Entscheidungsstichwort (Thema)

Klagerecht des FA-Vorstehers

 

Leitsatz (amtlich)

1. Hat der Vorsteher des FA vor Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 gegen eine

Einspruchsentscheidung des Steuerausschusses eine zulässige Berufung eingelegt, so ist dieser Rechtsbehelf nicht deshalb unzulässig geworden, weil die FGO eine Klagebefugnis des Vorstehers des FA gegen Einspruchsentscheidungen nicht mehr vorsieht. Das gilt auch dann, wenn die Einspruchsentscheidung dem Steuerpflichtigen nach dem 1. Januar 1966 bekanntgegeben wurde.

2. Ein an einer inzwischen aufgelösten atypischen stillen Gesellschaft beteiligt gewesener Mitunternehmer ist durch einen, die frühere Mitunternehmerschaft betreffenden Feststellungsbescheid insoweit nicht beschwert, als nur die Höhe der gegen einen anderen Mitunternehmer festgestellten Entnahmen streitig ist und dieser Streit den ihn betreffenden Teil des Gewinnfeststellungsbescheids nicht berührt.

3. Scheidet ein atypischer stiller Gesellschafter aus der Mitunternehmerschaft aus und läßt er einen Teil seines Kapitals als privates Darlehen im Betrieb stehen, so liegt insoweit eine Entnahme im Sinne des § 10a EStG vor.

 

Normenkette

AO 1961 §§ 219, 231, 238-239, 246, 263; EStG §§ 10a, 14, 16, 20; FGO § 184; FVG § 24

 

Tatbestand

An der Firma P., Inhaber H.P., war die Revisionsklägerin R. (Steuerpflichtige R.) als atypische stille Gesellschafterin beteiligt. Am 4. Januar 1963 teilte ihr Steuerbevollmächtigter dem Revisionsbeklagten (Finanzamt - FA -) mit, die Steuerpflichtige R. sei zum 31. Dezember 1962 aus der Firma ausgeschieden. Mit Wirkung ab 1. Januar 1963 überließ die Steuerpflichtige R. ihre Beteiligung an der Firma P. (Festkapital in Höhe von 10.000DM und von dem als Gesellschafterdarlehen ausgewiesenen Betrag von 55.484DM einen Teilbetrag von 11.440DM) unentgeltlich ihrem Vater. Dieser führte die Firma mit dem bisherigen Gesellschafter, dem Revisionskläger H.P. (Steuerpflichtiger P.), in Form einer zum 1. Januar 1963 gegründeten OHG fort. Das Restdarlehen von 34.044DM überließ die Steuerpflichtige R. der OHG als zinsloses Darlehen. Mit diesem Darlehen ist sie aufgrund einer "Bindungs- und Rangrücktrittserklärung" im Jahre 1964 hinter einen langfristigen Kredit eines Gläubigers der OHG zurückgetreten. Die Steuerpflichtige R. hat sich dabei verpflichtet, während der Laufzeit des Kredits ohne vorherige Zustimmung des Gläubigers Rückzahlungen auf ihre Darlehnsforderung weder zu verlangen noch entgegenzunehmen und auch nicht anderweitig über ihre Ansprüche zu verfügen. Sie ist seit April 1963 Angestellte der OHG.

Bei einer im Jahre 1964 durchgeführten Betriebsprüfung gelangte das FA zu der Auffassung, daß die anläßlich des Ausscheidens der Steuerpflichtigen R. aus der Firma P. erfolgte Umwandlung eines Teils ihres Kapitals in ein Darlehen in Höhe von 34.044DM eine Entnahme (§ 10a EStG) darstelle. Im Rahmen einer auf § 222 Abs. 1 Nr. 1 der AO gestützten Berichtigungsfeststellung, die zu einer Erhöhung des Gewinns 1962 um 2.650DM führte, erhöhte das FA auch die ursprünglich auf 15.157DM festgestellten Entnahmen der Steuerpflichtigen R. um den Betrag von 34.044DM. Der berichtigende Feststellungsbescheid

ist an "Fa. P. u. R., Apparatebau" adressiert und wurde nur dem Steuerpflichtigen P. bekanntgegeben.

