Gesetzestext

 

Der Gesamtschuldner und der Bürge können die Forderung, die sie durch eine Befriedigung des Gläubigers künftig gegen den Schuldner erwerben könnten, im Insolvenzverfahren nur dann geltend machen, wenn der Gläubiger seine Forderung nicht geltend macht.

1. Systematik und Regelungszweck

 

Rn 1

§ 43 enthält Regelungen zur Teilnahme eines Gläubigers im Insolvenzverfahren, wenn neben dem Hauptschuldner mithaftende Dritte vorhanden sind. § 44 regelt dagegen die Teilnahme des mithaftenden Gesamtschuldners oder Bürgen. Der Anwendungsbereich ist daher in allen Fällen eröffnet, in denen auch § 43 gilt. Wenn der mithaftende Dritte (im Folgenden: "Regressgläubiger") den Gläubiger (im Folgenden: "Hauptgläubiger") befriedigt, erhält er im Innenverhältnis zivilrechtlich (§§ 670, 426 Abs. 1 Satz 1 BGB) einen Ausgleichsanspruch, mit dem er beim Hauptschuldner Regress nehmen kann. In dieser Höhe geht die ursprüngliche Forderung mit allen Sicherheiten auf den Leistenden über (§§ 426 Abs. 2 Satz 1, 774 Abs. 1 Satz 1 BGB). Zweck des § 44 ist die Vermeidung einer Doppelbelastung der Masse mit zwei wirtschaftlich identischen Forderungen. Diese Mehrfachbelastung kann entstehen, wenn die auf den Regressgläubiger übergegangene Forderung neben der Forderung des Hauptgläubigers, die wegen § 43 weiterhin in voller Höhe am Verfahren teilnimmt, im Insolvenzverfahren angemeldet wird. Die Forderung des Hauptgläubigers genießt nach der gesetzgeberischen Wertung des § 44 Vorrang vor der des Regressgläubigers.[1] § 44 stellt insoweit eine Ausnahme vom Grundsatz der Möglichkeit der Anmeldung bedingter Ansprüche dar.

[1] Begr. RegE InsO, BT-Drs. 12/2443, S. 124; Zeising, WM 2010, 2204 (2208); Holzer, NZI 2007, 432 (433).

2. Voraussetzungen

2.1 Erfasste Regressforderungen

 

Rn 2

§ 44 erfasst alle Forderungen, die dem leistenden Gesamtschuldner oder Bürgen bzw. Rückbürgen[2] gegen den Schuldner aus der Befriedigung des Hauptgläubigers zustehen können. Dem gleichgestellt sind – wie bei § 43 – Sachmithaftungen im Sinne des § 1143 BGB und § 1225 BGB sowie Befreiungsansprüche eines vom Hauptschuldner beauftragten Bürgen.[3] § 44 gilt entsprechend bei zusätzlichen Sicherheiten (z. B. abstraktes Schuldanerkenntnis) des Hauptschuldners.[4]

 

Rn 3

Auf den Rechtsgrund der Forderung kommt es nicht an. Erfasst werden sowohl Ausgleichsansprüche nach den vertraglichen Regelungen des Innenverhältnisses als auch aufgrund der in § 426 Abs. 2 bzw. § 774 BGB normierten cessio legis übergegangenen Ansprüche und Sicherheiten. Diese Ansprüche sind dem Grunde nach bereits mit Abschluss des die Mithaftung begründenden Vertrages aufschiebend bedingt entstanden.[5]

 

Rn 4

Nicht erfasst sind etwaige dem Regressgläubiger dienenden Sicherheiten. Hat dieser sich daher für seinen Regressanspruch z. B. ein Pfandrecht an einem Gegenstand des Schuldners einräumen lassen, kann er aus diesem Recht gegenüber der Masse Ansprüche verfolgen, ohne dass § 44 entgegensteht.[6] Die Möglichkeit der Aufrechnung ist anders als im alten Recht zur KO, wo diese generell zugelassen wurde,[7] durch die Neuregelung in § 95 Abs. 1 Satz 3 nur noch dann zulässig, wenn der Regressgläubiger seine Forderung durch Befriedigung des Hauptgläubigers vor der unbedingten Fälligkeit des Schuldneranspruchs erworben hat.[8]

[2] Auch Rückbürgen sind von § 44 erfasst, vgl. HK-Keller, § 44 Rn. 3.
[3] BGH ZIP 1984, 1506 (1507) [BGH 11.10.1984 - IX ZR 80/83].
[4] Schwarz/Doms, ZInsO 2013, 1943 (1944).
[5] Uhlenbruck-Knof, § 44 Rn. 4.
[6] RGZ 85, 53 (57); FK-Bornemann, § 44 Rn. 3.
[7] Kübler/Prütting/Bork-Holzer, § 44 Rn. 4.
[8] MünchKomm-Bitter, § 44 Rn. 32; Uhlenbruck-Knof, § 44 Rn. 13.

2.2 Zeitpunkt der Regressleistung

 

Rn 5

§ 44 regelt den Fall, dass der Regressgläubiger eine Forderung erst künftig gegen den Schuldner erwirbt, d. h. zum Zeitpunkt der Verfahrenseröffnung an den Hauptgläubiger noch nicht – auch nicht teilweise – geleistet hat. Wird nun künftig – also nach Eröffnung des Verfahrens – geleistet, so geht der Anspruch auf den Regressgläubiger über, der aufschiebend bedingt durch die Zahlung bereits im Moment des Abschlusses des Bürgschaftsvertrags (oder sonstigen Ausgleichverhältnisses) und damit vor der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet war.[9] Es liegt keine Masseverbindlichkeit, sondern eine Insolvenzforderung vor.[10] Damit gilt auch für die sich erst nach Verfahrenseröffnung realisierende Regressforderung das Verbot der Einzelzwangsvollstreckung, § 89.[11] § 44 steht nicht der Einordnung als Insolvenzforderung, sondern lediglich der Geltendmachung im Insolvenzverfahren entgegen.[12]

 

Rn 6

Der Regressgläubiger ist wegen der Gefahr einer späteren Inanspruchnahme zur Anmeldung seiner (künftigen) Regressforderung auch schon vor Befriedigung des Gläubigers berechtigt. Es liegt dann eine aufschiebend bedingte Forderung vor, die gleichwohl – wie sich aus § 191 ergibt – am Verfahren teilnimmt (§ 42 Rn. 9). Sogar ein Befreiungs- bzw. Mitwirkungsanspruch kann angemeldet werden, wobei hier ggf. eine Umrechnung nach § 45 Satz 1 zu erfolgen hat.[13]

[9] Noack/Bunke, FS-Uhlenbruck, S. 335 (354).
[10] MünchKomm-Bitter, § 44 Rn. 16 m. w. N.
[11] K...

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