a) Jederzeitige Abgabe

Ergänzender Hinweis: Nr. 22 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 22)

 

Rz. 117

[Autor/Stand] Nach § 386 Abs. 4 Satz 1 AO kann die FinB die Strafsache jederzeit an die StA abgeben (vgl. die Übersicht Rz. 51 unter II.B.1.).

b) Ermessen

 

Rz. 118

[Autor/Stand] Die Entscheidung über die Abgabe und deren Zeitpunkt steht – wie aus der Formulierung "kann" hervorgeht – im pflichtgemäßen Ermessen der FinB (s. auch Nr. 22 Abs. 1 Satz 1 AStBV (St) 2020; s. AStBV Rz. 22)[3]. Davon zu unterscheiden ist die Abgabe bei sog. Zusammenhangstaten, bei denen die Zuständigkeit von vornherein bei der StA liegt (s. Rz. 89 ff.). Sie dient nur der Weiterleitung der Strafsache an die funktionell und sachlich zuständige Behörde. § 386 Abs. 4 Satz 1 AO setzt damit die selbständige Kompetenz der FinB i.S.d. § 386 Abs. 2 AO voraus[4].

c) Abgabegründe

 

Rz. 119

[Autor/Stand] Eine Abgabe wird immer dann indiziert sein,

  • wenn der Fall besondere Probleme allgemeiner strafrechtlicher Art aufweist, z.B. komplexe Rechtsfragen, grenzüberschreitender Bezug, Fragen der Zurechnungsfähigkeit (s. nachst. Beispiel), Täter- und Teilnahmeprobleme, Irrtumsfragen, die Schadenshöhe dies veranlasst;

    Beispiel

    Bei den Ermittlungen gegen den wegen Steuerhinterziehung Verdächtigen S treten wegen des Verdachts des erheblichen Alkoholkonsums Zweifel an dessen Zurechnungsfähigkeit auf. Die FinB wird der StA das weitere Ermittlungsverfahren überlassen, da diese mit den in einem solchen Fall zu ergreifenden verfahrensrechtlichen Maßnahmen (Beiziehung eines Sachverständigen, § 80a StPO) eher vertraut ist.

  • wenn ein Interesse an der Klärung einer Rechtsfrage von grundsätzlicher Bedeutung besteht;
  • bei persönlichem oder sachlichem Zusammenhang mit einem bei der StA bereits anhängigen Verfahren;
  • bei Verdacht der Beteiligung eines Amtsträgers der Finanzverwaltung[6].
 

Rz. 120

[Autor/Stand] Nach Auffassung der Finanzverwaltung kommen als Abgabegründe insb. in Betracht:

Nr. 22 AStBV (St) 2020 Abgabe der Strafsache an die Staatsanwaltschaft

„Die Entscheidung über die Abgabe (§ 386 Abs. 4 Satz 1 AO) ist nach pflichtgemäßem Ermessen zu treffen. Die unverzügliche Abgabe kommt in Betracht, wenn besondere Umstände es angezeigt erscheinen lassen, dass das Ermittlungsverfahren unter der Verantwortung der Staatsanwaltschaft fortgeführt wird. Dies wird insbesondere der Fall sein, wenn

  1. eine Maßnahme der Telekommunikationsüberwachung beantragt werden soll (vgl. auch Nummer 74);
  2. die Anordnung der Untersuchungshaft (§§ 112, 113 StPO) geboten erscheint;
  3. die Strafsache besondere verfahrensrechtliche Schwierigkeiten aufweist;
  4. der Beschuldigte außer einer Tat im Sinne der Nummern 18 und 19 noch eine andere – prozessual selbständige – Straftat begangen hat und die Taten in einem einheitlichen Ermittlungsverfahren verfolgt werden sollen (vgl. auch Nummer 140 Abs. 3);
  5. die Strafsache besondere materiell-rechtliche Schwierigkeiten aufweist (wie z.B. Fälle der nachträglichen Gesamtstrafenbildung);
  6. Freiheitsstrafe zu erwarten ist, die nicht im Strafbefehlsverfahren geahndet werden kann;
  7. gegen die in Nummern 151 bis 154 genannten Personen ermittelt wird;
  8. ein Amtsträger der Finanzverwaltung der Beteiligung verdächtig ist.

In den Fällen der Nummern 7 und 8 hat eine sofortige Abgabe zu erfolgen.

(2) In den Fällen, die wegen der Größenordnung oder aus anderen Gründen, namentlich wegen der Persönlichkeit oder der Stellung des Beschuldigten oder wegen des Sachzusammenhangs mit anderen strafrechtlichen Ermittlungsverfahren, von besonderer Bedeutung sind, hat die Finanzbehörde, sofern sie nicht die Vorgänge gemäß Abs. 1 abgegeben hat, die Staatsanwaltschaft unverzüglich zu verständigen (vgl. auch BGH-Beschluss vom 30. April 2009 – 1 StR 90/09 und Nummer 140). Dies gilt auch, wenn zu entscheiden ist, ob eine wirksame Selbstanzeige i.S.v. § 371 AO gegeben ist (vgl. BGH-Beschluss vom 20. Mai 2010 – 1 StR 577/09).”

 

Rz. 121

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

 

Rz. 122

[Autor/Stand] Das Vorliegen eines besonders schweren Falles i.S.d. § 370 Abs. 3 AO (insb. Nr. 1: in der Praxis üblich bei Hinterziehungsbeträgen ab 50.000 EUR[10] bzw. Nr. 5: bandenmäßiger Umsatzsteuer-/Verbrauchsteuerhinterziehung spricht bereits generell für eine Abgabe an die StA (vgl. auch die Ausführungen bei § 370 Rz. 1029, 1099).

 

Rz. 123

[Autor/Stand] Problematisch ist die Ermittlungskompetenz der FinB in Millionenfällen, in denen nach der Rspr. des BGH[12] ein Strafbefehlsverfahren auszuscheiden hat (s. § 370 Rz. 1029.5; § 400 Rz. 41.1). Dies war bereits im Rahmen des damaligen Verbrechenstatbestands des § 370a AO in Abrede gestellt worden[13]. Letztlich handelt es sich aber nicht um die Frage der Ermittlungskompetenz, sondern um die der Abschlusskompetenz (s. § 400 Rz. 10)[14]. Da diese Umfangsverfahren zumeist mit Untersuchungshaft einhergehen, wird die StA zudem bereits gem. § 386 Abs. 3 AO zuständig sein (s. Rz. 103). Überdies bietet es sich im Hinblick auf die wahrscheinliche Erhebung der Anklage zum LG an, die...

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