Rz. 73

§ 55 Abs. 5 S. 3 stellt für das Verhältnis des beigeordneten Rechtsanwalts zur Staatskasse gegenüber § 15a Abs. 2 die speziellere Regelung dar.[162] § 15a Abs. 2 ist bei Beteiligung der Staatskasse deshalb nur dann anwendbar, wenn die Staatskasse nicht am Mandatsverhältnis beteiligte Dritte ist, die dem Auftraggeber des Rechtsanwalts nach Prozess- oder sonstigem Verfahrensrecht oder materiellem Recht erstattungspflichtig ist.[163] Dritter i.S.v. § 15a Abs. 2 kann somit nur derjenige sein, der dem Rechtsanwalt nicht selbst eine Vergütung schuldet.[164] Das ist z.B. bei der Kostenerstattung nach Freispruch des Mandanten im Strafverfahren (§ 467 StPO) der Fall oder wenn die Staatskasse im Zivilprozess als Partei unterlegen ist.[165]

 

Rz. 74

Bei PKH ist die Staatskasse nicht dem Auftraggeber/Mandanten des Rechtsanwalts, sondern dem beigeordneten Rechtsanwalt selbst erstattungspflichtig (§ 45, vgl. Rdn 24), so dass die Anwendung von § 15a Abs. 2 ausscheidet, aber auch aus den dargestellten Gründen nicht erforderlich ist.[166] Denn warum sollte sich die Staatskasse bei PKH nach § 15a Abs. 2 auf die Titulierung einer anzurechnenden Gebühr berufen können, wenn die Titulierung dieser Gebühr sie gar nicht betreffen kann, sie also insoweit nicht der Gefahr einer doppelten Inanspruchnahme ausgesetzt ist?[167] Wird die anzurechnende und für die Partei titulierte Gebühr später an den Rechtsanwalt gezahlt und darf er diese Zahlung behalten, muss er die Zahlung gem. § 55 Abs. 5 S. 4 der Staatskasse anzeigen. Hierdurch ist die Anrechnung sichergestellt.

[162] Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 58 Rn 40.
[163] Hansens, RVGreport 2009, 161, 201 und 241; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 15a Rn 27 und § 58 Rn 40; BayLSG 2.12.2015 – L 15 SF 133/15; LSG Hessen AGS 2015, 206 = RVGreport 2015, 299; Hessischer VGH 23.10.2014 – 3 E 2326/11; Hessischer VGH 27.6.2013 – 6 E 600/13, 6 E 602/13, 6 E 601/13; OLG Celle AGS 2014, 142; OLG Frankfurt RVGreport 2012, 104; OLG Frankfurt AGS 2012, 399; OLG Frankfurt 12.2.2010 – 18 W 3/10; OVG Lüneburg 19.10.2010 – 13 OA 130/10; OVG Lüneburg RVGreport 2010, 20 = NdsRpfl 2009, 438; FG Düsseldorf 27.11.2009 – 10 Ko 862/09 KF; FG Sachsen-Anhalt EFG 2010, 1820; a.A., Staatskasse ist Dritte i.S.v. § 15a Abs. 2, OLG Zweibrücken AGS 2010, 329 = RVGreport 2010, 296 = FamRZ 2011, 138; OLG Braunschweig RVGreport 2011, 254; wohl auch OLG Brandenburg RVGreport 2011, 376 = MDR 2011, 1206; N. Schneider, AGS 2009, 361; Kindermann, FPR 2010, 351; offengelassen OLG Düsseldorf 31.5.2011 – I-10 W 27/11, NJW-RR 2011, 1565.
[165] Hansens, RVGreport 2009, 201; Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 15a Rn 27.
[166] BayLSG 21.6.2016 – L 15 SF 39/14 E; VG Leipzig 15.2.2016 – 1 K 986/11.
[167] So zutr. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, § 58 Rn 40; OLG Düsseldorf 31.5.2011 – I-10 W 27/11, NJW-RR 2011, 1565; a.A. unzutr. LSG NRW 30.4.2018 – L 9 AL 223/16 B; LSG NRW 1.2.2017 – L 19 AS 1408/16 B.

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