Rz. 13

Stand: EL 128 – ET: 11/2021

Ein Erlass von Säumniszuschlägen kann aus sachlichen oder persönlichen Gründen in Betracht kommen (> Billigkeit). Persönliche Billigkeitsgründe liegen vor, wenn durch die Erhebung der Säumniszuschläge die wirtschaftliche Existenz des Stpfl ernsthaft gefährdet werden würde. Sachliche Billigkeitsgründe sind gegeben, wenn die Einziehung der Säumniszuschläge den Wertungen des Gesetzgebers im konkreten Fall derart zuwiderlaufen, dass sie unbillig wäre. Davon ist insbesondere in folgenden Fällen auszugehen:

  • Der Stpfl erkrankt und ist dadurch an der pünktlichen Zahlung gehindert und nicht in der Lage, einen Vertreter mit der Zahlung zu beauftragen;
  • einem bisher pünktlichen Steuerzahler ist ein Versehen unterlaufen. Wer jedoch seine Steuern laufend unter Ausnutzung der Schonfrist (> Rz 6) zahlt, ist kein pünktlicher Steuerzahler (BFH 161, 395 = BStBl 1990 II, 1007);
  • dem Stpfl ist die rechtzeitige Zahlung der Steuer wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung nicht möglich (> Rz 14);
  • der Stpfl zahlt seine Steuern in Raten, wodurch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit unstreitig bis an die äußere Grenze ausgeschöpft worden ist (BFH 161, 4 = BStBl 1991 II, 864; > Rz 13/1);
  • für die Hauptschuld lagen die Voraussetzungen für einen Erlass (> Billigkeit Rz 13 ff) oder für eine zinslose Stundung (> Stundung von Lohnsteuer) vor (BFH 143, 512 = BStBl 1985 II, 489);
  • soweit eine angefochtene Steuerfestsetzung später aufgehoben oder zu Gunsten des Stpfl geändert wird und der Stpfl alle Möglichkeiten ausgeschöpft hat, um die > Aussetzung der Vollziehung zu erreichen, diese jedoch abgelehnt wurde (BFH 245, 105 = BStBl 2015 II, 106; > Rz 15).
 

Rz. 13/1

Stand: EL 128 – ET: 11/2021

Wird einem Stpfl Ratenzahlung gewährt, weil eine Vollstreckung unbillig wäre (vgl § 258 AO), und wird dadurch seine wirtschaftliche Leistungsfähigkeit ausgeschöpft, wird regelmäßig die Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge erlassen (BFH 212, 23 = BStBl 2006 II, 612). Dadurch bleibt der Schuldner – zumindest mit Blick auf die bisherigen Zins-Regelungen (siehe aber > Rz 2/1) – etwa in der Höhe belastet, in der im Falle einer > Aussetzung der Vollziehung oder einer Stundung > Zinsen angefallen wären (EFG 1996, 255). Das gilt auch, wenn dem Stpfl ein Vollstreckungsaufschub anstelle einer ebenfalls möglichen und sogar gebotenen Stundung gewährt wird (EFG 1991, 451). Lagen die Voraussetzungen für eine zinslose Stundung vor, sind die Säumniszuschläge in voller Höhe zu erlassen.

 

Rz. 14

Stand: EL 128 – ET: 11/2021

Ist der Schuldner zahlungsunfähig und überschuldet, so erhebt das FA keine Säumniszuschläge, da in diesem Fall kein Druck auf den Schuldner ausgeübt werden kann (BFH 140, 421 = BStBl 1984 II, 415; BFH 203, 8 = BStBl 2003 II, 901; BFH/NV 2005, 2159; vgl aber Löhr/Täschlein, DB 1995, 1537, die auf Tendenzen des BFH hinweisen, auf Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung abzustellen). Zu erlassen ist idR die Hälfte der verwirkten Säumniszuschläge (BFH 184, 193 = BStBl 1998 II, 7; BFH 212, 23 = BStBl 2006 II, 612; dazu auch > Rz 13/1 und > Rz 2/1). Die Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung müssen nicht im insolvenzrechtlichen Sinne bestehen. Kann ein augenblicklicher Mangel an Zahlungsmitteln (Zahlungsstockung) über einen gewissen Zeitraum durch Bankkredite überbrückt werden, ist die Erhebung von Säumniszuschlägen geboten, weil dadurch noch auf die Tilgung der Steuerschulden hingewirkt werden kann. Bei der Prüfung einer möglichen Überschuldung ist auf den Verkehrswert der Vermögenswerte, nicht den voraussichtlichen Erlös in einer Zwangsversteigerung abzustellen (BFH 160, 296 = BStBl 1990 II, 673).

 

Rz. 15

Stand: EL 128 – ET: 11/2021

Wird > Aussetzung der Vollziehung vor Fälligkeit der Steuerschuld beantragt, aber erst danach abgelehnt, setzt das FA idR eine neue Frist und verzichtet auf die bis dahin verwirkten Säumniszuschläge. Das gilt jedoch nur für die erste Ablehnung (BFH/NV 1991, 5) und nicht für vom Gericht abgelehnte Aussetzungsanträge (EFG 1990, 213). Wird einem Antrag auf AdV vom Gericht stattgegeben, kann dies jedoch mit der Maßgabe geschehen, dass in der Vergangenheit entstandene Säumniszuschläge entfallen (BFH 149, 6 = BStBl 1987 II, 389). Ein Erlass von Säumniszuschlägen ist regelmäßig geboten, wenn ein Antrag auf AdV abgelehnt wurde, obwohl sie möglich und geboten war, und das Rechtsmittel des Stpfl in der Hauptsache Erfolg hat (BFH 165, 178 = BStBl 1991 II, 906; BFH 245, 105 = BStBl 2015 II, 106). Ein Erlass kommt jedoch nicht in Betracht, wenn der Antrag auf AdV nicht ernsthaft bzw nachvollziehbar begründet wurde, der Stpfl somit nicht alles unternommen hat, um AdV zu erlangen (BFH 253, 12 = BStBl 2016 II, 508; BFH 262, 297 = BStBl 2019 II, 87).

 

Rz. 16

Stand: EL 128 – ET: 11/2021

Wenn – über Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung hinaus – zusätzliche, besondere Gründe persönlicher oder sachlicher Billigkeit gegen die Geltendmachung von Säumniszuschlägen sprechen, kommt ein vollständiger Erlass der Säumniszuschläge i...

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