Der wegen der Erhöhung der Entnahmen für die Steuerpflichtigen P. und R. eingelegte Einspruch hatte Erfolg. Der Steuerausschuß stellte die Entnahmen wieder mit 15.157DM fest. Die am 9. Dezember 1965 beschlossene Einspruchsentscheidung des Steuerausschusses wurde am 3. Januar 1966 zugestellt. Der Vorsteher des FA legte bereits vor Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung an die Steuerpflichtigen, nämlich mit Schriftsatz vom 28. Dezember 1965, eingegangen beim Finanzgericht (FG) am 30. Dezember 1965, gegen die Entscheidung des Steuerausschusses Berufung ein.Das FG sah die Berufung des Vorstehers als zulässig an und behandelte sie nach dem Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Klage des FA. Es hob die Einspruchsentscheidung des Steuerausschusses auf und wies die Einsprüche der Steuerpflichtigen ab. Das FG führte aus:

Der Einspruch des Steuerpflichtigen P. sei unzulässig, weil P. durch die nur die Steuerpflichtige R. betreffenden Feststellungen über die Höhe der Entnahmen selbst nicht beschwert sei. Der Einspruch der Steuerpflichtigen R. sei zwar zulässig, da der berichtigende Feststellungsbescheid, wenn auch nicht gesondert zugestellt, so doch gegen sie gerichtet gewesen sei (§ 219 Abs. 1 Satz 1, § 239 Abs. 3 Satz 3 AO in der bis zum 31. Dezember 1965 geltenden Fassung - AO a.F. -). Der Der Einspruch sei aber nicht begründet. Das FA habe die Entnahmen zu Recht um den Betrag von 34.044DM erhöht. Die Überlassung des Kapitals der Steuerpflichtigen R. zum Teil an ihren Vater, zum Teil als zinsloses Darlehen an die neugegründete OHG, sei dem FA zwar schon vor Erlaß des ursprünglichen Feststellungsbescheides bekannt gewesen. Die Tatsachen, die das FA zu einer Erhöhung der Entnahmen im berichtigten Feststellungsbescheid veranlaßt hätten, seien daher nicht "neu" gewesen, sondern nur anders beurteilt worden. Dies sei aber zulässig gewesen, da anläßlich der Betriebsprüfung (andere) neue Tatsachen festgestellt worden seien, die zu einer Erhöhung des Gesamtgewinns der Gesellschaft um 2.650DM geführt hätten. Ein Mehrgewinn in dieser Höhe sei ausreichend, um die Durchführung einer berichtigenden Feststellung und dabei die Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalles zu rechtfertigen.

Das von der Steuerpflichtigen R. der Firma P. gewährte Darlehen sei in Höhe von 34.044DM als Entnahme anzusehen, da das Ausscheiden der Steuerpflichtigen R. als atypische stille Gesellschafterin eine mit einer Entnahme verbundene Willensentscheidung sei. Daran vermöge nichts zu ändern, daß die Steuerpflichtige R. den Betrag dem in eine OHG umgewandelten Unternehmen weiterhin als Darlehen überlassen habe. Denn die Darlehnsforderung sei zwangsläufig Privatvermögen geworden. Dabei könne es dahinstehen, ob die Steuerpflichtige R., wie die Steuerpflichtigen meinten, nunmehr typische stille Gesellschafterin geworden sei. Denn Darlehnsforderung und typische stille Beteiligung stünden einander insoweit gleich.

Mit ihrer Revision rügen die Steuerpflichtigen: Das FG habe die Klagebefugnis des Vorstehers des FA zu Unrecht bejaht. Da die Einspruchsentscheidung erst nach dem 31. Dezember 1965 "ergangen" (d.h. zugegangen) sei, bestimme sich die Zulässigkeit der Klage nach den seit 1. Januar 1966 geltenden Vorschriften, die eine Rechtsbehelfsbefugnis des FA gegen Einspruchsentscheidungen des Steuerausschusses nicht mehr vorsähen. Im übrigen habe das FG zu Unrecht angenommen, daß die Entnahmen der Steuerpflichtigen R. um den Betrag von 34.044DM hätten erhöht werden dürfen. Eine Gewinnänderung von 2.650DM aufgrund neuer Tatsachen, die bei der Steuerpflichtigen R. zu einer Nachforderung von nur 344DM geführt hätten, könne eine Wiederaufrollung in einem anderen Punkt, der zu einer Nachsteuer von 8.646DM führe, nicht rechtfertigen. Es läge auch keine Darlehnshingabe als Folge einer Entnahme vor; vielmehr bestehe weiterhin eine stille Beteiligung der Steuerpflichtigen R. .Die Steuerpflichtigen beantragen, das Urteil des FG aufzuheben und den zugrunde liegenden Bescheid abzuändern.

Das FA beantragt, die Revision als unbegründet zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist nicht begründet.

