Entscheidungsstichwort (Thema)

Außerordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen wiederholten diskriminierenden Verhaltens gegenüber Kollegen dunkler Hautfarbe. Pflichten des Arbeitnehmers im unwirksam gekündigten Arbeitsverhältnis. Voraussetzungen der Zahlung von Annahmeverzugslohn. Unzulässige Begünstigung eines Betriebsratsmitglieds durch nachträgliche Befristung des Arbeitsvertrages über die Regelaltersgrenze hinaus

 

Leitsatz (amtlich)

Beleidigt ein bereits einschlägig abgemahnter Arbeitnehmer einen Kollegen mit dunklerer Hautfarbe in Anwesenheit mehrerer anderer Kollegen durch den Ausstoß von Affenlauten wie "Ugah Ugah", so kann darin ein wichtiger Grund im Sinne des § 626 Abs. 1 BGB erkannt werden. Eine Beharrlichkeit des Pflichtverstoßes und damit eine nachhaltig negative Verhaltensprognose ist in einem solchen Fall insbesondere dann begründet, wenn nach Einschaltung der AGG-Beschwerdestelle der Beleidigende in der Anhörung durch den Arbeitgeber uneinsichtig äußert, sein Verhalten habe "der Auflockerung der Gesprächsatmosphäre" gedient und gehöre zum "gepflegten Umgang".

 

Normenkette

BGB § 626; AGG §§ 1, 7; BGB § 314; KSchG § 15

 

Verfahrensgang

ArbG Köln (Entscheidung vom 09.11.2018; Aktenzeichen 18 Ca 7824/17)

 

Nachgehend

BVerfG (Nichtannahmebeschluss vom 02.11.2020; Aktenzeichen 1 BvR 2727/19)

 

Tenor

  1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Köln vom 09.11.2018 - 18 Ca 7824/17 - wird zurückgewiesen.
  2. Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.
  3. Die Revision wird nicht zugelassen.
 

Tatbestand

Die Parteien streiten um die Wirksamkeit zweier Kündigungen sowie um den vom Kläger geltend gemachten allgemeinen Beschäftigungsanspruch.

Die Beklagte ist ein Logistikunternehmen und der Kläger ist seit dem Jahre 2009 Mitglied des Betriebsrats, der für den Gemeinschaftsbetrieb gewählt worden war, den die Beklagte mit zwei weiteren Gesellschaften gebildet hatte. Der Kläger ist 37 Jahre alt und ledig. Er hat keine Unterhaltspflichten. Seit 13 Jahren war er bei der Beklagten als Serviceagent beschäftigt. Zuletzt erhielt er ein Bruttomonatsentgelt in Höhe von 3.500,00 EUR. Er ist zwar nicht nach § 38 Abs. 1 BetrVG freigestellt, war aber zuletzt aufgrund von Betriebsratstätigkeit gemäß § 37 Abs. 2 BetrVG kaum mehr als Serviceagent tätig.

Die Kündigungen der Beklagten beruhen auf drei dem Kläger gegenüber erhobenen Vorwürfen, deren Sachverhalte im Einzelnen streitig sind: Ein eigenmächtiger Urlaubsantritt des Klägers im Dezember 2016 (Sachverhalt A); der Verdacht einer Falschaussage des Klägers als Zeuge in einem anderen Verfahren vor dem Arbeitsgericht zum Nachteil der Beklagten im März 2017 (Sachverhalt B), und schließlich eine rassistische Beleidigung eines Betriebsratskollegen in einer Betriebsratssitzung am 07.11.2017 (Sachverhalt C).

Auf den Antrag der Beklagten mit Blick auf den letztgenannten Sachverhalt C hat der Betriebsrat am 20.11.2017 der von der Beklagten beabsichtigten außerordentlichen Kündigung mittels eines Kreuzes auf dem Anhörungsbogen und der Unterschrift des Vorsitzenden zugestimmt (Anlage B1 zum Schriftsatz vom 08.12.2017, Bl. 20 ff d.A.). Mit Blick auf die Sachverhalte A und B hatte der Betriebsrat dies zuvor nicht getan. Die hierauf von der Arbeitgeberin eingeleiteten Zustimmungsersetzungsverfahren sind vor dem Arbeitsgericht Köln erfolglos verlaufen. In der Beschwerdeinstanz wurde mit Blick auf die inzwischen erklärte Zustimmung des Betriebsrats (Sachverhalt C) der Zustimmungsersetzungsantrag (Sachverhalt A und B) als "nunmehr unzulässig" zurückgewiesen. In rechtlicher Hinsicht besteht zwischen den Parteien Streit, ob die Beklagte nach der Zustimmung des Betriebsrats zum Sachverhalt C ihre nun ausgesprochene Kündigung auch mit den Sachverhalten A und B begründen kann oder ob es hierfür einer erneuten Anhörung zum "Nachschieben" der Kündigungsgründe A und B bedurft hätte.

(Sachverhalt A) In der Zeit vom 12.12.2016 bis zum 16.12.2016 war der Kläger abwesend. Dem lag ein Antrag des Klägers auf "Abfeiern von Mehrarbeit" zugrunde, dem der zuständige Vorgesetzte zuvor nicht stattgegeben hatte. Am 15.12.2016 ging dem Kläger eine Abmahnung zu, die er aufgrund seiner Abwesenheit aber nicht hat wahrnehmen können. Am 16.12.2016 blieb er weiterhin von der Arbeit fern. Mit Schreiben vom 27.12.2017 (Anlage B17, Bl. 146), unterschrieben vom "Manager Human Resources Services", dem Zeugen K , hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer außerordentlichen fristlosen Kündigung, hilfsweise außerordentlichen Kündigung mit sozialer Auslauffrist, an und nahm dabei ausdrücklich Bezug auf § 103 BetrVG. Wörtlich heißt es dort auszugsweise:

"Grund für die beabsichtigte Kündigung ist, dass Herr C schwerwiegende arbeitsvertragliche Pflichtverletzungen in Form von unentschuldigtem Fehlen begangen bzw. sich eigenmächtig beurlaubt hat. (außerordentliche Tatkündigung); hilfsweise soll die außerordentliche Kündigung außerdem als solche mit einer Auslauffrist (entsprechend der ordentlichen Kündigungsfrist) ...

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