzeichnet:

 

Rz. 9.1

[Autor/Stand] Die vorstehend stichwortartig aufgezeigten Besonderheiten des Strafbefehlsverfahrens führen dazu, dass es, was seinen Ablauf anbelangt, nicht ohne weiteres durchschaubar ist. Dies gilt vor allem hinsichtlich der Stellung des Gerichts im Strafbefehlsverfahren. Zum besseren Verständnis der nachfolgenden Ausführungen sind zunächst folgende vier Fallkonstellationen zu unterscheiden:

  • Der Richter erlässt den Strafbefehl antragsgemäß (Regelfall, s. Rz. 140 ff.).
  • Der Richter erlässt den Strafbefehl nicht, sondern beraumt eine Hauptverhandlung an. Das weitere Verfahren richtet sich nunmehr nach den Vorschriften des "gewöhnlichen" Strafverfahrens (s. Rz. 151 ff.).
  • Eine Hauptverhandlung findet zunächst nicht statt, es sei denn, der Beschuldigte legt gegen den Strafbefehl rechtzeitig Einspruch ein (s. Rz. 156 ff.); in dem Fall "wird Termin zur Hauptverhandlung anberaumt" (§ 411 Abs. 1 Satz 2 StPO); das Strafbefehlsverfahren mündet in das normale Strafverfahren ein; legt der Beschuldigte keinen Einspruch ein, steht der Strafbefehl einem rechtskräftigen Urteil gleich (§ 410 Abs. 3 StPO). Der Strafbefehl führt zum Strafklageverbrauch.
  • In einem "gewöhnlichen" Strafverfahren liegt ein wichtiger Grund i.S.d. § 408a StPO vor, der einem Abschluss des Verfahrens durch Urteil in einer Hauptverhandlung entgegensteht. Der Richter kann das Verfahren auf Antrag der StA durch Strafbefehl zum Abschluss bringen (s. Rz. 226 ff.).
 

Rz. 10

[Autor/Stand] Während es im gewöhnlichen Strafverfahren Aufgabe der StA ist, einen Strafbefehlsantrag bei dem zuständigen Gericht zu stellen, sieht die AO in § 400 AO ausdrücklich vor, dass die FinB i.S.d. § 386 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2, § 399 Abs. 1 AO (s. Rz. 27 f.), sofern sie das steuerstrafrechtliche Ermittlungsverfahren in eigener Zuständigkeit geführt hat, einen solchen Antrag stellen kann. Damit ergänzt § 400 AO die Abschlusskompetenzen des von der FinB geleiteten Ermittlungsverfahrens (s. § 385 Rz. 551 f.). Tormöhlen[4] sieht in § 400 AO eher eine Beschränkung der Rechte der FinB, da sie nicht zur eigenständigen Anklageerhebung befugt sei.

 

Rz. 11

[Autor/Stand] Die Vorschrift steht im Zusammenhang mit § 406 Abs. 1 AO (s. § 406 Rz. 3 ff.), der die rechtliche Stellung der FinB im Strafbefehlsverfahren regelt. Danach ist die FinB in dem Verfahrensabschnitt von der Stellung des Strafbefehlsantrags bis zur Anberaumung der Hauptverhandlung bzw. der Einlegung des Einspruchs (neben dem Angeschuldigten und seinem Verteidiger) "Hauptbeteiligter" und "rechtlicher Ansprechpartner", denn sie wirkt durch eigene prozessuale Willenserklärungen gestaltend mit[6].

 

Rz. 12

[Autor/Stand] Der steuerliche Berater kann in diesem Verfahren bis zur Anberaumung einer Hauptverhandlung nach § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO oder bis zur Einlegung des Einspruchs die Verteidigung allein führen (§ 392 Abs. 1 AO; s. § 392 Rz. 71).

Zu seiner Einspruchsberechtigung s. Rz. 166.

 

Rz. 13

[Autor/Stand] Die FinB hat bei der Entscheidung, ob die Strafsache zur Erledigung in diesem Verfahren geeignet erscheint oder die Akten der StA vorzulegen sind, einen Beurteilungsspielraum, wobei dem Strafbefehlsverfahren in den hierfür "geeigneten" Fällen jedenfalls grds. Vorrang einzuräumen ist (arg. e § 407 Abs. 1 Satz 2 StPO).

 

Rz. 14

[Autor/Stand] Der Antrag bedarf keiner Zustimmung durch den Beschuldigten oder den Verteidiger. Der Beschuldigte hat keinen Anspruch auf eine Erledigung des Verfahrens durch Strafbefehl, sondern nur einen Anspruch auf pflichtgemäße Ausübung des Beurteilungsspielraums (s. Rz. 54; vgl. auch Nr. 84 Abs. 5 AStBV (St) 2020, s. AStBV Rz. 84).

 

Rz. 15

[Autor/Stand] Dennoch wird der Strafbefehl von der BuStra mit den Beteiligten zumeist abgestimmt (zu den Möglichkeiten einer Verständigung s. Rz. 22, 62; § 385 Rz. 1233 ff. Eine vorherige Anhörung des Beschuldigten zum Tatvorwurf ist zudem obligatorisch (s. Rz. 98).

 

Rz. 16

[Autor/Stand] Erscheint der FinB eine Erledigung im Strafbefehlsverfahren nicht geeignet, legt sie die Akten nach Abschluss der Ermittlungen der StA vor (§ 400 Halbs. 2 AO ), denn sie hat kein Recht, selbst durch Einreichung einer Anklageschrift gem. § 170 Abs. 1 StPO Anklage bei Gericht zu erheben. Diese Aktenvorlage ist ein Fall der Verfahrensübergabe i.S.d. § 386 Abs. 4 Satz 1 AO (zur daraus folgenden Rechtsstellung der FinB s. § 386 Rz. 117 ff.). Der StA bleibt es sodann unbenommen – ggf. nach weiteren Ermit...

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