  1. Das FG ist zu Recht davon ausgegangen, daß die Berufung des Vorstehers des FA zulässig und nach Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 als Klage zu behandeln war.

a) Nach den bis zum Ablauf des 31. Dezember 1965 geltenden Vorschriften hatte über Einsprüche gegen Bescheide zur einheitlichen und gesonderten Gewinnfeststellung auf Antrag der Steuerausschuß beim FA zu entscheiden (§ 24 Abs. 3 des Gesetzes über die Finanzverwaltung in der Fassung des Steueränderungsgesetzes 1961 vom 13. Juli 1961 (BGBl I S. 981). Gegen die Entscheidung des Steuerausschusses konnte auch der Vorsteher des FA Berufung einlegen (§ 263 Abs. 2 AO a.F.). Die Berufung konnte eingelegt werden, sobald der Bescheid (Einspruchsentscheidung) vorlag (§ 246 Abs. 2 AO a.F.).

Diese Voraussetzung war bei einer Entscheidung des Steuerausschusses mit dem Zeitpunkt der Beschlußfassung durch Abstimmung erfüllt. Da im Streitfall der Beschluß über den Einspruch am 9. Dezember 1965 gefaßt worden ist, war die am 30. Dezember 1965 eingelegte Berufung des Vorstehers zulässig. Diese einmal eingetretene Rechtswirkung ist mit dem Inkrafttreten der FGO nicht entfallen. Es kann nicht davon ausgegangen werden, daß eine vor diesem Zeitpunkt nach altem Recht zulässig eingelegte Berufung des Vorstehers nachträglich unzulässig und dem FA damit der Weg abgeschnitten werden sollte, sich gegen unrechtmäßige Einspruchsentscheidungen des Steuerausschusses gerichtlich zur Wehr zu setzen. Eine so ungewöhnliche Regelung hätte - wenn der Gesetzgeber sie gewollt hätte - ausdrücklich getroffen werden müssen. Das ist nicht geschehen.

In der Vorschrift des § 184 Abs. 1 FGO kann eine solche Regelung nicht erblickt werden. Diese Vorschrift, die das Inkrafttreten der FGO am 1. Januar 1966 anordnet, bedeutet für Rechtsbehelfe, die am 1. Januar 1966 bei Gericht anhängig waren, daß sich nur das weitere Verfahren nach den Vorschriften der FGO richten sollte.Auch aus § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO kann nichts für die Ansicht hergeleitet werden, daß die einmal eingetretene Zulässigkeit des Rechtsbehelfs nachträglich wieder beseitigt werden sollte. Zwar richtet sich nach dieser Vorschrift nur die Zulässigkeit eines Rechtsbehelfs gegen eine vor Inkrafttreten der FGO ergangene Entscheidung nach den bis dahin geltenden Vorschriften. Es trifft auch zu, daß eine Entscheidung nicht schon dann ergangen ist, wenn sie beschlossen oder unterschrieben, sondern erst wenn sie verkündet oder - mangels Verkündung - zugestellt wurde (Entscheidungen des Bundesfinanzhofs - BFH - VI R 80/66 vom 15. Juli 1966, Sammlung der Entscheidungen des Bundesfinanzhofs Bd. 86 S. 543 - BFH 86, 543 -, BStBl III 1966, 595; III B 10/66 vom 23. Februar 1967, BFH 88, 109, BStBl III 1967, 293). Die Vorschrift des § 184 Abs. 2 Nr. 2 FGO regelt jedoch nur die Zulässigkeit von Rechtsbehelfen, die beim Inkrafttreten der FGO noch nicht eingelegt waren. Für die Zulässigkeit bereits früheranhängig gewordener Rechtsbehelfe bedurfte es keiner Übergangsregelung.

b) Eine Berufung, die der Vorsteher eines FA vor dem Inkrafttreten der FGO gegen eine Entscheidung des Steuerausschusses in zulässiger Weise eingelegt hat, ist nach dem Inkrafttreten der FGO als Klage zu behandeln. Der Vorsteher des FA hat in diesem Verfahren prozessual die Stellung des Klägers (BFH-Urteil III R 89/66 vom 18. April 1969, BFH 97, 87, BStBl II 1970, 2).

2. Das FG hat der Klage des FA auch zu Recht sachlich entsprochen.

a) Der Vorinstanz ist darin beizutreten, daß der Einspruch des Steuerpflichtigen P. unzulässig gewesen ist.

