Entscheidungsstichwort (Thema)

Kostenverteilung in Schätzungsverfahren bei nachgereichten Steuererklärungen

 

Leitsatz (NV)

Ändert das Finanzamt Schätzungsbescheide nach Einreichung der Steuererklärungen, nachdem der Steuerpflichtige Klage vor dem FG erhoben hat, so sind die Verfahrenskosten regelmäßig dem Kläger aufzuerlegen. Hat sich die Schätzung allerdings nicht in vertretbaren Grenzen gehalten, fallen die Kosten insoweit dem Finanzamt zur Last.

 

Normenkette

FGO § 137 S. 2, § 138 Abs. 2 S. 1

 

Tatbestand

Das seinerzeit für die Besteuerung der Klägerin und Revisionsklägerin (Klägerin) zuständige Finanzamt hat die Besteuerungsgrundlagen für die Streitjahre 1989 und 1990 wegen fehlender Steuererklärungen geschätzt. Dabei blieb es auch im Einspruchsverfahren, obwohl die Klägerin zwischenzeitlich Gewinn- und Verlustrechnungen für die Streitjahre vorgelegt hatte. Nachdem von ihr im anschließenden Klageverfahren auch Steuererklärungen eingereicht worden waren, beantragte die Klägerin -- erstens -- Aufhebung der angefochtenen Bescheide und -- zweitens -- "eine Veranlagung im Sinne der eingereichten Steuererklärungen gutzuheißen".

Das Finanzgericht (FG) gab dem Klageantrag zu 1. statt, weil der Beklagte und Revisionsbeklagte (das Finanzamt -- FA --) die Besteuerungsgrundlagen ihrer Höhe nach willkürlich und nicht nachvollziehbar geschätzt habe. Der -- vom FG als Verpflichtungsantrag verstandene -- Klageantrag zu 2. blieb hingegen ohne Erfolg. Die Gründe des FG-Urteils sind in Entscheidungen der Finanzgerichte 1996, 571 wiedergegeben. Das FG hat die Kosten des Klageverfahrens gegeneinander aufgehoben.

Nach Erhebung und Begründung der -- vom erkennenden Senat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen -- Revision durch die Klägerin hat das FA die angefochtenen Steuerbescheide erklärungsgemäß geändert. Die Beteiligten haben den Rechtsstreit daraufhin übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Sie streiten nunmehr über die Kosten.

Die Klägerin beantragt, die Kosten des Rechtsstreits dem FA aufzuerlegen und die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig zu erklären.

Das FA beantragt unter Hinweis auf § 137 der Finanzgerichtsordnung (FGO), die Kosten des Rechtsstreits der Klägerin aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

1. Der Rechtsstreit ist infolge der übereinstimmenden Erklärungen der Beteiligten in der Hauptsache erledigt. Die Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache kann auch in der Revisionsinstanz erklärt werden. Durch diese Erledigungserklärungen ist das angefochtene Urteil einschließlich der darin enthaltenen Kostenentscheidung gegenstandslos geworden. Der Senat hat nunmehr nur noch über die Kosten des gesamten Verfahrens zu entscheiden.

2. Es entspricht billigem Ermessen (§ 138 Abs. 2 Satz 1 FGO), die Kosten des Klageverfahrens gegeneinander aufzuheben und die Kosten des Revisionsverfahrens dem FA aufzuerlegen (§ 137 Satz 2 FGO).

Zwar hat die Klägerin die Schätzung des FA dem Grunde nach durch ihr Verhalten verschuldet. Sie ist ihrer Mitwirkungsverpflichtung nicht rechtzeitig nachgekommen, weil sie die Steuererklärungen erst im Laufe des Klageverfahrens vor dem FG abgegeben hat. Insofern wären ihr die Kosten des Verfahrens trotz Obsiegens aufzuerlegen gewesen (§ 137 Satz 1 FGO). Dem stehen die Grundsätze des Urteils des Bundesfinanzhofs (BFH) vom 23. Oktober 1958 IV 203/57 U (BFHE 68, 25, BStBl III 1959, 10) nicht entgegen, wonach Voraussetzung für die Kostentragung des Steuerpflichtigen in Schätzungsfällen ist, daß das FA den Steuerpflichtigen zur Einreichung der Steuererklärungen auffordert und ihm die Schätzung der Besteuerungsgrundlagen androht. Die Klägerin reichte ihre Steuererklärungen für die Streitjahre erst beim FG ein, nicht aber -- wie in der vorgenannten Entscheidung -- noch im Einspruchsverfahren.

Andererseits ist das FG davon ausgegangen, daß die gegen die Schätzung des FA erhobenen Einwände der Klägerin berechtigt gewesen sind. Die Schätzung war danach auch dann auf ein vertretbares Maß herabzusetzen, wenn die Klägerin sich lediglich gegen ihre Höhe gewandt hätte, ohne gleichzeitig die Steuererkläru ngen nachzureichen (vgl. dazu BFH-Urteile vom 21. Mai 1959 IV 106/59 U, BFHE 69, 121, BStBl III 1959, 308; vom 22. Juni 1967 IV 196/63, BFHE 89, 326, BStBl III 1967, 640). Das FA hat das Urteil des FG insoweit nicht angegriffen. In der im Rahmen der Kostenentscheidung gebotenen lediglich summarischen Prüfung des Streitstoffs geht auch der erkennende Senat insoweit von der Richtigkeit der Vorentscheidung aus. Das FA hat die angefochtenen Steuerbescheide überdies erst im Revisionsverfahren erklärungsgemäß geändert und dadurch weitere Kosten verursacht.

Dem Senat erschien es nach alledem angemessen, es hinsichtlich des Klageverfahrens bei der Kostenentscheidung des FG zu belassen, also die Kosten insoweit gegeneinander aufzuheben, und hinsichtlich des Revisionsverfahrens die Kosten dem FA aufzuerlegen.

3. Für die Entscheidung darüber, ob die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Verfahren notwendig war, ist das FG zuständig (vgl. BFH-Beschluß vom 18. Juli 1967 GrS 5--7/66, BFHE 90, 150, BStBl II 1968, 56).

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 195

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