Begriff der negativen Einkünfte: Organschaft

Die Finanzverwaltung hat sich zum Begriff der "negativen Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft" geäußert und die Nichtanwendung der Rechtsprechung des BFH verfügt.

Negative Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft

Negative Einkünfte des Organträgers oder der Organgesellschaft dürfen nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG bei der Besteuerung im Inland nicht berücksichtigt werden, soweit sie in einem ausländischen Staat im Rahmen der Besteuerung des Organträgers, der Organgesellschaft oder einer anderen Person berücksichtigt werden.

Rechtsprechung zum Begriff der negativen Einkünfte

Zu dem Anwendungsbereich dieser Norm hat der BFH (BFH Urteil vom 12.10.2016 - I R 92/12) entschieden, dass negative Einkünfte des Organträgers i. S. d. § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG nur dann vorliegen, wenn bei dem Organträger nach der Zurechnung des Einkommens der Organgesellschaft ein Verlust verbleibt. Der BFH begründet dies entsprechend dem Wortlaut und der Gesetzesbegründung damit, dass der Gesetzgeber diese Verlustabzugsbeschränkung der Vorschrift des § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG zugewiesen hat. Damit stehe die Beschränkung des Verlustabzugs im Zusammenhang mit der organschaftlichen Einkommenszurechnung.

Finanzverwaltungsauffassung

Diese Interpretation steht im Gegensatz zu der Wertung der Finanzverwaltung. Das BMF hat deshalb in Abstimmung mit den Länderfinanzverwaltungen beschlossen, dass diese Auslegung des Begriffs "negative Einkünfte" nicht allgemein anzuwenden ist (sog. Nichtanwendungserlass). Nach Auffassung der Finanzverwaltung ist jeweils isoliert auf die Einkünfte des Organträgers abzustellen bzw. auf die Einkünfte der einzelnen Organgesellschaften. Die vom BFH vorgenommene saldierte Betrachtung auf Ebene des Organträgers wird abgelehnt.

Gewerbliche Infektion

Zudem hat sich das BMF auch gegen eine vom BFH im Urteil vom 12.10.2016, I R 92/12 vorgenommene Interpretation zu einer gewerblichen Infektion i. S. d. § 15 Abs. 3 Nr. 1 EStG Stellung genommen. Der BFH hatte eine gewerbliche Infektion verneint, wenn die Geschäftstätigkeit einer Personengesellschaft ausschließlich in dem Halten der Anteile an einer anderen Personengesellschaft besteht und die Personengesellschaft über kein weiteres Vermögen verfügt, aus dem Einkünfte erzielt werden könnten.

Auch diese Interpretation steht der Auffassung der Finanzverwaltung entgegen und soll nicht über den entschiedenen Einzelfall hinaus angewandt werden.

Praxishinweis

Es steht zu erwarten, dass der Gesetzgeber die Regelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG ein weiteres Mal ändert und diese Norm ggf. mit Wirkung ab VZ 2022 im Sinne der Finanzverwaltung präzisieren wird.

Wird die Auffassung der Finanzverwaltung geteilt, stellen sich zudem in der Praxis oftmals Folgefragen, wie z. B.:

  • Liegt in älteren Streitjahren eventuell ein Verstoß gegen den verfassungsrechtlich geschützten Vertrauensschutz durch die Anwendung der § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 i.V.m. § 34 Abs. 9 Nr. 8 KStG auf alle noch nicht bestandskräftig veranlagten Fälle vor?
  • Gehören Personengesellschaften als Organträger zum Kreise der betroffenen Organträger?
  • Ebenso kann strittig werden, ob sich die Norm auf negative Einkünfte des Organträgers beschränkt, die ihre Ursache im Organschaftsverhältnis haben, also in der Zurechnung eines negativen Einkommens der Organgesellschaft.
  • Und nicht zuletzt kann sich ggf. das Rechtsproblem stellen, ob § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 KStG eine nach DBA vereinbarte Anrechnungsmethode verdrängen kann bzw. keine Einbeziehung von positiven wie negativen Einkünften in die Bemessungsgrundlage beider Vertragsstaaten erfolgt.

Für bereits verwirklichte ähnlich gelagerte Fälle wird wohl der finanzgerichtliche Weg eingeschlagen werden müssen, sodass der BFH erneut darüber urteilen kann.

BMF, Schreiben v. 14.1.2022, IV C 2 - S 2770/20/10001 :001


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