Rz. 140

[Autor/Stand] Bestehen gegen den Erlass des beantragen Strafbefehls keine Bedenken, hat der Richter den Strafbefehl zu erlassen (§ 408 Abs. 1 Satz 1 StPO). So ist es in der Praxis auch die ganz überwiegende Regel (s. Rz. 8). Von dem gestellten Antrag darf er nicht abweichen. Mit dem Erlass des Strafbefehls, nicht dagegen bereits mit Stellung des Strafbefehlsantrags, tritt zugleich Rechtshängigkeit ein[2] mit der Folge, dass in derselben Sache kein weiterer Strafbefehlsantrag oder sogar Anklage erhoben werden kann.

Einer vorherigen Anhörung des Angeschuldigten bedarf es nicht (§ 407 Abs. 3 StPO)[3], sie ist aber durchaus möglich (s. Rz. 98)[4].

Erwägt der Richter, antragsgemäß eine Freiheitsstrafe zu verhängen, so ist dem noch unverteidigten Angeschuldigten ein Verteidiger zu bestellen (§ 408b StPO, s. Rz. 83).

 

Rz. 141

[Autor/Stand] Vor dem Hintergrund der gesetzlich vorgeschriebenen Möglichkeiten abweichender Entscheidungen (§ 408 Abs. 3 Satz 2 StPO, s. Rz. 138 ff.) ist der Richter an den Strafbefehlsantrag gebunden, d.h. es ist ihm verwehrt, von dem Strafbefehlsantrag inhaltlich in irgendeiner Weise abzuweichen. Der Erlass des Strafbefehls setzt als unverzichtbares Prinzip des Strafbefehlsverfahrens die vollständige Übereinstimmung zwischen Richter und Ermittlungsbehörde sowohl in der rechtlichen Bewertung der Tat als auch hinsichtlich der beantragten Rechtsfolgen voraus[6]. Daraus folgt, dass der FinB (ebenso wie der StA) gegen den Erlass des Strafbefehls kein Rechtsbehelf zusteht. Der Richter ist insoweit nur zur Ergänzung und Korrektur unvollständiger oder (nachträglich) unrichtig (gewordener) Angaben zur Person befugt[7]; im Übrigen steht ihm lediglich die Formulierung frei, soweit er den Antragsvordruck nicht verwenden will oder infolge des inhaltlichen Umfangs nicht verwenden kann.

 

Rz. 141.1

[Autor/Stand] Bei der beabsichtigten Abweichung vom Strafbefehlsantrag – zumeist aufgrund abweichender Vorstellungen über das Strafmaß – ist der Richter allerdings noch nicht unmittelbar zur Anberaumung einer Hauptverhandlung verpflichtet. In diesem Fall sieht das Gesetz, wie sich aus der Formulierung des § 408 Abs. 3 Satz 2 StPO ("und die Staatsanwaltschaft bei ihrem Antrag beharrt") ergibt, sogar ausdrücklich die Möglichkeit – wenn nicht sogar die Pflicht – zu einem vorangehenden Einigungsversuch vor (vgl. Nr. 178 Abs. 1 RiStBV)[9]. Die FinB kann dann u.U. den Antrag zurücknehmen[10].

 

Rz. 142

[Autor/Stand] Weicht der Richter bei Erlass des Strafbefehls – sei es zugunsten oder zuungunsten des Beschuldigten – von dem Antrag der FinB ab, so ist der Strafbefehl nach h.M. gleichwohl wirksam[12]. Zur Rechtskraft s. Rz. 188.

 

Rz. 142.1

[Autor/Stand] Sofern ein Strafbefehlsantrag zwei Taten im prozessualen Sinn umfasst, kann der Amtsrichter, wenn er die Ansicht vertritt, hinsichtlich einer Tat sei hinreichender Tatverdacht gegeben, hinsichtlich der anderen nicht, den Erlass des Strafbefehls wegen der letzteren Tat ablehnen und die weitere Entscheidung bis zur Rechtskraft der (Teil-)Ablehnung des Strafbefehlserlasses zurückstellen.

 

Rz. 143

[Autor/Stand] Die bei Gericht verbleibende Urschrift des Strafbefehls muss entweder die vollständige Unterschrift des entscheidenden Richters, mindestens aber einen diesen Richter ausreichend kennzeichnenden Schriftzug enthalten, wobei sogar ein Faksimilestempel oder ein Handzeichen ausreichen können[15], nicht aber eine bloße "geschlängelte Linie", die den Richter aus sich selbst heraus nicht zweifelsfrei erkennen lässt[16].

Ein nicht unterzeichneter Strafbefehl verbleibt dagegen regelmäßig im Entwurfszustand, wird demzufolge also nicht existent[17] und führt deshalb zur Einstellung wegen eines Verfahrenshindernisses nach § 206a StPO oder § 260 Abs. 3 StPO[18], sofern die Unterzeichnung nicht ordnungsgemäß nachgeholt wird.

Die dem Beschuldigten zugestellte Ausfertigung des Strafbefehls braucht dagegen keine Unterzeichnung zu enthalten, ist aber regelmäßig mit Namensnennung des Richters gezeichnet.

 

Rz. 144

[Autor/Stand] Wie sich aus § 410 StPO ergibt, wird der Strafbefehl dem Beschuldigten oder seinem Verteidiger (§ 145a StPO) zugestellt (§§ 36 ff. StPO)[20]; ebenso erfolgt eine Zustellung an den gesetzlichen Vertreter (§ 409 Abs. 3, § 40 Abs. 2 StPO). Zulässig ist auch die Ersatzzustellung gem. § 37 StPO i.V.m. §§ 181, 183 ZPO in Wohnung, Haus oder Geschäftsräumen des Angeklagten[21], ebenso durch Niederlegung gem. § 182 ZPO auf der Geschäftsstelle des AG, in dessen Bezirk der Ort der Zustellung gelegen ist, oder an diesem Ort bei der Polizei, Gemeindeverwaltung oder Polizeidienststelle[22]. Unzulässig ist dagegen die öffentliche Zustellung bei abwesenden Angeklagten[23]. Die Zustellung eines Strafbefehls gegen einen im Inland ohne festen Aufenthalt oder Wohnsitz betroffenen Beschuldigten an einen Zustellungsbevollmächtigen kann ausreichen (§ 132 Abs. 1 Nr. 2 StPO)[24]. Fraglich ist dabei, ob dies mit dem Fair-trial-Grundsatz vereinbar ist.

Bei einem der deutschen Sprache nicht mächtigen ...

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