Zurechnung eines Grundstücks zum Vermögen einer Gesellschaft

Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.

Hintergrund: Zugehörigkeit zum Vermögen einer Gesellschaft

Gehört zum Vermögen einer Gesellschaft ein inländisches Grundstück, so unterliegt der Steuer, soweit eine Besteuerung nach § 1 Abs. 2a (heute auch Abs. 2b) GrEStG nicht in Betracht kommt, u.a. ein Rechtsgeschäft, das den Anspruch auf Übertragung unmittelbar oder mittelbar von mindestens 95 % (heute 90 %) der Anteile der Gesellschaft begründet (§ 1 Abs. 3 Nr. 3 GrEStG).

Ob ein Grundstück i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG zum Vermögen der Gesellschaft "gehört", richtet sich weder nach dem Zivilrecht noch nach § 39 AO. Maßgebend ist vielmehr die grunderwerbsteuerrechtliche Zurechnung (vgl. BFH-Urteile v. 11.12.2014, II R 26/12, BStBl II 2015, S. 402, Rz. 18, und v. 1.12.2021, II R 44/18, BFHE 275, S. 373, Rz. 22).

Sachverhalt: Zurechnung von Grundstücken nach Abschluss einer Vereinbarungstreuhand

Die Klägerin, eine GmbH, erwarb durch Kaufvereinbarung vom 19.4.2004 von der MG 100 % der Anteile an der DN. Die DN war teils mittelbar, teils unmittelbar zu insgesamt 100 % an drei GmbHs beteiligt, die Eigentümer inländischen Grundbesitzes in verschiedenen Bundesländern und Finanzamtsbezirken waren.

Mit Treuhandverträgen vom 20.12.2002 hatte die MG mit den GmbHs jeweils eine Vereinbarungstreuhand begründet. Danach hielten die GmbHs als Treuhänder mit Wirkung ab dem 31.12.2002 einen erheblichen Teil der zu ihrem bisherigen Geschäftsbetrieb gehörenden Vermögensgegenstände einschließlich Grundbesitz, jedoch ohne Beteiligungen, für Rechnung und Gefahr der MG als Treugeber.

Parallel zur Kaufvereinbarung vom 19.4.2004 übertrug MG sämtliche Rechte und Pflichten aus den Treuhandverträgen auf Tochtergesellschaften der Klägerin. Auch für diese Übertragungen wurde ‑ ebenso wie bereits zuvor für die Treuhandvereinbarungen vom 20.12.2002 ‑ Grunderwerbsteuer nach § 1 Abs. 2 GrEStG festgesetzt.

Mit Bescheid vom 4.12.2009 stellte das seinerzeit zuständige Finanzamt die Besteuerungsgrundlagen für den unmittelbaren Erwerb der Anteile an der DN aufgrund Kaufvereinbarung vom 19.4.2004 gesondert fest. Neben den im Eigentum der drei GmbHs befindlichen Grundstücken erfasste der Bescheid ein im Eigentum einer Tochtergesellschaft einer der GmbHs stehendes Gebäude in Z. Der Feststellungsbescheid wurde am 17.12.2009 aus im Revisionsverfahren nicht streitigen Gründen geändert. Der gegen den Bescheid vom 4.12.2009 in Gestalt des Änderungsbescheids vom 17.12.2009 eingelegte Einspruch wurde durch Einspruchsentscheidung vom 07.10.2011 zurückgewiesen.

Im Klageverfahren vor dem Finanzgericht (FG) beantragte die Klägerin sinngemäß, die Bescheide dahingehend zu ändern, dass die Feststellungen nur in Bezug auf das Gebäude in Z verbleiben und im Übrigen aufgehoben werden.

Stattgabe der Klage

Das FG gab der Klage in der so formulierten Weise statt.

Entscheidung: Revision des FA war erfolgreich

Der BFH hält die Revision des FA für begründet. Er hat das FG-Urteil aufgehoben, u.a. mit folgenden Hinweisen:

  • Die Vorentscheidung war bereits aus verfahrensrechtlichen Gründen aufzuheben. Das FG durfte den angefochtenen Feststellungsbescheid nicht nach § 100 Abs. 2 FGO ändern. Hat das FA in einem Feststellungsbescheid nach § 17 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 GrEStG Feststellungen zu mehreren Grundstücken getroffen, von denen eines oder mehrere nicht in die Feststellungen hätten einbezogen werden dürfen, ist der Bescheid insgesamt rechtswidrig und deshalb aufzuheben. Eine bloße Änderung oder nur teilweise Aufhebung des Feststellungsbescheids ist nicht möglich.
  • Im Ergebnis zu Recht ist das FG davon ausgegangen, dass die Grundstücke am 19.4.2004 der DN nicht mehr i.S. des § 1 Abs. 3 GrEStG "gehörten". Entgegen der Auffassung des FG konnte der Fehler des FA in dem angegriffenen Bescheid aber nicht durch dessen Änderung behoben werden.
  • Ein inländisches Grundstück ist einer Gesellschaft im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für den nach § 1 Abs. 3 GrEStG der Grunderwerbsteuer unterliegenden Rechtsvorgang zuzurechnen, wenn sie zuvor in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat. Für Zwecke des § 1 Abs. 3 GrEStG ist es ihr nicht mehr zuzurechnen, wenn ein Dritter in Bezug auf dieses Grundstück einen unter § 1 Abs. 1 GrEStG (und die Verwertungsbefugnis einschließenden) oder einen unter § 1 Abs. 2 GrEStG fallenden Erwerbsvorgang verwirklicht hat.
  • Die über das Urteil des FG hinausgehende vollständige Bescheidaufhebung ist zulässig, obwohl nur das FA gegen das Urteil des FG Revision eingelegt hatte. Grundsätzlich gilt auch im Revisionsverfahren das Verböserungsverbot nach § 121 Satz 1 i.V.m. § 96 Abs. 1 Satz 2 FGO, durch welches der BFH die Rechtsposition des Revisionsklägers im Vergleich zum angefochtenen Urteil nicht verschlechtern darf, wenn kein anderer Beteiligter Revision eingelegt Im Streitfall hingegen ist die Verböserung eine unvermeidbare Folge der Aufhebung des angefochtenen Urteils wegen des Fehlens einer Änderungsbefugnis des FG nach § 100 Abs. 2 FGO und der erneuten Entscheidung über den Klageantrag (vgl. BFH-Urteil vom 6.3.1990 - II R 63/87, BFHE 159, 555, BStBl II 1990, 504, unter 2.).

BFH Urteil vom 14.12.2022 - II R 40/20 (veröffentlicht am 30.03.2023)

Alle am 30.03.2023 veröffentlichten BFH-Entscheidungen

Schlagworte zum Thema:  Grunderwerbsteuer, Treuhand, Gesellschafter