Leitsatz (amtlich)

1. Eine Zahlung, die der im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt von seinem Mandanten oder einem Dritten auf den Teil der Geschäftsgebühr erhalten hat, der auf die Verfahrensgebühr anzurechnen ist, ist nur insoweit auf den Vergütungsanspruch gegenüber der Staatskasse anzurechnen, als sie die Differenz zwischen der Wahlanwaltsvergütung und der Prozesskostenhilfevergütung für das konkrete Verfahren übersteigt. Hiernach kommt ein Abzug von dem gegen die Staatskasse bestehenden Anspruch nur dann in Betracht, wenn die Anrechnung dazu führt, dass die Differenz völlig beglichen ist.

2. Die vom Senat vor Einführung des § 15a RVG in dem Beschluss vom 12.9.2008 (2 W 358/08, NJW-RR 2009, 558) vertretene Auffassung, dass die Verfahrensgebühr aufgrund der Anrechnungsvorschriften von vornherein nur in gekürzter Höhe entstehe, ist mit der vom Gesetzgeber in § 15a Abs. 1 RVG vorgenommenen Klarstellung nicht (mehr) zu vereinbaren. An ihr wird nicht mehr festgehalten.

 

Normenkette

RVG § 58 Abs. 2, § 55 Abs. 5 S. 2, § 15a; RVG-VV Teil 3; RVG-VV Vorbemerkung 3; RVG-VV Abs. 4

 

Verfahrensgang

LG Braunschweig (Beschluss vom 14.02.2011; Aktenzeichen 8 O 884/08 (078))

 

Tenor

Die Beschwerde der Bezirksrevisorin bei dem LG Braunschweig gegen den Beschluss des LG Braunschweig vom 14.2.2011 wird zurückgewiesen.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I. Der Antragsteller Rechtsanwalt Z. ist Frau X. mit Beschluss des OLG Braunschweig vom 21.8.2008 (Geschäftsnummer 3 W 80/08) unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe zur Vertretung in dem vor dem LG Braunschweig zur Geschäftsnummer 8 O 884/08 geführten Rechtsstreit als Rechtsanwalt beigeordnet worden.

Der Antragsteller begehrt die Festsetzung seiner Gebühren nach § 45 RVG; der Gegenstandswert beträgt 143.072 EUR. Er macht u.a. eine Gebühr nach Nr. 3100 RVG-VV i.H.v. 508,30 EUR zzgl. Umsatzsteuer geltend und hat für außergerichtliche Vertretung bereits eine 1,3-fache Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV i.H.v. 2.475,80 EUR erhalten.

Gegen die antragsgemäße Festsetzung seiner Rechtsanwaltsvergütung i.H.v. 1.654,70 EUR, die auch die geltend gemachte Verfahrensgebühr berücksichtigt, hat die Bezirksrevisorin bei dem LG Braunschweig mit dem Antrag, die Vergütung anderweitig auf 1.049,82 EUR festzusetzen, Erinnerung eingelegt. Sie ist der Meinung, die erhaltene 1,3-fache Geschäftsgebühr sei zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr anzurechnen, so dass kein gegen die Staatskasse gerichteter Vergütungsanspruch für die Verfahrensgebühr bestehe.

Der Antragsteller hat beantragt, die Erinnerung zurückzuweisen.

Mit Beschluss vom 14.2.2011, der Bezirksrevisorin am 23.2.2011 zugestellt, hat das LG Braunschweig die Erinnerung zurückgewiesen. Hiergegen richtet sich die Beschwerde der Bezirksrevisorin vom 23.2.2011, mit der sie ihre Auffassung wiederholt, eine Anrechnung habe immer dann zu erfolgen, wenn vorgerichtlich eine Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 RVG-VV angefallen sei und in einem nachfolgenden Verfahren eine (gegenstandsgleiche) Verfahrensgebühr, wenn auch ggf. in verminderter Höhe nach § 49 RVG, entstehe.

Das LG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache mit Beschluss vom 3.3.2011 dem OLG Braunschweig als Beschwerdegericht vorgelegt. Der Einzelrichter hat die Sache mit Beschluss vom 21.3.2011 auf den Senat übertragen.

II. 1.) Die Beschwerde ist zulässig (§§ 33 Abs. 2, 56 Abs. 2 S. 1 RVG), in der Sache selbst aber unbegründet.

Der Anspruch des Antragstellers auf Vergütung (auch) in Höhe einer 1,3-fachen Verfahrensgebühr gem. §§ 45 Abs. 1, 49 RVG, Nr. 3100 RVG-VV ist nicht durch Anrechnung der für außergerichtliche Vertretung erhaltenen hälftigen Geschäftsgebühr erloschen. Zwar bestimmt Teil 3, Vorbemerkung 3, Abs. 4 RVG-VV, dass dann, wenn wegen desselben Gegenstands eine Geschäftsgebühr nach den Nr. 2300 - 2303 entsteht, diese Gebühr zur Hälfte, jedoch höchstens mit einem Gebührensatz von 0,75 auf die Verfahrensgebühr des gerichtlichen Verfahrens angerechnet wird. Hierauf kann sich ein Dritter gem. § 15a Abs. 2 RVG, wozu auch die Staatskasse gehört (vgl. Gerold/Schmidt/Müller-Rabe, RVG, 19. Aufl., § 15a Rz. 15), aber nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Keine dieser drei Voraussetzungen trifft auf die Staatskasse zu. Ziel der genannten Bestimmung ist es, eine doppelte Inanspruchnahme des Gebührenschuldners zu verhindern, die hier mit Blick auf die Staatskasse nicht im Raum steht.

Indes folgt aus § 15a Abs. 1 RVG, dass der Rechtsanwalt in den Anrechnungsfällen zwar beide Gebühren fordern kann, jedoch nicht mehr, als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag der beiden Gebühren. Dies gilt auch im Rahmen der Gebühren des beigeordneten PKH-Anwalts, wie sich aus den Motiven zu § 55 Abs. 5 S. 2 RVG ergibt. Dort heißt es: ...

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