BFH

Entgeltlicher Verzicht auf Nießbrauch bei einem vermieteten Grundstück


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Entgelt füt Verzicht auf Nießbrauch an Vermietungsobjekt

Das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung eines Nießbrauchsrechts an einem dem Privatvermögen zugehörigen Grundstück ist eine steuerbare Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG, wenn der Nießbraucher das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermietet und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt (entgegen BFH, Urteil v. 25.11.1992, X R 34/89, BStBl 1996 II S. 663, unter 1.b). Die Vorschrift setzt nicht voraus, dass der Verzicht auf das Nießbrauchsrecht unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck erfolgte.

Gesetzliche Regelung

Nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG gehören zu den Einkünften i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG auch Entschädigungen, die als Ersatz für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt worden sind.

Sachverhalt: Entschädigung für den Verzicht auf ein Nießbrauchsrecht an vermietetem Grundstück

  • Die Klägerin hatte ein lebenslanges Nießbrauchsrecht an einem vermieteten Grundstück. Eigentümerin war eine Erbengemeinschaft (EG), der die Kinder der Klägerin angehörten.
  • Die Klägerin vermietete das Grundstück an einen fremden Dritten. Die Mieteinnahmen gehörten zu den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung.
  • Nachdem die EG das Grundstück veräußert hatte, verzichtete die Klägerin mit Vertrag auf ihr Nießbrauchsrecht. Hierfür erhielt sie eine Entschädigung. Die Beteiligten gehen übereinstimmend davon aus, dass der den Wert des Nießbrauchsrechts zum Zeitpunkt des Verzichts übersteigende Betrag der Klägerin unentgeltlich zugewendet wurde.

Das Finanzamt (FA) qualifizierte die entgeltliche Ablösung des Nießbrauchsrechts als privates Veräußerungsgeschäft nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG und berücksichtigte einen Veräußerungsgewinn. Nach erfolglosem Einspruch gab das FG der Klage statt. Es vertrat die Auffassung, dass das Nießbrauchrecht durch den entgeltlichen Verzicht nicht i.S.d. § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 EStG veräußert wurde, sondern dass der Verzicht einen veräußerungsähnlichen Vorgang darstellt. Solche veräußerungsähnlichen Vorgänge würden von § 23 EStG nicht erfasst.

Entscheidung: Entgelt für Verzicht als steuerbare Entschädigung

Die Revision führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und Zurückverweisung der Sache zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das FG.

Die Vorinstanz hat rechtsfehlerhaft nicht berücksichtigt, dass der entgeltliche Verzicht auf das Nießbrauchsrecht an einer durch den Nießbraucher vermieteten Immobilie zu einer steuerbaren und steuerpflichtigen Entschädigung für entgehende Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG i.V.m. § 21 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 EStG führt. Dieser Tatbestand ist nach § 23 Abs. 2 EStG gegenüber den vom FA angenommenen und vom FG abgelehnten sonstigen Einkünften nach § 22 Nr. 2, § 23 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Satz 1 EStG vorrangig.

Zuordnung von Ersatzleistungen zu den einzelnen Einkunftsarten

Die Vorschrift des § 24 EStG hat keine die Einkünfte erweiternde, sondern lediglich eine die Reichweite der einzelnen Einkunftsarten klarstellende Bedeutung. Diese Klarstellung hat eine doppelte Wirkung. Einmal ist ihr positiv zu entnehmen, zu welcher Einkunftsart eine Entschädigung gehört. Zum anderen hat die Vorschrift auch eine negative Rechtsfolge. Sie stellt in § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG klar, dass alle diejenigen Entschädigungen aus dem Regelungsbereich des § 2 Abs. 1 EStG ausgenommen sind, die für entgangene oder entgehende Einnahmen gewährt werden, die ihrerseits nicht unter die Einkünfte i. S. d. § 2 Abs. 1 EStG fallen. Die Entschädigung soll also nicht unter weitergehenden Voraussetzungen den Einkünften zugerechnet werden als die entgehende oder entgangene Einnahme, an deren Stelle sie tritt.

Entschädigung für den Wegfall (steuerbarer) Einnahmen

In sachlicher Hinsicht muss die Entschädigung für den Wegfall (steuerbarer) Einnahmen gewährt werden. Der Tatbestand des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG ist daher nicht erfüllt, wenn die Entschädigung für den Vermögensverlust an einem Wirtschaftsgut geleistet. Wird das Entgelt für die Aufgabe eines Wirtschaftsguts gezahlt und nicht dafür, dass dem Steuerpflichtigen aufgrund der Aufgabe Einnahmen entgehen, sind nicht die Einkünfte aus diesem Wirtschaftsgut, sondern das Wirtschaftsgut selbst betroffen.

Bei tatsächlicher Vermietung ist Entgelt für Verzicht auf Nießbrauchsrecht steuerbar

Bei den Einkünften aus Vermietung und Verpachtung ist der erkennende Senat der Ansicht, dass das Entgelt für den Verzicht auf die Ausübung des Nießbrauchsrechts dann eine steuerbare Entschädigung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG darstellt, wenn der Nießbraucher das Grundstück zum Zeitpunkt des Verzichts tatsächlich vermietet und hieraus Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung erzielt hat.

Gesetzlicher Inhalt des Nießbrauchs ist die Berechtigung, Nutzungen aus der Sache zu ziehen. Nutzt der Nießbraucher sein Recht dazu, das Grundstück an einen Dritten zu vermieten und hieraus Erträge zu erzielen, stellt die für den Verzicht auf das Nießbrauchsrecht erhaltene Gegenleistung bei wirtschaftlicher Betrachtung eine Entschädigung für die entgangenen Einnahmen aus Vermietung dar. Aufgabe des Wirtschaftsguts und Kompensation der entgehenden Einnahmen aus dem Wirtschaftsgut lassen sich in diesem Fall nicht voneinander trennen, weil das Nießbrauchsrecht gerade die Erzielung von Einnahmen aus Vermietung und Verpachtung des Grundstücks zum wirtschaftlichen Inhalt hat.

