Anwendungsbereich des § 64 EStG
Die Klägerin ist die Mutter eines Kindes, das nach der Trennung der Eltern zunächst in ihrem Haushalt lebte. Im Zeitraum von Juli bis Dezember 2023 (Streitzeitraum) hielt sich das Kind jedoch im Haushalt des Vaters auf. Dessen Antrag auf Kindergeld für diesen Zeitraum wurde von der Familienkasse im Jahr 2024 bestandskräftig abgelehnt. Die Familienkasse hob im Jahr 2025 die Kindergeldfestsetzung gegenüber der Klägerin auf. Zur Begründung führte sie an, dass gemäß § 64 Abs. 1 EStG Kindergeld für ein Kind nur an eine Person gezahlt werde. Da der Vater das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe, sei er grundsätzlich vorrangig anspruchsberechtigt, wodurch ein Anspruch der Klägerin ausgeschlossen sei.
Anspruch auf Kindergeld
Das Gericht gab der dagegen erhobenen Klage statt. Bei leiblichen Kindern sei – anders als bei Stiefkindern oder Enkeln – die Aufnahme in den Haushalt keine Voraussetzung für den Anspruch auf Kindergeld. Kommen mehrere Ansprüche in Betracht, ordne § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG an, dass das Kindergeld demjenigen zustehe, der das Kind in seinen Haushalt aufgenommen habe. Diese Regelung diene der Vermeidung von Mehrfachzahlungen i. S. des § 64 Abs. 1 EStG.
§ 64 EStG nicht anwendbar
Im vorliegenden Fall sei § 64 EStG jedoch nicht anwendbar. Zwar habe auch der Vater das Kind in seinen Haushalt aufgenommen, er sei jedoch mangels bestehenden Anspruchs kein Berechtigter im Sinne der Vorschrift. Der bestandskräftige Ablehnungsbescheid der Familienkasse stehe einem Zusammentreffen mehrerer Ansprüche entgegen. Selbst wenn dem Vater dem Grunde nach ein Kindergeldanspruch zugestanden hätte, ändere dies nichts. Da § 64 Abs. 1 EStG ausschließlich der Vermeidung einer Doppelzahlung diene, bestehe bei einer bestandskräftigen Ablehnung gegenüber einem Elternteil regelmäßig keine entsprechende Gefahr.
FG Münster, Urteil v. 28.11.2025, 7 K 615/25 Kg, AO, veröffentlicht mit dem Novemeber-Newsletter des FG Münster
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