Ergänzender Hinweis: Nr. 20, 73 AStBV (St) 2020 (s. AStBV Rz. 20, 73)

 

Rz. 103

[Autor/Stand] Die selbständige Ermittlungsbefugnis der FinB für das Ermittlungsverfahren (§ 386 Abs. 2 AO) geht kraft Gesetzes auf die StA über, sobald gegen den Beschuldigten wegen der Tat ein Haftbefehl (§§ 112, 112a StPO) oder ein Unterbringungsbefehl (§ 126a StPO) erlassen wird (§ 386 Abs. 3 AO; vgl. die Übersicht Rz. 51 unter II.A.2.); nicht aber bereits mit der vorläufigen Festnahme gem. § 127 Abs. 2 StPO (vgl. Nr. 73 AStBV (St) 2020; s. AStBV Rz. 73)[2] oder der Vorführung vor dem Haftrichter[3], wenngleich sich auch in diesen Fällen bereits die Abgabe des Verfahrens an die StA empfiehlt.

 

Beispiel

Die FinB ermittelt gegen den wegen Steuerhinterziehung Beschuldigten S und ordnet wegen Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) dessen vorläufige Festnahme an (§ 127 Abs. 2 StPO). Nach seiner Vernehmung erlässt der Richter Haftbefehl (§ 128 Abs. 2 Satz 2 StPO).

Die im weiteren Verlauf des Ermittlungsverfahrens notwendigen Maßnahmen leitet der Staatsanwalt. Er kann jedoch die FinB in den Grenzen des § 402 Abs. 1 AO in die Sachaufklärung einschalten, die in diesen Fällen dieselben Rechte und Pflichten wie die Behörden des Polizeidienstes nach der StPO hat (s. Rz. 28).

 

Rz. 104

[Autor/Stand] Der Grund für die Regelung des § 386 Abs. 3 AO liegt in den besonderen Erfahrungen, die die StA in Haft- und Unterbringungssachen (§§ 112 ff. StPO) sowie im Haftprüfungs- und im Haftbeschwerdeverfahren (§§ 117 ff., §§ 304, 310 StPO) hat[5]. Darüber hinaus ist die Zuständigkeit der StA in diesen Fällen "auch deshalb sachgerecht, weil Haftbefehle nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. § 112 Abs. 1 Satz 2 StPO) nur in Sachen von größerer Bedeutung erlassen werden dürfen"[6] (zu den Voraussetzungen der Untersuchungshaft s. im Einzelnen § 385 Rz. 499 ff.). Zudem kann nur die StA die Aufhebung des Haftbefehls mit bindender Wirkung im Ermittlungsverfahren beantragen (§ 121 Abs. 3 Satz 1 StPO).

 

Rz. 105

[Autor/Stand] Die Tat ist auch hier im prozessualen Sinne des § 264 StPO zu verstehen. "Wegen der Tat" bedeutet, dass der Haft- oder Unterbringungsbefehl ein einheitliches Geschehen betreffen muss, das eine (bzw. mehrere) (Steuerstraf-)Tat(en) i.S.d. § 386 Abs. 2 Nr. 1 und 2 AO zum Gegenstand hat, da § 386 Abs. 3 AO die selbständige Ermittlungskompetenz des Abs. 2 voraussetzt[8]. Bei Zusammenhang mit sonstigen Allgemeindelikten ist bereits von vornherein die ausschließliche Zuständigkeit der StA begründet (s. Rz. 90). Bezieht sich der Haft- oder Unterbringungsbefehl auf einen anderen historischen Vorgang, greift § 386 Abs. 3 AO nicht ein, d.h. die Zuständigkeit der FinB bleibt unberührt[9].

 

Rz. 106

[Autor/Stand] Aus der Formulierung "gegen einen Beschuldigten" ergibt sich, dass es bei mehreren Beschuldigten genügen muss, dass gegen "einen" von ihnen ein Haft- oder Unterbringungsbefehl erlassen worden ist[11].

 

Rz. 107

[Autor/Stand] Die BuStra kann nicht selbständig beim Ermittlungsrichter einen Antrag auf Erlass eines Haftbefehls stellen. Die Beamten der Steuer- und Zollfahndung können jedoch bei Gefahr im Verzug bei Vorliegen entsprechender Haftgründe i.S.d. § 112 StPO (vgl. § 127 Abs. 2 StPO, Nr. 73 AStBV (St) 2020; s. AStBV Rz. 73) die vorläufige Festnahme durchführen. Entsprechende Anregungen der Steuer-und Zollfahndung, was den Erlass eines Haftbefehls betrifft, sind kritisch zu hinterfragen, insb. wenn sich die Anregung später nahezu wortgleich im Haftbefehl wiederfindet.

 

Rz. 108

[Autor/Stand] Erlassen ist der Haftbefehl erst mit Eingang des Haft- oder Unterbringungsbefehls bei der StA als Vollstreckungsbehörde (vgl. § 36 Abs. 2 Satz 2 StPO)[14] und nicht bereits mit dem Verlassen des inneren Dienstbereichs des Gerichts[15]. Die Übergabe des Haftbefehls an den anwesenden StA oder die Vollstreckungsbeamten (z.B. sog. Festnahmeteams) steht dem Eingang bei der StA gleich[16].

 

Rz. 109

[Autor/Stand] Die Zuständigkeit der FinB erlischt damit endgültig. Wird der Haft- oder Unterbringungsbefehl aufgehoben (§ 120 StPO), lebt die Ermittlungsbefugnis der FinB nicht wieder auf. Es verbleibt bei der Zuständigkeit der StA[18]. Dies gilt auch dann, wenn der Vollzug des Haftbefehls nach § 116 StPO ausgesetzt wird[19]. Das Gesetz stellt auf den Zeitpunkt des Erlasses ab ("sobald") und nicht auf den Bestand. Der gesetzgeberische Grund für die Überleitung der Ermittlungsbefugnis in Fällen von größerer Bedeutung, der bei Annahme der sonstigen Voraussetzungen zunächst zum Erlass des Haftbefehls führte, besteht i.d.R. auch nach seiner Aufhebung fort, so dass kein Anlass besteht, die Sache zur Ermittlung wieder auf die FinB übergehen zu lassen.

Die StA kann die Strafsache nach § 386 Abs. 4 Satz 3 AO nicht wieder an die FinB zurückgeben, da diese Möglichkeit ausdrücklich nur in den Fällen des § 386 Abs. 4 Satz 1 und 2 AO besteht[20].

 

Rz. 110– 115

[Autor/Stand] Einstweilen frei.

[Autor/Stand] Autor: Peters/Bertrand, Stand: 01.02.2022
[2] Vgl. Hadamitzky/Senge in Erbs/Kohlhaas, § 3...

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