a) Systematik

 

Rz. 504

[Autor/Stand] Regelungsinhalt. Nach § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG wird der Entlastungsanspruch – trotz Vorliegens der Voraussetzungen des Satzes 1 – nicht versagt, soweit (vgl. Rz. 510 ff.) die Körperschaft nachweist (vgl. Rz. 515 ff.), dass keiner der Hauptzwecke (vgl. Rz. 546 ff.) ihrer Einschaltung (vgl. Rz. 525 ff.) die Erlangung eines steuerlichen Vorteils (vgl. Rz. 532 ff.) ist. Damit enthält Satz 2 Alt. 1 einen sog. (umgekehrten, s. Rz. 507) „Principal Purpose Test” (kurz: PPT).

 

Rz. 505

[Autor/Stand] Hintergrund. Der PPT hat im deutschen Recht keine eigene Tradition und ist daher mit der Einfügung des § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG eine echte Neuerung – mit hoher Praxisrelevanz. § 50d Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 EStG i.d.F. BeitrRLUmsG enthielt zwar die Möglichkeit des Nachweises wirtschaftlicher oder sonst beachtlicher Gründe, verkörperte damit aber keinen (echten) PPT. Nur § 50g Abs. 4 EStG a.F. enthielt in Umsetzung der ZLR einen PPT, hatte aber auch keinen von der ZLR abweichenden Inhalt und neben § 50d Abs. 3 EStG nur geringe praktische Bedeutung. Daneben ist kürzlich (auch auf unionsrechtlicher Grundlage) in § 138d Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 Buchst. a AO eine Art PPT (auch "main benefit test" genannt: "Hauptvorteil oder einer der Hauptvorteile") eingefügt worden. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass der PPT – als feststehendes (Rechts-)Institut – bereits seit längerer Zeit im Unionsrecht, im DBA-Recht als auch im nationalen Recht anderer Staaten (insb. UK) enthalten ist. Auf die dort gefundenen Auslegungserkenntnisse kann daher als Erkenntnisquelle – vorbehaltlich einer Übertragbarkeit auf § 50d Abs. 3 EStG im Detail – interpretationsleitend zurückgegriffen werden (vgl. Rz. 611). Der PPT in § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG soll nach dem Willen des Gesetzgebers die Rechtsprechung des EuGH, Art. 6 ATAD als auch die Ergebnisse des Aktionspunkts 6 des BEPS-Aktionsberichts der OECD (umgesetzt in Art. 29 OECD-MA 2017 und Art. 7 MLI) umsetzen. Bereits aufgrund historischer Auslegung ist auf diese Erkenntnisquellen für die Auslegung des § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG maßgeblich zurückzugreifen. Ergänzend können die übrigen oben genannten Erkenntnisquellen interpretationsleitend berücksichtigt werden. § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG liegt damit (auch nach Vorstellung des Gesetzgebers) grundsätzlich kein originäres, sondern ein abgeleitetes (derivatives) Begriffsverständnis zugrunde.

 

Rz. 506

[Autor/Stand]"Bestehen des PPT". Der PPT ist "bestanden" (d.h. die Voraussetzungen liegen vor), wenn die Körperschaft nachweist, dass keiner der Hauptzwecke ihrer Einschaltung die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist. Das bedeutet praktisch, dass in einem ersten Schritt alle Hauptzwecke für die Einschaltung der Körperschaft darzulegen sind und in einem zweiten Schritt nachzuweisen ist, dass alle diese Hauptzwecke nicht die Erlangung eines steuerlichen Vorteils zum Inhalt haben (vgl. Rz. 519 f.). Aus unionsrechtlichen Gründen ausreichend ist aber schon der Nachweis (vernünftiger) wirtschaftlicher Gründe (vgl. Rz. 521, 563 ff.). Der PPT kann aber auch vereinfacht dadurch bestanden werden, dass die Körperschaft nachweist, dass objektiv kein steuerlicher Vorteil vorliegt (vgl. Rz. 537) oder dieser nicht durch die Einschaltung der Körperschaft erzielt wurde (vgl. Rz. 531).

 

Rz. 507

[Autor/Stand] Umgekehrter PPT (Unionsrecht). § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG ist als "umgekehrter PPT" ausgestaltet. Umgekehrt deshalb, weil der PPT nicht – wie üblich[5] – der Begründung eines Missbrauchsvorwurfs durch die FinVerw, sondern dessen Widerlegung durch den Steuerpflichtigen dient. Der Missbrauchsvorwurf soll nach der gesetzlichen Konzeption bereits durch die Missbrauchsvermutung des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG vollständig begründet werden. Liegen die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG vor, wird der Entlastungsanspruch versagt. Der PPT des § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG dient lediglich der (optionalen) Widerlegung dieser Vermutung durch den Steuerpflichtigen. Die FinVerw trifft nur die objektive Beweislast (Feststellungslast) dafür, dass die Tatbestandsvoraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG vorliegen (vgl. Rz. 628). Sie muss hingegen nach der Gesetzeskonzeption nicht nachweisen, dass keiner der Hauptzwecke der Einschaltung der Körperschaft die Erlangung eines steuerlichen Vorteils ist (vgl. Rz. 515 ff., zur Vereinbarkeit mit Unionsrecht s. Rz. 524).

 

Rz. 508

[Autor/Stand] Verhältnis zu Satz 1. Der PPT dient der Widerlegung der Missbrauchsvermutung des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG und knüpft daher an dessen Rechtsfolgen an. Der PPT muss demzufolge nur geführt werden, wenn sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des Satzes 1 erfüllt sind, die in ihrer Gesamtheit die Rechtsfolge des Satzes 1 (Versagung des Entlastungsanspruchs) auslösen. Will der Steuerpflichtige hingegen bestreiten, dass bereits die Tatbestandsvoraussetzungen des Satzes 1 – die im Einzelnen auch deutliche Auslegungs- und Wertungsspielr...

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