Da die Gesellschaft zum Zeitpunkt, als der Berichtigungsbescheid erging, nicht mehr bestanden hat, war die Beschränkung der Rechtsbehelfsbefugnis auf den Gesellschafter-Geschäftsführer (§ 239 Abs. 1 Nr. 3 AO a.F.) entfallen (BFH-Urteil I 171/57 U vom 1. April 1958, BFH 67, 35, BStBl III 1958, 285; ebenso für § 48 FGO BFH-Urteil III R 37/68 vom 22. November 1968, BFH 94, 523, BStBl II 1969, 260). Für die Zulässigkeit des Einspruchs gelten daher die allgemeinen Vorschriften. Danach war gegen den Steuerpflichtigen P. zwar ein Bescheid ergangen (§ 238 AO a.F.). Er konnte den Feststellungsbescheid indes nur unter der Voraussetzung anfechten, daß er sich durch ihn beschwert fühlte (§ 231 Abs. 1 AO a.F.). Zwar wird über die Höhe der Entnahme im Rahmen der einheitlichen Gewinnfeststellung entschieden (BFH-Urteile IV 442/54 U vom 9. Dezember 1955, BFH 62, 180, BStBl III 1956, 67; I 299/55 U vom 29. Mai 1956, BFH 62, 504, BStBl III 1956, 188). Indes ist nicht jeder (frühere) Gesellschafter durch die Entscheidung aller, die einheitliche Gewinnfeststellung betreffenden Fragen beschwert. Im Streitfall konnte sich der Steuerpflichtige P. nicht beschwert fühlen, da die Erhöhung der Entnahmen bei der Steuerpflichtigen R. den ihn betreffenden Teil des Gewinnfeststellungsbescheids nicht berührt hat.

b) Dagegen hat das FG den Einspruch der Steuerpflichtigen R. zu Recht als zulässig angesehen. Zwar hätte - da die atypische stille Gesellschaft bei Erlaß des Berichtigungsbescheids nicht mehr bestanden hat - der Bescheid, um wirksam zu werden, beiden früheren Gesellschaftern bekanntgemacht werden müssen. Die vereinfachte Bekanntgabe nach § 219 Abs. 1 Sätze 2 und 3 AO an einen der Gesellschafter ist in einem solchen Fall nicht zulässig (BFH-Urteile IV 429, 430/61 vom 5. Dezember 1963, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung 1964 S. 170 - HFR 1964 - 170 -; IV 433/61 vom 17. Dezember 1964, HFR 1965, 284; III R 37/68, a.a.O.). Daß die Bekanntgabe an die Steuerpflichtige R. unterblieben war, schließt aber ihr Recht, gleichwohl Einspruch einzulegen, nicht aus. Befugt, ein "Rechtsmittel" einzulegen, war nach den vor dem 1. Januar 1966 geltenden Vorschriften jeder, gegen den der Bescheid ergangen war (§ 238 AO), wobei es genügte, daß der Bescheid vorgelegen hatte (§ 246 Abs. 2 AO). Im Streitfall lag ein Bescheid gegen die Steuerpflichtige R. vor; denn der unter der Bezeichnung der Firma P. auf beide frühere Gesellschafter lautende Feststellungsbescheid war, wenn auch noch nicht bekanntgegeben, so doch schriftlich niedergelegt und vom zuständigen Beamten abschließend gezeichnet (vgl. BFH-Urteil IV 274/62 vom 6. Juli 1967, BFH 89, 460, BStBl III 1967, 682).

3. Das FG hat den Einspruch der Steuerpflichtigen R. zu Recht als unbegründet angesehen.

a) Es ist zwischen den Beteiligten unstreitig, daß das FA anläßlich der Betriebsprüfung neue Tatsachen festgestellt hat, die die Feststellung eines um rd. 2.600DM höheren Gewinns rechtfertigen. Hierin liegen neue Tatsachen von einigem Gewicht, die nach ständiger Rechtsprechung des BFH eine Wiederaufrollung des gesamten Steuerfalls zulassen (vgl. BFH-Urteil V 149/64 vom 30. Januar 1969, BFH 95, 236, BStBl II 1969, 409). Die Gewichtigkeit neuer Tatsachen, die die Berichtigung einer einheitlichen Gewinnfeststellung nach § 222 Abs. 1 Nr. 1 AO rechtfertigen, hängt von dem auf ihnen beruhenden Mehrgewinn unter Berücksichtigung der Umstände des Einzelfalles ab (vgl. BFH-Urteil IV 397/62 S vom 17. Dezember 1964, BFH 81, 569, BStBl III 1965, 205). Selbst wenn man im Streitfall die Auswirkungen auf den einzelnen Gesellschafter abstellt, so ist eine Gewinnerhöhung von jeweils rd. 1.300DM nach absolutem Maßstab hoch genug, um eine Berichtigungsfeststellung zu rechtfertigen (vgl. den ähnlich gelagerten Fall im BFH-Urteil IV 397/62 S, a.a.O.). Ist die Berichtigungsfeststellung aber zulässig, so kommt es nicht mehr darauf an, ob die durch die neuen Tatsachen ausgelösten und die durch die Wiederaufrollung entstehenden steuerlichen Auswirkungen mehr oder weniger stark voneinander abweichen (vgl. BFH-Urteil V R 82/66 vom 5. März 1970, BFH 99, 164, BStBl II 1970, 586).

