Rz. 1029.1

[Autor/Stand] Bei der Steuerhinterziehung ist die Höhe der Steuerverkürzung seit jeher ein bestimmender Strafzumessungsfaktor[2]. Der BGH leitet die Bedeutung des Steuerschadens im Rahmen der Strafzumessung aus der gesetzgeberischen Wertung des § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO ab. Mit dieser Regelung habe der Gesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass sich das Strafmaß hauptsächlich an der Höhe des Hinterziehungsbetrags zu orientieren habe.

Verurteilende Entscheidungen müssen daher die Summe der strafbefangenen Steuern und deren Berechnung im Einzelnen enthalten, bezogen auf jede Steuerart und jeden Steuerabschnitt (s. Rz. 474 ff.)[3]. Die exakte Berechnung der verkürzten Steuern durch den Strafrichter ist ausnahmsweise entbehrlich bei einem Geständnis eines sachkundigen Angeklagten[4].

 

Rz. 1029.2

[Autor/Stand] Neben den in der Praxis von den Ermittlungsbehörden häufig angewandten Strafmaßtabellen (s. Rz. 1075 ff.) existierte bis zu der Grundsatzentscheidung des BGH zur Strafzumessung vom 2.12.2008[6] keine durch die Rspr. vorgenommene betragsmäßige Bestimmung der schuldangemessenen Strafe im Verhältnis zum verursachten Steuerschaden. In dieser Entscheidung hat der BGH zur Beziehung zwischen Steuerschaden und Strafhöhe ausführlich Stellung genommen. Für die Strafzumessung sei die Höhe der Steuerhinterziehung entscheidend, weil sie den Angriff auf das Schutzgut widerspiegelt.

 

Rz. 1029.3

[Autor/Stand] Bis zuletzt hat der BGH bei der Bestimmung der Wertgrenze des großen Ausmaßes in st. Rspr. eine differenzierende Betrachtung vorgenommen. Hatte der Stpfl. ungerechtfertigte Zahlungen vom Finanzamt erlangt, nahm der BGH ein großes Ausmaß an, wenn der Hinterziehungsbetrag 50.000 EUR überstieg. Beschränkte sich das Verhalten des Täters darauf, die Finanzverwaltung pflichtwidrig über steuerlich erhebliche Tatsachen in Unkenntnis zu lassen, und wurde der Steueranspruch hierdurch lediglich gefährdet, ging der BGH von einer Wertgrenze von 100.000 EUR aus. Unter Aufgabe der alten differenzierenden Rspr. nimmt der BGH seit der Grundsatzentscheidung vom 27.10.2015 eine einheitliche Wertgrenze an. Danach gilt für die Annahme einer Hinterziehung im großen Ausmaß einheitlich – also auch bei Unterlassen – die Betragsgrenze von 50.000 EUR[8] (s. Rz. 1099.1).

Liegt nach diesen Maßstäben eine Hinterziehung von großem Ausmaß vor, so hat dies nach den Rspr.-Grundsätzen des BGH – unabhängig von der Frage, ob die Regelwirkung einer besonders schweren Steuerhinterziehung im konkreten Fall zur Anwendung kommt – eine Indizwirkung "freilich auch nicht mehr", für die zu findende Strafhöhe[9]. Dabei geht der BGH bislang von folgender Indizwirkung aus: Bei einem sechsstelligen Hinterziehungsbetrag soll die Verhängung einer Geldstrafe lediglich bei Vorliegen von gewichtigen Milderungsgründen noch schuldangemessen sein. Bei Hinterziehungsbeträgen in Millionenhöhe komme eine aussetzungsfähige Freiheitsstrafe nur bei Vorliegen besonders gewichtiger Milderungsgründe noch in Betracht.[10]

 

Rz. 1029.4

[Autor/Stand] Trotz der vom BGH benannten Wertgrenze, darf nicht verkannt werden, dass eine "tarifmäßige" Strafzumessung allein auf der Grundlage der festgestellten Verkürzungsbeträge rechtswidrig ist. Dies wird auch von der Rspr. nicht infrage gestellt:

"Bei der Zumessung einer Strafe wegen Steuerhinterziehung hat das von § 46 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgegebene Kriterium der ‚verschuldeten Auswirkungen der Tat‘ im Rahmen der erforderlichen Gesamtwürdigung besonderes Gewicht. ‚Auswirkungen der Tat‘ sind insbesondere die Folgen für das durch die Strafnorm geschützte Rechtsgut. Das durch § 370 AO geschützte Rechtsgut ist die Sicherung des staatlichen Steueranspruchs, d.h. des rechtzeitigen und vollständigen Steueraufkommens (st. Rspr.; vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08 Rz. 21, BGHSt 53, 71, 80; BGH, Urt. v. 1.8.2000 – 5 StR 624/99, BGHSt 46, 107, 120; BGH, Urt. v. 25.1.1995 – 5 StR 491/94, BGHSt 41, 1, 5; BGH, Beschl. v. 23.3.1994 – 5 StR 91/94, BGHSt 40, 109, 111 und BGH, Urt. v. 1.2.1989 – 3 StR 179/88, BGHSt 36, 100, 102). Deshalb ist die Höhe der verkürzten Steuern ein bestimmender Strafzumessungsumstand i.S.d. § 267 Abs. 3 Satz 1 StPO (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08, Rz. 21, BGHSt 53, 71, 80 und BGH, Beschl. v. 18.3.1998 – 5 StR 693/97, wistra 1998, 269, 270). Dies gilt nicht nur für die Strafrahmenwahl (vgl. § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO), sondern auch für die Strafzumessung innerhalb des vom Tatgericht zugrunde gelegten Strafrahmens. Dass der Hinterziehungsbetrag dann, wenn er hoch ist, ein auch für die konkrete Strafzumessung wichtiger Strafschärfungsgrund ist, zeigt insbesondere die gesetzgeberische Wertung in § 370 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 AO zur Hinterziehung in großem Ausmaß als Regelbeispiel eines besonders schweren Falls der Steuerhinterziehung (vgl. BGH, Urt. v. 2.12.2008 – 1 StR 416/08 Rz. 22, BGHSt 53, 71, 80). [...] Auch wenn der Hinterziehungsbetrag ein bestimmender Strafzumessungsgrund für die Steuerhinterziehung ist, der e...

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