Rz. 627

[Autor/Stand] Subjektive Beweislast (Beweisführungslast). Sie betrifft die Obliegenheit eines Beteiligten, zur Meidung eines Prozessverlustes durch eigene Tätigkeit den Beweis einer streitigen Tatsache zu führen. Aufgrund des Untersuchungsgrundsatzes gibt es im Finanzverwaltungs- und Finanzgerichtsverfahren grundsätzlich keine subjektive Beweislast (Beweisführungslast). Allerdings kann der Gesetzgeber bestimmte Beweisführungs- bzw. Nachweispflichten normieren; dadurch wird der Untersuchungsgrundsatz ausnahmsweise durchbrochen:[2] Erbringt der Nachweispflichtige dann nicht den erforderlichen Nachweis, gilt das nachzuweisende als unerwiesen und die Finanzbehörde hat den Sachverhalt insoweit nicht von Amts wegen zu ermitteln. Wird im materiellen Recht ein besonderes Nachweiserfordernis normiert, so handelt es sich dabei um eine materielle Tatbestandsvoraussetzung: Wird der Nachweis nicht erbracht, so fehlt es schlicht an den für eine steuermindernde Rechtsfolge erforderlichen Tatbestandsmerkmalen der betreffenden Norm.[3] Darüber hinaus soll durch die Anordnung einer Nachweispflicht auch eine Schätzung nach § 162 AO ausscheiden.[4] Eine solche "echte" subjektive Beweislast (Beweisführungslast) bzw. Nachweispflicht ist in § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG (PPT) geregelt (nicht aber in Alt. 2, vgl. Rz. 516 f.).

 

Rz. 628

[Autor/Stand] Objektive Beweislast (Feststellungslast). Sie betrifft die Frage, zu wessen Lasten – nach Ausschöpfung der von Amts wegen einzuleitenden Aufklärungsmöglichkeiten (vgl. Rz. 626) – die Nichtaufklärbarkeit einer streitigen Tatsache geht. Nach allgemeinen Grundsätzen trägt im Finanzverwaltungs- und Finanzgerichtsverfahren die Finanzbehörde die Feststellungslast für steuerbegründende bzw. -erhöhende Tatsachen. Der Steuerpflichtige trägt hingegen die Feststellungslast für steuerentlastende bzw. -mindernde Tatsachen.[6] Die Beurteilung als steuerbegründende oder steuerentlastende Tatsache hat nicht allgemein (pauschal), sondern in jedem konkreten Einzelfall zu erfolgen[7]: Wer sich in einem Verfahren zur Ableitung bestimmter, für ihn günstiger Rechtsfolgen auf ein Tatbestandsmerkmal beruft, trägt hierfür die Feststellungslast. Zu beachten ist aber, dass eine Sachaufklärung mit Überzeugungsbildung und eine an der Sphärenverantwortung orientierte Beweismaßreduzierung (insb. bei Verletzung von Mitwirkungspflichten, vgl. Rz. 633) Vorrang vor einer Beweislastentscheidung hat.[8] Im typisierten Rahmen des Freistellungs- und Erstattungsverfahrens (vgl. Rz. 613 ff.) lässt sich aber für die Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG gleichwohl eine gewisse Generalisierung vornehmen:

  • Die Körperschaft (Steuerpflichtiger) trägt die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen für den Entlastungsanspruch vorliegen (z.B. § 43b EStG, DBA).
  • Die Finanzbehörde trägt die Feststellungslast dafür, dass die Voraussetzungen des § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG vorliegen.[9] Das mag sich nicht eindeutig aus dem einfachen Recht ergeben, weil man § 50d Abs. 3 Satz 1 EStG einerseits als (wieder) steuerbegründende Ausnahme, andererseits aber auch als zu den steuermindernden Voraussetzungen des Entlastungsanspruchs hinzutretende Voraussetzungen einordnen kann.[10] Aus unionsrechtlichen Gründen trägt die Finanzbehörde aber die objektive Beweislast: Der Rechtsprechung des EuGH ist klar zu entnehmen, dass die Finanzbehörde, will sie einen Entlastungsanspruch wegen Rechtsmissbrauchs versagen, nachzuweisen hat, dass die Tatbestandsmerkmale des Rechtsmissbrauchs erfüllt sind (vgl. Vor § 50d Abs. 3 EStG Rz. 40 ff.).[11] Diese aus dem allgemeinen Rechtsgrundsatz des Missbrauchsverbots abzuleitende Wertung ist im Rahmen unionsrechtskonformer Auslegung und Anwendung des § 50d Abs. 3 EStG zu beachten. Von diesen Grundsätzen geht schließlich offenbar auch die Gesetzesbegründung aus.[12]
  • Infolge der subjektiven Beweislast (Beweisführungslast) des Steuerpflichtigen hinsichtlich des Gegenbeweises (PPT) in § 50d Abs. 3 Satz 2 Alt. 1 EStG trägt dieser insoweit auch die Feststellungslast.
  • Hinsichtlich der Voraussetzungen der Börsenklausel (Satz 2 Alt. 2) besteht zwar keine subjektive Beweislast (Beweisführungslast) des Steuerpflichtigen, weil sich das Nachweiserfordernis nur auf den PPT (Satz 2 Alt. 1) bezieht (vgl. Rz. 516). Der Steuerpflichtige trägt aber die objektive Beweislast (Feststellungslast) für das Vorliegen der Voraussetzungen der Börsenklausel, da diese die Anwendung des Satzes 1 ausschließt und damit steuermindern wirkt. Weil sich die Umstände der Börsennotierung grundsätzlich anhand öffentlich zugänglicher Daten ermitteln lassen, dürfte hier eine Beweislastentscheidung in der Regel nicht zu treffen sein.
[Autor/Stand] Autor: Schönfeld/Erdem, Stand: 01.03.2022
[2] Seer in Tipke/Kruse, § 96 FGO Rz. 82 (Stand: August 2018); Krüger, DStZ 2017, 761 (765).
[3] Vgl. BFH v. 26.11.2001 – V B 88/00, BFH/NV 2002, 551 Rz. 13, Seer in Tipke/Kruse, § 96 FGO Rz. 82 (Stand: August 2018).

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