Verhältnis zwischen Verlustfeststellungsbescheid und Steuerbescheid

Hintergrund: Gesetzliche Regelungen
Gemäß § 40 Abs. 2 FGO ist eine Anfechtungsklage nur zulässig, wenn der Kläger geltend machen kann, durch den Verwaltungsakt in seinen Rechten verletzt zu sein. Dies ist bei der Anfechtung eines Verlustfeststellungsbescheids mit dem Ziel, den festgestellten vortragsfähigen Verlust herabzusetzen, grundsätzlich nicht möglich, da damit eine Verböserung (in Form der Kürzung des Verlustvortrags) geltend gemacht wird. Etwas anderes kommt nur in Betracht, wenn sich der Bescheid für den Kläger deshalb nachteilig auswirkt, weil in ihm angesetzte Besteuerungsgrundlagen im Rahmen anderer Verfahren verbindliche Entscheidungsvorgaben liefern.
Sachverhalt: Kläger begehrt niedrigere Verlustfeststellung
Der Kläger erzielte im Streitjahr 2017 neben positiven Einkünften Veräußerungsverluste nach § 17 EStG. Mit Bescheid vom 9.7.2019 setzte das Finanzamt (FA) gegenüber dem Kläger zunächst die Einkommensteuer ohne Berücksichtigung der erklärten Veräußerungsverluste fest. Hiergegen wandte sich der Kläger mit Einspruch und Untätigkeitsklage.
Während des Einspruchs- und Klageverfahrens änderte das FA mehrfach die Einkommensteuerfestsetzung für das Streitjahr, zuletzt mit Bescheid vom 10.3.2021. Darin setzte es Einkommensteuer unter antragsgemäßer Berücksichtigung des Veräußerungsverlusts mit 0 EUR fest. Es errechnete die Summe der Einkünfte mit ./. 25.194 EUR und den Gesamtbetrag der Einkünfte unter Abzug des Altersentlastungsbetrags von 1.824 EUR mit ./. 27.018 EUR.
Ebenfalls während des Klageverfahrens erging am 10.3.2021 ein Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2017. Darin stellte das FA erstmals einen verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG i. H. v. 194 EUR fest. Hierbei berücksichtigte es verbleibende negative Einkünfte i. H. v. 25.194 EUR und einen Verlustrücktrag nach 2016 i. H. v. 25.000 EUR. Den Altersentlastungsbetrag nach § 24a EStG bezog es nicht mit ein.
Am 22.3.2021 teilte der Kläger dem FG mit, dass er gegen den Verlustfeststellungsbescheid Einspruch eingelegt habe, der Bescheid aber gleichwohl Gegenstand des Klageverfahrens sei.
Im weiteren Verlauf des Verfahrens erklärten der Kläger und das FA übereinstimmend den Rechtsstreit hinsichtlich der Einkommensteuer für 2017 in der Hauptsache für erledigt. Der Kläger wandte sich nunmehr im Rahmen des Klageverfahrens gegen die Außerachtlassung des Altersentlastungsbetrags im Feststellungsbescheid vom 10.3.2021. Der Verlust sei unter Berücksichtigung des Altersentlastungsbetrags i. H. v. 27.078 EUR nach 2016 zurückzutragen und der verbleibende Verlustvortrag mit 0 EUR festzustellen.
FG gibt Klage gegen Verlustfeststellungsbescheid statt
Das FG hat der Klage stattgegeben und den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zum 31.12.2017 dahingehend geändert, dass die verbleibenden negativen Einkünfte zum 31.12.2017 ./. 27.078 EUR und der Verlustrücktrag nach 2016 ./. 27.078 EUR betragen. Den verbleibenden Verlustvortrag nach § 10d Abs. 4 EStG stellte es antragsgemäß auf 0 EUR fest.
Entscheidung: BFH weist Klage als unzulässig ab
Der BFH hat entschieden, dass die Revision des FA mit der Maßgabe begründet ist, dass die Klage unzulässig ist. Sie führt zur Aufhebung der Vorentscheidung und zur Abweisung der Klage, weil die erforderliche Beschwer des Klägers fehlt.
Der Kläger wandte sich im Rahmen der Klage nach Erledigung der Hauptsache wegen Einkommensteuer 2017 nur noch gegen den während des Klageverfahrens am 10.3.2021 ergangenen Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2017 und begehrte die Herabsetzung des festgestellten verbleibenden Verlustvortrags i. H. v. 194 EUR auf 0 EUR.
Sachurteilsvoraussetzungen von Amts wegen zu prüfen
Das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen hat der BFH als Revisionsgericht in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen
Es kann hier dahinstehen, ob der Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags überhaupt Gegenstand des Klageverfahrens geworden ist und ob jener Bescheid den zuvor angefochtenen Einkommensteuerbescheid 2017 i. S. v. § 68 Satz 1 FGO ersetzt hat. Gleiches gilt für die Frage, ob eine Klageänderung nach § 67 FGO in Betracht kommt.
Selbst wenn der Verlustfeststellungsbescheid Gegenstand des Klageverfahrens geworden wäre oder die Voraussetzungen einer Klageänderung vorgelegen hätten, fehlt jedenfalls die für die Erhebung einer Anfechtungsklage nach § 40 Abs. 2 FGO erforderliche Beschwer des Klägers.
Der Kläger begehrt die verlusterhöhende Berücksichtigung des im Einkommensteuerbescheid 2017 der Höhe nach bindend ermittelten Altersentlastungsbetrags nach § 24a EStG. Hierüber ist grundsätzlich im Verlustfeststellungsbescheid zu befinden. Dies gilt jedoch dann nicht, wenn in Höhe des geltend gemachten Verlustes ein Verlustrücktrag nach § 10d Abs. 1 EStG begehrt wird.
Dem angefochtenen Verlustfeststellungsbescheid oder den diesem zugrunde liegenden Feststellungsgrundlagen kommt keine Bindungswirkung für die Höhe des Verlustrücktrags zu. Über Grund und Höhe des Verlustrücktrags wird ausschließlich im Rahmen der Veranlagung des Rücktragsjahres und nicht in dem Einkommensteuerbescheid oder in dem Verlustfeststellungsbescheid des Verlustentstehungsjahres entschieden. Kommt es zu einem vollständigen Ausgleich oder Rücktrag des Verlustes, entfällt der Verlustvortrag ebenso wie die diesbezügliche Verlustfeststellung.
Vor dem Hintergrund vorstehender Erwägungen war die Klage gegen den Bescheid über die gesonderte Feststellung des verbleibenden Verlustvortrags zur Einkommensteuer zum 31.12.2017 als unzulässig abzuweisen.
BFH, Urteil v. 23.1.2024, IX R 7/22; veröffentlicht am 11.4.2024
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