X. Senat des BFH hält an früherer Rechtsauffassung nicht fest

Verzichtet ein Nießbraucher auf das im Privatvermögen befindliche Nießbrauchsrecht und erhält er hierfür eine Gegenleistung, soll nach einer Entscheidung des X. Senats des BFH diese Gegenleistung keine Entschädigung i. S. v. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG sein (vgl. BFH, Urteil v. 25.11.1992, X R 34/89, BStBl 1996 II S. 663, unter 1.b). Dies entspricht der Auffassung der Finanzverwaltung, die die Ablösung eines Vorbehalts- oder Vermächtnisnießbrauchs gegen Einmalzahlung als nicht steuerbare Vermögensumschichtung ansieht. Der X. Senat hat auf Anfrage mitgeteilt, dass er an seiner in der Entscheidung v. 25.11. vertretenen Auffassung nicht festhält.

Freiwilligkeit des Verzichts nicht entscheidungserheblich

Einer Steuerbarkeit der Zahlung nach § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG steht nicht entgegen, sollte die Klägerin – was das FG nicht festgestellt hat – auf das Nießbrauchsrecht freiwillig verzichtet haben.

Nach der bislang sowohl zu den Gewinn- als auch zu den Überschusseinkunftsarten ergangenen Rechtsprechung setzt eine Entschädigung i. S. d. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG tatbestandlich voraus, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, wenn er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand. Diesem Erfordernis liegt die Überlegung zugrunde, dass die für Entschädigungen greifende Steuertarifermäßigung nach § 34 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 EStG nur in den Fällen gerechtfertigt ist, in denen sich der Steuerpflichtige in einer Zwangssituation befindet und sich dem zusammengeballten Zufluss der Einnahmen nicht entziehen kann.

Diese Rechtsprechung ist in jüngerer Zeit in Zweifel gezogen worden. In einer die sonstigen Einkünfte (§ 22 EStG) betreffenden Entscheidung hat der X. Senat des BFH mangels dortiger Erheblichkeit zwar dahinstehen lassen, ob an dem Erfordernis der Zwangssituation im Rahmen des § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG festzuhalten sei, zugleich aber den Wortlaut und Zweck der Norm dafür angeführt, dass dies nicht gerechtfertigt sei (BFH, Urteil v. 23.11.2016, X R 48/14, BStBl 2017 II S. 383, Rz. 26.) Der erkennende Senat teilt die Argumente des X. Senats in dessen Entscheidung vom 23.11.2016.

Gegen das Erfordernis der Feststellung einer Druck- oder Zwangssituation des Steuerpflichtigen spricht bereits der Gesetzeswortlaut, der ein solches Tatbestandsmerkmal nicht erwähnt. Der Normzweck gebietet die Einbeziehung eines – ungeschriebenen – Merkmals nicht. § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG wird vom Surrogationsprinzip getragen. Besteuert werden Leistungen, die an die Stelle der ausgefallenen – ansonsten steuerbaren – Einnahmen treten. Auf welche Weise diese Ersatzleistungen zustande gekommen sind, hat für den Steuertatbestand keine Bedeutung.

 II., IV. und X. Senat des BFH halten an früherer Rechtsauffassung nicht fest

Diese Senate haben auf Anfrage mitgeteilt, dass sie an ihrer Auffassung, dass eine Entschädigung tatbestandlich voraussetzt, dass der Ausfall der Einnahmen entweder von dritter Seite veranlasst wurde oder, wenn er vom Steuerpflichtigen selbst oder mit dessen Zustimmung herbeigeführt worden ist, dieser unter rechtlichem, wirtschaftlichem oder tatsächlichem Druck stand, nicht mehr festhalten.

Hinweis: FG muss im zweiten Rechtsgang weitere Feststellungen treffen

Das FG wird im zweiten Rechtsgang zum einen Feststellungen dazu treffen müssen, ob der Klägerin im Zusammenhang mit der vereinnahmten Entschädigung Werbungskosten entstanden sind, die die Einkünfte aus § 24 Nr. 1 Buchst. a EStG mindern. Zum anderen wird die Vorinstanz insbesondere die näheren Umstände, die zum Abschluss der Verzichtsvereinbarung vom 6.11.2019 geführt haben, festzustellen haben. Hiervon wird abhängen, ob es sich bei der Entschädigung um „außerordentliche“ Einkünfte i. S. v. § 34 Abs. 2 Nr. 2 EStG handelt, die wegen des zusammengeballten Zuflusses im Streitjahr eine Steuertarifermäßigung nach § 34 Abs. 1 EStG rechtfertigen können.

BFH, Urteil v. 10.10.2025, IX R 4/24; veröffentlicht am 4.12.2025

Alle am 4.12.2025 veröffentlichten Entscheidungen des BFH mit Kurzkommentierungen


1 Kommentar
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Alfred Deiglmayr

Mon Dec 08 14:32:19 CET 2025 Mon Dec 08 14:32:19 CET 2025

Wie soll man Mandanten beraten und Klagen riskieren wenn Verwaltungsanweisungen und die Rechtsprechung mehrerer Senate des BFH verworfen werden, zu Gunsten der akademischen Reinheit der Subsumption.
Hoffentlich ist die Verwaltung so fair und schützt den Bürger durch einen Nichtanwendungserlass vor solchen Kapriolen.