Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr

 

Leitsatz (redaktionell)

  1. Die bei der Vertretung im steuerrechtlichen Einspruchsverfahren (hier: Kindergeld) entstandene Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV-RVG ist auch auf die in einem nachfolgenden Gerichtsverfahren entstehenden Gebühren des im Verfahren der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts anzurechnen.
  2. Ein bereits bei der Übernahme des Mandats erteilter Klageauftrag steht der Entstehung der Geschäftsgebühr nicht entgegen.
  3. Die ab dem 5.8.2009 gültige Regelung des § 15a Abs. 2 RVG ist nicht in allen noch offenen Fällen anzuwenden.
  4. Die Staatskasse ist im Verfahren der Prozesskostenhilfe nicht Dritter im Sinne des § 15a Abs. 2 RVG.
  5. Von einer vorprozessualen Tätigkeit des Anwalts im Rahmen des BerHG kann nur ausgegangen werden, wenn deren Bewilligungsvoraussetzungen im förmlichen Verfahren nach § 4 BerHG vom zuständigen Amtsgericht festgestellt worden sind.
  6. Die Geschäftsgebühr kann mit einem Anteil von 75 v.H. angerechnet werden, wenn trotz mehrfacher Anfragen des Urkundsbeamten keine näheren Angaben zu deren Bemessungsgrundlagen gemacht werden.
 

Normenkette

RVG § 15a Abs. 2, § 45; FGO § 142; ZPO § 114; BerHG § 1 Abs. 1 Nrn. 2-3, § 2 Abs. 2, § 4

 

Streitjahr(e)

2007

 

Tatbestand

Streitig ist die Höhe der nach den Bestimmungen der §§ 45 ff des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes (RVG) festzusetzenden Vergütung.

Der Erinnerungsführer hatte im Hinblick auf die Bewilligung von Kindergeld die rechtlichen Interessen seines Mandanten vertreten, und zwar zunächst im Rahmen eines bei der Familienkasse F geführten Einspruchsverfahrens und, nach Erlass der unter dem 17.12.2007 ergangenen Einspruchsentscheidung, auch als Prozessvertreter im Klageverfahren (10 K 4925/07 Kg). Für dieses Verfahren war dem Mandanten des Erinnerungsführers mit Beschluss vom 18.6.2008 Prozesskostenhilfe gewährt und der Erinnerungsführer als Prozessvertreter beigeordnet worden.

In der mündlichen Verhandlung am 22.12.2008 hatte der Mandant des Erinnerungsführers die Klage zurückgezogen.

In seinem Antrag vom 5.1.2009 bat der Erinnerungsführer unter Berufung auf die Regelungen der §§ 45 ff RVG und auf das dazu erstellte Vergütungsverzeichnis (VV-RVG)

um die Festsetzung folgender Gebühren:

Gegenstandswert:

4.158,-- EUR

1,3 Verfahrensgebühr (§ 49 RVG, Nr. 3100 VV-RVG)

275,60 EUR

1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV-RVG)

254,40 EUR

Fahrtkosten für 125 km (Nr. 7003 VV-RVG)

37,50 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7004 VV-RVG)

20,00 EUR

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV-RVG)

20,00 EUR

Zwischensumme

607,50 EUR

Umsatzsteuer

115,43 EUR

Summe

722,93 EUR

Dabei wies er darauf hin, dass er keine Zahlungen nach dem Gesetz über Rechtsberatung und Vertretung für Bürger mit geringem Einkommen (BerHG) erhalten habe.

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle wies den Erinnerungsführer mit Schreiben vom 13. und 23.1.2009 darauf hin, dass nach der Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV-RVG die Anrechnung einer Geschäftsgebühr auf die geltend gemachte Verfahrensgebühr in Betracht komme. Aus dem Festsetzungsantrag sei jedoch nicht ersichtlich, inwieweit eine Geschäftsgebühr entstanden sei. Der Erinnerungsführer teilte daraufhin mit, dass eine Geschäftsgebühr nicht entstanden sei (Schreiben vom 19.1.2009) bzw. er nicht berechtigt sei, die entstandene Gebühr dem Mandanten gegenüber geltend zu machen, weil bereits bei der Übernahme des Mandats eine Klageauftrag erteilt und eine Prozessvollmacht unterzeichnet worden sei (Schreiben vom 4.2.2009).

Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle folgte dem Antrag des Erinnerungsführers nicht. Mit Beschluss vom 9.2.2009 setzte sie die Vergütung wie folgt fest:

Gegenstandswert:

4.158,-- EUR

1,3 Verfahrensgebühr (§ 49 RVG, Nr. 3100 VV-RVG)

275,60 EUR

Anrechnung Geschäftsgebühr (Vorbemerkung 3 Abs. 4 zu Teil 3 VV-RVG; Gebühr nach § 13 RVG: 273,-- EUR x 0,75)

- 204,75 EUR

1,2 Terminsgebühr (Nr. 3104 VV-RVG)

254,40 EUR

Fahrtkosten für 60 km (Nr. 7003 VV-RVG)

18,00 EUR

Tage- und Abwesenheitsgeld (Nr. 7004 VV-RVG)

20,00 EUR

Auslagenpauschale (Nr. 7002 VV-RVG)

20,00 EUR

Zwischensumme

383,25 EUR

Umsatzsteuer

72,81 EUR

Summe

456,06 EUR

Zur Anrechnung der Geschäftsgebühr führte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle aus, sie sei geboten, wenn die Geschäftsgebühr durch eine Tätigkeit des Anwalts ausgelöst worden sei, und zwar unabhängig davon, ob sie später abgerechnet oder gezahlt worden sei. Da der Erinnerungsführer zur Höhe dieser entstandenen Gebühr nicht konkret Stellung genommen habe, sei die Anrechnung mit einem Anteil von 0,75 der Wahlanwaltsgebühr (§ 13 RVG) vorzunehmen. Wegen der weiteren Begründung wird auf den Beschluss vom 9.2.2009 Bezug genommen.

Mit seiner Erinnerung vom 26.2.2009 trägt der Erinnerungsführer vor:

Die Festsetzung der Gebühren sei unter Berücksichtigung einer Entscheidung des Oberlandesgerichts (OLG) Hamm (Beschluss vom 28. Januar 2009 – II-6 WF 426/08,

Entscheidungssammlung des OLG Hamm 2009, 221) hinsichtlich der Anrechnung einer Geschäftsgebühr fehle...

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