Steuerschuldnerschaft für Subunternehmerleistungen eines polnischen Pflegedienstes
Worum ging es in dem Fall? Die Klägerin betreibt einen im Inland ansässigen mobilen Pflegedienst und erbringt Leistungen wie persönliche Assistenz, ambulante Pflege und 24-Stunden-Betreuung. In den Streitjahren 2012 und 2013 führte sie insoweit ausschließlich umsatzsteuerfreie Umsätze aus. Im Februar 2012 schloss die Klägerin mit einem in Polen ansässigen Pflegedienst (Firma Q) einen Kooperationsvertrag. Im Rahmen dessen hatten Arbeitnehmer der Firma Q offenbar insbesondere Leistungen im Rahmen der 24-Stunden-Betreuung für die Klägerin zu erbringen. In der Buchführung wurden diese Leistungen als Fremdleistungen erfasst.
Im Rahmen einer Außenprüfung stellte das Finanzamt zunächst fest, dass die Ausgangsleistungen der Klägerin gemäß § 4 Nr. 16 Buchst. k) UStG (in der damaligen Fassung) insgesamt steuerfrei seien, da die 40 %-Grenze bzw. ab 2013 die 25 %-Grenze überschritten sei. Die Leistungen der Firma Q an die Klägerin beurteile die Betriebsprüfung als Arbeitnehmerüberlassung und mithin steuerpflichtig. Die Klägerin schulde die Umsatzsteuer nach § 13b UStG, da sie insoweit sonstige Leistungen im Sinne des § 3a Abs. 2 UStG eines im übrigen Gemeinschaftsgebiet (Polen) ansässigen Unternehmens empfangen habe. Wegen eigener umsatzsteuerfreier Umsätze sei ein Vorsteuerabzug daraus nicht möglich.
Subunternehmerleistungen im Bereich der Pflege
Die Klägerin machte geltend, dass die Leistungen der Firma Q keine Arbeitnehmerüberlassung gewesen seien, sondern Subunternehmerleistungen im Bereich der Pflege und Betreuung. Sie verwies darauf, dass die Leistungen des polnischen Unternehmens, welche diese auch in Polen erbringe, dort umsatzsteuerbefreit seien. Auch ohne einen Vertrag mit den deutschen Trägern der gesetzlichen Sozialversicherung müsse es sich hier um umsatzsteuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 16 UStG handeln. Eine Besteuerung der Leistungen in Deutschland über § 13b UStG zu Lasten der Klägerin verstoße gegen Art. 132 Abs. 1 Buchstabe g) MwStSystRL.
Leistungen gemäß § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG
Die Klage hatte keinen Erfolg. Nach Ansicht des Finanzgerichts schuldet die Klägerin als Empfängerin der von der Firma Q ihr gegenüber erbrachten und abgerechneten Leistungen gemäß § 13b Abs. 5 Satz 1 UStG die auf diese Leistungen entfallende Umsatzsteuer. Entgegen der Auffassung der Klägerin sind diese Leistungen weder nach nationalem Recht noch nach Unionsrecht umsatzsteuerfrei. Die Klägerin kann die auf diese Leistungen entfallende Umsatzsteuer nicht als Vorsteuer abziehen.
Leistungen sind nicht steuerfrei
§ 4 Nr. 16 UStG in seiner damaligen Fassung ist nach Ansicht des Finanzgerichts insbesondere deshalb nicht erfüllt, weil die polnische Firma Q keine begünstigte Einrichtung in diesem Sinne ist. Damit fehlt es ihr an den persönlichen Voraussetzungen für die Steuerbefreiung. Insbesondere setzt die Steuerfreiheit gemäß § 4 Nr. 16 UStG für andere als Personen des öffentlichen Rechts eine Anerkennung der Einrichtung durch die gesetzlichen Sozialleistungsträger voraus, die sich grundsätzlich in vertraglichen Beziehungen ausdrückt – entsprechende sozialrechtliche Verträge wurden aber unstreitig nicht geschlossen.
Außerdem erfüllte die polnische Firma Q in den Streitjahren auch nicht die sogenannte Sozialgrenze von 40 % bzw. 25 % (vgl. § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchstabe k) UStG und § 4 Nr. 16 Satz 1 Buchstabe l) UStG), da ihre Leistungen nicht ganz oder zum überwiegenden Teil von den genannten Leistungsträgern vergütet wurden. Vielmehr wurden der Firma Q sämtliche Leistungen ausschließlich und allein von der Klägerin vergütet, eine Zahlung von den Sozialträgern unmittelbar an die Firma Q erfolgte unstreitig nicht. Betreffend Art. 132 Abs. 1 Buchst. g) MwStSystRL ist zu beachten, dass dieser "bestimmte" dem Gemeinwohl dienende Tätigkeiten von der Mehrwertsteuer befreit. Die Vorschrift selbst legt allerdings weder die Voraussetzungen noch die Modalitäten einer Anerkennung des sozialen Charakters von anderen Einrichtungen als solchen des öffentlichen Rechts fest. Vielmehr ist es Sache des innerstaatlichen Rechts jeden Mitgliedstaates, die Regeln aufzustellen, nach denen diesen Einrichtungen die erforderliche Anerkennung gewährt werden kann. Nach den in der Bundesrepublik Deutschland geltenden Kriterien ist die Firma Q nicht als Einrichtung mit sozialem Charakter anzuerkennen.
Keine Arbeitnehmerüberlassung
Zunächst ist hervorzuheben, dass das Finanzgericht – entgegen der Auffassung des Finanzamts – der Klägerin darin zugestimmt hat, dass die Leistungen der Firma Q keine Arbeitnehmerüberlassungen darstellten, sondern dass es sich insoweit um die Übernahme von Betreuungs- und Pflegeleistungen gehandelt hat. Außerdem ist darauf hinzuweisen, dass der BFH an seiner früheren Rechtsprechung, wonach aus der bloßen Möglichkeit, Verträge mit den Sozialleistungsträgern abschließen zu können, sowie einer nur mittelbaren Kostentragung, die keinen konkreten Bezug zur erbrachten Pflege- oder Betreuungsleistung aufweist, die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter hergeleitet werden könne, ausdrücklich nicht mehr festhält (vgl. BFH, Urteil v. 24.2.2021, XI R 30/20). Es handelt sich dabei um die Nachfolgeentscheidung zum EuGH, Urteil v. 8.10.2020, C-657/19.
Revision beim BFH
Das FG hat die Revision nicht zugelassen, da die Entscheidung seiner Ansicht nach auf der tatrichterlichen Anwendung zwischenzeitlich gesicherter Rechtsprechung des EuGH und des BFH auf einen Einzelfall beruht. Mittlerweile allerdings hat der BFH, Beschluss v. 11.8.2025, V B 63/24, die Revision zugelassen. Im weiteren Verfahren müsse nämlich die im Folgenden (vereinfacht) dargestellte Rechtsfrage geklärt werden:
"Ist für die Umsatzsteuerbefreiung des in Polen ansässigen Pflegedienstes (also für die Anerkennung als Einrichtung mit sozialem Charakter) das deutsche Umsatzsteuerrecht maßgebend, weil die Leistung nach den Vorschriften der Mehrwertsteuersystemrichtlinie in Deutschland erbracht wurde oder ist auf das polnische Recht abzustellen, weil der Pflegedienst dort sein Unternehmen betreibt?"
Hinweis: Die Zulassung der Revision könnte darauf hindeuten, dass der BFH nicht mit der Auffassung des FG übereinstimmt.
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