Entscheidungsstichwort (Thema)

Gegenvorstellung -- Wiederaufnahme des Verfahrens

 

Leitsatz (NV)

1. Eine Abänderung formell rechtskräftiger Entscheidungen aufgrund einer Gegenvorstellung wird nur in Ausnahmefällen für zulässig gehalten. Ein solcher Ausnahmefall kann gegeben sein, wenn substantiiert die Verletzung des Rechts auf Gehör gerügt wird.

2. Zu den Voraussetzungen, unter denen Urteile als Grund für die Wiederaufnahme des Verfahrens nach § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO in Betracht kommen.

 

Normenkette

FGO § 134; GG Art. 103 Abs. 1; ZPO § 580 Nr. 7 Buchst. b

 

Tatbestand

Der Senat hat den Antrag der Antragstellerin auf Bewilligung von Prozeßkostenhilfe (PKH) für die Einlegung der Beschwerde gegen den Beschluß des Finanzgerichts (FG), mit dem dieses den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von PKH für ein Klageverfahren nach § 580 der Zivilprozeßordnung (ZPO) abgelehnt hat, nicht stattgegeben. Dagegen erhebt die Antragstellerin mit ihrem Schreiben vom ... Gegenvorstellungen. Zur Begründung führt sie -- zusammengefaßt -- aus, der Beschluß enthielte keine Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der Antragstellerin, die angegriffenen Urteile hätten nach § 549 ZPO das Gesetz verletzt. Der Beschluß lasse mit seiner Gedankenführung auch nicht erkennen, daß das Gericht dem Begriff "Gesetzesverletzung", wie er in § 550 ZPO definiert worden sei, in irgendeiner Weise Beachtung geschenkt habe. Aufgrund des hierzu Vor gebrachten sei dies aber zur Wahrung des gesetzlichen Gehörs dringend erforderlich gewesen. Zudem habe das Gericht seiner Entscheidung nicht § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO zugrunde gelegt.

 

Entscheidungsgründe

Die Gegenvorstellungen der Antragstellerin sind nicht statthaft.

Der Senat hat über den Antrag der Antragstellerin auf Gewährung von PKH abschließend durch Beschluß vom ... entschieden. Gegen diesen Beschluß ist nach der Finanzgerichtsordnung (FGO) kein Rechtsbehelf gegeben. Der Beschluß ist damit formell rechtskräftig. Soweit ausnahmsweise aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) und der obersten Gerichtshöfe des Bundes eine Abänderung formell rechtskräftiger Entscheidungen aufgrund einer Gegenvorstellung für zulässig gehalten wird, geschieht dies nur im Ausnahmefall, wenn nämlich bestimmte Verstöße gegen das Grundgesetz (GG) geltend gemacht werden. Dazu gehört auch eine Verletzung des Rechts auf Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG), die die Antragstellerin rügt. Allerdings muß diese Voraussetzung substantiiert vorgetragen werden (Senatsbeschlüsse vom 27. Juli 1993 VII S 6/93, BFH/NV 1994, 250, und vom 21. Februar 1996 VII S 19/95 in Sachen der Antragstellerin, BFH/NV 1996, 621). Daran fehlt es hier. Grundsätzlich ist davon auszugehen, daß das Gericht ihm zugegangene Schriftstücke berücksichtigt hat und damit -- wie auch im vorliegenden Fall -- das rechtliche Gehör der Antragstellerin gewahrt ist. Das Gericht -- namentlich das letztinstanzliche -- ist nach Art. 103 Abs. 1 GG nicht verpflichtet, sich in den Entscheidungsgründen mit jedem Vorbringen der Antragstellerin ausdrücklich zu befassen (vgl. BVerfG-Beschlüsse vom 4. Dezember 1992 1 BvR 1411/89, Höchstrichterliche Finanzrechtsprechung -- HFR -- 1993, 202, und vom 5. Dezember 1995 1 BvR 1463/89, HFR 1996, 153).

Der Senat macht im übrigen darauf aufmerksam, daß sich die von der Antragstellerin genannten Vorschriften der §§ 549, 550 ZPO auf das zivilrechtliche Revisions- und nicht auf das Wiederaufnahmeverfahren nach § 134 FGO i. V. m. §§ 578 ff. ZPO beziehen. Im Streitfall ging es aber um PKH für ein beabsichtigtes Wiederaufnahmeverfahren. Soweit die Antragstellerin in ihrer Gegenvorstellung nunmehr § 580 Nr. 7 Buchst. b ZPO als Wiederaufnahmegrund nennt, ist darauf hinzuweisen, daß Urteile als Wiederaufnahmegrund nach § 580 Nr. 7 ZPO nur in Betracht kommen, wenn sie die in Buchst. a der Vorschrift genannten Voraussetzungen erfüllen. Dies ist nur der Fall, wenn das Urteil in derselben Sache erlassen worden ist (vgl. Bundesfinanzhof, Beschluß vom 27. September 1977 VII K 1/76, BFHE 123, 310, BStBl II 1978, 21; Urteil vom 4. Juli 1991 IV K 1/90, BFHE 164, 504, BStBl II 1991, 813) und es vor der anzufechtenden Entscheidung rechtskräftig geworden, aber erst nach dem Schluß des Verfahrens, das zu dieser Entscheidung geführt hat, aufgefunden worden ist (vgl. Hartmann in Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, Zivilprozeßordnung, 54. Aufl., § 580 Rz. 12).

 

Fundstellen

BFH/NV 1997, 135

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