b) Auch die Auffassung des FG, daß in Höhe des Betrags von 34.044DM eine Entnahme der Steuerpflichtigen R. vorliege, ist nicht zu beanstanden. Scheidet ein Gesellschafter aus einer Personengesellschaft aus, so ist eine Entnahme insoweit anzunehmen, als das bisherige Kapital des Ausscheidenden als privates Darlehen im Betrieb stehen bleibt (BFH-Urteil IV 158/54 U vom 15. September 1955, BFH 61, 376, BStBl III 1955, 345; Herrmann-Heuer, Kommentar zur Einkommensteuer und Körperschaftsteuer, § 10a EStG, Anm. 15a). Daß dem Betrieb in diesem Fall keine baren Mittel entzogen werden, steht einer Entnahme nicht entgegen (vgl. auch BFH-Urteil VI 48/63 vom 31. Juli 1964, HFR 1965, 15). Die Entnahme besteht darin, daß das Betriebsvermögen des ausscheidenden Mitunternehmers gemindert und sein Privatvermögen um eine Kapitalforderung erhöht wird. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, daß die Steuerpflichtige R. zunächst atypische stille Gesellschafterin und daher Mitunternehmerin der Firma P. gewesen ist. Das Darlehen gehörte daher zum gewerblichen Betriebsvermögen (§ 15 Nr. 2 EStG). Das FG hat weiter ohne Rechtsverstoß festgestellt, daß die Steuerpflichtige R. am 31. Dezember 1962 als Mitunternehmerin ausgeschieden ist. Das FG hat dies aus dem Schreiben des Steuerbevollmächtigten vom 4. Januar 1968 sowie aus der Übertragung der Beteiligung auf den Vater zutreffend geschlossen. Die Steuerpflichtige R. war über den 31. Dezember 1962 hinaus weder am Gewinn des Unternehmens noch an den stillen Reserven beteiligt. Sie trug daher kein die Mitunternehmerschaft kennzeichnendes Unternehmerrisiko mehr (vgl. über den Begriff der Mitunternehmerschaft BFH-Urteil IV 294/64 vom 9. Oktober 1969, BFH 98, 21, BStBl II 1970, 320). Daß die Steuerpflichtige R. im Laufe des Veranlagungszeitraums 1963 in ein Angestelltenverhältnis zur OHG getreten ist und im Jahre 1964 eine "Bindungs- und Rangrücktrittserklärung" zugunsten eines Gläubigers der OHG abgegeben hat, wertete das FG zu Recht nicht als Umstände, aus denen sich eine Mitunternehmerstellung der Steuerpflichtigen R. über den 31. Dezember 1962 hinaus herleiten ließe.Ob die Steuerpflichtige R. nach ihrem Ausscheiden wenigstens echte stille Gesellschafterin geblieben ist - wogegen schon ihr Ausschluß aus der Gewinnbeteiligung entscheidend spricht (vgl. § 336 Abs. 2 Halbsatz 2 HGB) - kann dahinstehen. Auch bei Annahme einer echten stillen Gesellschaft wäre die Darlehnsforderung am 31. Dezember 1962 in das Privatvermögen der Steuerpflichtigen R. übergegangen.

Der echte stille Gesellschafter ist nicht Mitunternehmer (vgl. z.B. Herrmann-Heuer, a.a.O., § 15 EStG Anm. 31). Seine Beteiligung steht für die hier zu entscheidende Frage der Darlehensforderung gleich (§ 20 Abs. 1 Nr. 2 EStG).4. Das FG hat danach der Klage des FA zu Recht in der Weise entsprochen, daß es die Einspruchsentscheidung des Steuerausschusses aufgehoben, den Einspruch des Steuerpflichtigen P. als unzulässig und den Einspruch der Steuerpflichtigen R. als unbegründet abgewiesen hat. Damit hat das FG nicht gegen das Verbot der Verböserung verstoßen. Dieses wäre nur dann verletzt, wenn das FG einen höheren Betrag festgestellt hätte, als er dem angefochtenen Berichtigungsbescheid zugrunde gelegen hat (BFH-Urteil III R 89/66, a.a.O.).

 

Fundstellen

BFHE 104, 328

BFHE 1972, 328

BB 1972, 478

DStR 1972, 244 Nr. 175

HFR 1972, 295

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