Entscheidungsstichwort (Thema)

Geschäftsgebühr. Anrechnung. Staatskasse. Gebührenschuldner. Reduzierung der von der Staatskasse auszugleichenden Verfahrensgebühr. Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr bei Bewilligung von Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die nach § 13 RVG berechnete Geschäftsgebühr reduziert die von der Staatskasse an den Beschwerdegegner auszugleichende Verfahrensgebühr.

2. Wird der Rechtsanwalt einer Partei unter Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordnet, ist die Staatskasse nach § 45 Abs. 1 RVG Gebührenschuldner.

3. Auch gegenüber der Partei bleibt der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts bestehen, jedoch gilt nach § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO eine Forderungssperre.

4. Durch die Staatskasse geschuldet werden ab einem Streitwert von 3.000,- nicht die sog. "Wahlanwaltsgebühren" im Sinne von § 13 RVG; vielmehr errechnet sich die von der Staatskasse geschuldete Vergütung nach einem gemäß § 49 RVG reduzierten Gebührensatz. Da jedoch die Entstehungstatbestände der Gebühren als solche unverändert bleiben und in Teil 3, Vorbemerkung 3, Nr. 4 RVG-VV keine spezielle Regelung für den Fall der Beiordnung des Rechtsanwalts vorgesehen ist, bietet der Gesetzeswortlaut keinen Anlass, in derartigen Konstellationen von der Anrechnung einer Geschäftsgebühr abzusehen.

 

Normenkette

RVG §§ 13, 45, 49; ZPO § 122 Abs. 1 Nr. 3

 

Verfahrensgang

LG Hanau (Entscheidung vom 16.12.2009; Aktenzeichen O 640/08)

 

Tenor

I. der Beschluss des Landgerichts Hanau vom 16.12.2009 auf die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin aufgehoben und

II. die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 29.10.2009 gegen den Beschluss des Landgerichts Hanau vom 29.09.2009 zurückgewiesen.

III. Das Beschwerdeverfahren ist gerichtsgebührenfrei. Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Nachdem der Antragsteller vorgerichtlich für die Beklagte tätig geworden war, für diese Tätigkeit eine Geschäftsgebühr angefallen ist und auf diese von der Beklagten € 664,- bezahlt worden waren, haben die Parteien vor dem Landgericht Hanau einen Rechtsstreit mit einem Streitwert von € 28.647,65 (Bl. 599 d. A.) geführt. Mit Beschluss vom 13.08.2009 (Bl. 54, 55 d. Sonderheftes PKH) hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main der Beklagten Prozesskostenhilfe für den ersten Rechtszug bewilligt und ihr den Antragsteller beigeordnet. Nach Beendigung des Rechtsstreits durch mit Beschluss des Landgerichts vom 04.09.2009 (Bl. 597, 598 d. A.) festgestellten Vergleich hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 23.09.2009 (Bl. 56 bis 4, 55 d. Sonderheftes PKH) beantragt, zu seinen Gunsten eine Vergütung in Höhe von € 1.498,21 gegen die Staatskasse festzusetzen. Auf diesen Antrag hat das Landgericht mit Beschluss vom 29.09.2009 (Bl. 63 Sonderheftes PKH) einen Betrag von € 1.137,40 zu Gunsten des Antragstellers gegen die Staatskasse festgesetzt. Gegen diesen, ihm am 20.10.2009 zugegangenen (Bl. 64 d. Sonderheftes PKH) Beschluss hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 29.10.2009 (Bl. 65, 66 d. A.) sofortige Beschwerde eingelegt und beanstandet, dass das Landgericht auf die Verfahrensgebühr, die durch seine Tätigkeit im Rechtsstreit angefallen ist, gemäß Teil 3, Vorbemerkung 3, Abs. 4 VV RVG die für seine vorgerichtliche Tätigkeit entstandene Geschäftsgebühr angerechnet hat. Das Landgericht hat die Beschwerde als Erinnerung behandelt und nach Nichtabhilfe durch die Rechtspflegerin (Bl. 80, 81 d. Sonderheftes PKH) mit Beschluss der Einzelrichterin vom 16.12.2009 (Bl. 97, 98 d. Sonderheftes PKH) den Beschluss des Landgerichts vom 29.09.2009 dahin abgeändert, dass € 1.498,21 zu Gunsten des Antragstellers gegen die Staatskasse festgesetzt werden. Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin vom 23.12.2009 (Bl. 100 d. Sonderheftes PKH), der die Einzelrichterin nicht abgeholfen hat (Bl. 101 d. Sonderheftes PKH).

I. 1. Die sofortige Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 16.12.2009 ist zulässig, §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3, 4 RVG. Insbesondere ist die gemäß § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG für die Zulässigkeit der Beschwerde vorausgesetzte Mindestbeschwer überschritten. Auch die in § 33 Abs. 3 Satz 3 RVG normierte Beschwerdefrist ist gewahrt.

2. Die Beschwerde ist auch begründet.

Der angefochtene Beschluss vom 16.12.2009 ist schon deshalb rechtsfehlerhaft, weil die Einzelrichterin des Landgerichts funktionell unzuständig war. Denn das Rechtsmittel des Antragstellers war nicht als Erinnerung, sondern ist - gemäß seiner zutreffenden Bezeichnung - als sofortige Beschwerde zu behandeln, über die nicht die Richterin des Landgerichts, sondern das Oberlandesgericht zu entscheiden hat. Dies folgt aus § 58 Abs. 2 Satz 1 RVG in Verbindung mit § 33 Abs. 3 Satz 1 RVG und Abs. 4 RVG. Da die Beschwer des Antragstellers € 360,81 betrug, ist nicht die Erinnerung, sondern die sofortige Beschwerde statthaft (§§ 58 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 3 Satz 1 RVG), über die nach Nichtabhilfe gemäß § 33 Abs. 4 Satz 2 RVG vom Oberland...

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