Fristlose Kündigung als Folge einer Negerkussbestellung

Übertrieben oder nicht? An dieser Frage erhitzen sich die Gemüter. Mohrenköpfe, Zigeunerschnitzel, der Negerkönig im Märchen, der Muselmann im Kinderlied. Ist das alles menschenverachtende Diskriminierung oder harmlose Wortwahl, an der sich nur die politisch Überkorrekten reiben?

Ein ganz normaler Arbeitstag im Jahre 2016 im Reiseunternehmen Thomas Cook in Frankfurt. Ein seit zehn Jahren bei Thomas Cook beschäftigter Mitarbeiter des mittleren Managements begibt sich in die Kantine. Hinter dem Tresen arbeitet eine dunkelhäutige Frau aus Kamerun, mit der der Mitarbeiter nach der - von diesem allerdings bestrittenen - Darstellung von Thomas Cook schon mal etwas „rumfrotzelt“ und die er mit zweideutigen Bemerkungen gerne „aufzieht“. Diesmal ist es der „Negerkuss“, den er bei der dunkelhäutigen Frau - für alle Anwesenden gut vernehmbar - bestellt.

Thomas Cook setzt ein Zeichen

Für seinen Arbeitgeber war damit das Maß voll. Thomas Cook kündigte das Arbeitsverhältnis fristlos. Der Sprecher von Thomas Cook betonte, es habe sich bei der Bestellung nicht um einen einmaligen Vorfall gehandelt, vielmehr habe der Mitarbeiter die Frau aus Kamerun permanent provoziert. Als multikulturelles Unternehmen könne Thomas Cook eine solche Form der Diskriminierung nicht dulden.

Das ArbG zeigt Verständnis für den Mitarbeiter

Der Mitarbeiter akzeptierte die Kündigung nicht und zog vor das ArbG. Dieses hielt die Kündigung jedoch für unverhältnismäßig. Nach Auffassung des ArbG ist die Bezeichnung „Negerkuss“ oder „Mohrenkopf“ für eine Waffel, die mit Schaumzucker gefüllt und von einer Schokoladenglassur umgeben ist, in der Bevölkerung durchaus noch üblich. Das ArbG räumte allerdings ein,

  • dass mehrfache Provokationen der aus Kamerun stammenden Mitarbeiterin der Kantine, die in der frotzeligen Bestellung eines Negerkusses mündeten, als Fehlverhalten des Arbeitnehmers zu werten sei, das der Arbeitgeber grundsätzlich nicht hinnehmen müsse.
  • In diesem Fall sei es für den Arbeitgeber aber zumutbar, den Arbeitnehmer zunächst durch eine Abmahnung zu betriebsgerechtem Verhalten anzuhalten.
  • Nur wenn dies nicht zum Erfolg führe, sei eine ordentliche oder in schweren Fällen auch fristlose Kündigung denkbar.

Ohne Abmahnung sei aber weder die ordentliche noch die fristlose Kündigung verhältnismäßig. (ArbG Frankfurt, Urteil v. 13. 7.2016,15 Ca 1744/16).

Auch andere Unternehmen reagieren bei Rassismus unnachgiebig

Thomas Cook hat noch nicht entschieden, ob gegen das Urteil Berufung eingelegt wird. Das Unternehmen möchte zunächst die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Grundsätzlich ist die scharfe Reaktion von Thomas Cook in dieser Angelegenheit durchaus zu begrüßen, denn auch ständige Frotzeleien können für die betroffene Arbeitnehmerin äußerst belastend sein. So können nicht nur rassistische Äußerungen von Arbeitnehmern innerhalb des Betriebes, sondern auch rassistische Äußerungen in der Freizeit zu einer berechtigten Kündigung seitens des Arbeitgebers führen.

Porsche reagierte prompt auf die rassistische Äußerung eines Auszubildenden, der bei Porsche in Österreich angestellt war. Dieser hatte bei Facebook das Bild eines weiblichen Flüchtlings unter einer Wasserdusche kommentiert mit den Worten: „Flammenwerfer währe da die bessere Lösung“. Die Firma Porsche kündigte sofort fristlos und stütze die Kündigung nicht auf die mangelhaften Deutschkenntnisse des Azubis.

BAG lässt eine fristlose Kündigung bei Diskriminierung zu

In Deutschland wäre diese Kündigung mit hoher Wahrscheinlichkeit arbeitsrechtlich ebenfalls wirksam. Das BAG hat die Kündigung eines Auszubildenden ohne vorherige Abmahnung für wirksam erklärt, als dieser an der Werkbank eines türkischen Mitarbeiters ein Schild angebracht hatte mit der Aufschrift „Arbeit macht frei - Türkei schönes Land“ (BAG, Urteil v. 1.7.1999, 2 AZR 676/98).

Wer selbst von Rassismus betroffen ist, empfindet anders

Angesichts dieser Vorgänge stellen viele die Frage, ob die Reaktionen auf gelegentliche sprachliche Ausrutscher manchmal nicht zu rigoros ausfallen und zu oft mit Kanonen auf Spatzen geschossen wird. Die Frage stellt sich auch angesichts der Beseitigung von Bezeichnungen wie Zigeunerschnitzel aus Speisekarten, der Entfernung von Kinderliedern aus Liederbüchern (Zehn kleine Negerlein, die am Ende alle weg waren) oder der Umschreibung von Kinderbüchern.  Diejenigen, die diese Fragen etwas lockerer sehen, sollten nicht verkennen, dass diejenigen, die von solchen Begrifflichkeiten betroffen sind, eine völlig andere Perspektive auf diese Fragen haben.

Versteckter Rassismus in Kinderbüchern

Die dunkelhäutige Theaterregisseurin Simone Dede Ayivi hat in der Tageszeitung „Der Tagesspiegel“ vom 18.1.2013 einfühlsam geschildert, wie sehr sie als Kind von der Romanfigur Pippi Langstrumpf von Astrid Lindgren begeistert war.

Die Autorin war auch von der Schilderung Pippi Langstrumpf`s angetan, wie ihr Vater auf einer Insel in der Südsee angespült wird, auf der viele Neger wohnten und der Vater Pippi`s wie selbstverständlich König all dieser Neger und fortan nur noch als „Negerkönig“ bezeichnet wurde. Ayivi erläutert anschaulich, wie sich ihrem Bewusstsein schon als Kind durch solche Begrifflichkeiten eingebrannt hat, dass „Weiße“ über „Neger“ herrschen und Menschen dunkler oder schwarzer Hautfarbe als Untertanen geboren werden.

Aus dem „Negerkönig“ wurde ein „Südseekönig“

Die Theaterregisseurin begrüßt deshalb die Entfernung diskriminierender Begrifflichkeiten auch aus Kinderbüchern und betrachtet es als Fortschritt, dass der Verlag der Pippi-Langstrumpf-Bücher aus dem „Negerkönig“ einen “Südseekönig“ gemacht hat. Vor diesem Hintergrund erscheint auch die Bestellung des „Negerkusses“ bei Thomas Cook aus der Sicht der Frau aus Kamerun in einem anderen Licht und die Reaktion von Thomas Cook gar nicht so unangemessen.

Und da gibt es ja auch noch das AGG, das gemäß § 1 AGG zum Ziel hat, „Benachteiligungen aus Gründen der Rasse, der ethnischen Herkunft ... zu verhindern oder zu beseitigen“. Gerade im Arbeitsrecht kann dessen Anwendung gar nicht stringent genug sein. Nur so erhält das Recht auch für ethnische Minderheiten in Deutschland eine etwas freundlichere Farbe.

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