Rz. 367

[Autor/Stand] Überblick. Von der auf die Körperschaft isolierten Betrachtungsweise für die Prüfung der sachlichen Entlastungsberechtigung gibt es systemimmanente Ausnahmen. Diese betreffen (potenziell) folgende Fälle:

  • Mittelbare vertikale Verbundbetrachtung (vgl. Rz. 368 ff.)
  • Gegenbeweis (vgl. Rz. 370 ff.)
  • Besondere DBA-Regelungen (vgl. Rz. 372 ff.)
  • Aktivität von Betriebsstätten (vgl. Rz. 374)
  • Aktivität von (transparenten) Tochter-Personengesellschaften (vgl. Rz. 375 ff.)
  • Steuerliche Gruppenbesteuerungssysteme (Organschaft) (vgl. Rz. 378)
 

Rz. 368

[Autor/Stand] Ausnahme 1: Mittelbare vertikale Verbundbetrachtung. Von der unmittelbaren Anwendung des § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 EStG auf auf Ebene der den Entlastungsanspruch geltend machenden Körperschaft ist hingegen die Auswirkung der sog. verschachtelten Prüfung (vgl. ausf. dazu Rz. 220 ff., Rz. 429 ff.) innerhalb einer mehrstufigen Beteiligungskette zu trennen: Da § 50d Abs. 3 EStG innerhalb der Prüfung der persönlichen Entlastungsberechtigung (Nr. 1) auf jeder vorgelagerten Stufe einer mehrstufigen Beteiligungskette (inzident) zu prüfen ist, sind in diesem Rahmen auch die tatsächlichen Verhältnisse der in dieser mehrstufigen Beteiligungskette vorgeschalteten Personen zu berücksichtigen. Das führt letztlich zu dem Ergebnis, dass die Wirtschaftstätigkeit einer mittelbar beteiligten Körperschaft die persönliche Entlastungsberechtigung der den Entlastungsanspruch geltend machenden Körperschaft begründen kann (vgl. Rz. 223, s. Beispiel in Rz. 226, 369). Insoweit erfolgt eine (mittelbare) vertikale Verbundbetrachtung.

 

Rz. 369

 

Beispiel (Mittelbare vertikale Verbundbetrachtung)

An der deutschen D-GmbH ist die in den Niederlanden ansässige NL-BV beteiligt. Alleinige Anteilseignerin der NL-BV ist die F-SA, deren Alleingesellschafterin wiederum die in den USA ansässige US-Inc. ist. Die NL-BV übt keine eigene Wirtschaftstätigkeit aus. Die F-SA übt hingegen eine Wirtschaftstätigkeit aus, mit der die Beteiligung an der D-GmbH einen wesentlichen Zusammenhang aufweist. Die D-GmbH beabsichtigt nun eine Gewinnausschüttung. Hat die NL1-BV hierbei Anspruch auf Entlastung von der KapESt?

Lösung

Die Frage ist zu bejahen. Grundsätzlich hat die NL-BV einen Entlastungsanspruch auf der Grundlage des § 43b EStG. Dieser Entlastungsanspruch wird auch nicht nach § 50d Abs. 3 EStG versagt, da die persönliche Entlastungsberechtigung (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) nicht fehlt: An der NL-BV ist mit der F-SA eine Person beteiligt, der bei fiktiver Direkterzielung der Dividende der D-GmbH auch ein Entlastungsanspruch nach § 43b EStG zustünde. Diesem Entlastungsanspruch stünde auch nicht fiktiv § 50d Abs. 3 EStG entgegen (sog. verschachtelte Prüfung): Zwar ist an der F-SA eine Person (US-Inc.) beteiligt, der kein Anspruch nach § 43b EStG zustünde (angenommen man folgt der Ansicht einer Rechtgrundkongruenz, vgl. Rz. 208). Jedoch fehlt bei der F-SA nicht die sachliche Entlastungsberechtigung, da sie eine Wirtschaftstätigkeit ausübt und die (fiktiv zugerechnete, vgl. Rz. 202) Beteiligung an der D-GmbH mit dieser Wirtschaftstätigkeit einen wesentlichen Zusammenhang aufweist. S. ausf. zur verschachtelten Prüfung Rz. 220 ff., Rz. 429 ff. S. zu einem weiteren Beispiel in mehrstufiger Beteiligung insb. Rz. 226.

 

Rz. 370

[Autor/Stand] Ausnahme 2: Gegenbeweis. Unberührt bleibt zudem – wie auch die Gesetzesbegründung hervorhebt – die in der Praxis bedeutsame Möglichkeit, im Rahmen des Gegenbeweises (§ 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG) Gründe aus dem Konzernverbund (insb. konzerninterne Struktur- und Strategiekonzepte) anzuführen und auf diese Weise die Missbrauchsvermutung des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG zu widerlegen (vgl. Rz. 566 ff.).

 

Rz. 371

 

Beispiel (Konzernbezogene Gründe im Gegenbeweis)

An der deutschen D-GmbH ist die in den Niederlanden ansässige NL1-BV beteiligt, deren Alleingesellschafterin die in den USA ansässige börsennotierte US-Inc ist. Die US-Inc hält neben der NL1-BV auch sämtliche Anteile an der NL2-BV. Die NL1-BV übt keine eigene Wirtschaftstätigkeit aus. Die NL2-BV übt hingegen eine Wirtschaftstätigkeit aus, die zudem im Zusammenhang mit der Tätigkeit der D-GmbH steht. Die D-GmbH beabsichtigt nun eine Gewinnausschüttung an NL1-BV. Hat die NL1-BV hierbei Anspruch auf Entlastung von der KapESt?

Lösung

Die Beantwortung dieser Frage hängt von der Auslegung der persönlichen Entlastungsberechtigung (§ 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG) ab. Fordert man (wie hier vertreten) eine Rechtsfolgenkongruenz (vgl. Rz. 209 ff.) so fehlt bereits die persönliche Entlastungsberechtigung nicht, da die US-Inc. nach Art. 10 Abs. 3 DBA-USA ebenfalls einen Entlastungsanspruch auf 0 % hätte. Aufgrund der Börsennotierung der US-Inc. muss auf deren Ebene auch nicht § 50d Abs. 3 EStG nochmals fiktiv geprüft werden (vgl. Rz. 586 ff.; sog. verschachtelte Prüfung). Danach würde der Entlastungsanspruch der NL1-BV nicht nach § 50d Abs. 3 EStG versagt. Fordert man hingegen mit der FinVerw eine Rechtsgrundkongruenz (vgl. Rz. 208), ...

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