Maßnahmen zur Optimierung

Mancher Anwalt scheut beim ersten Gespräch mit dem Man­danten die Erörterung der Ver­gü­tung, weil er fürchtet , nicht mandatiert zu werden wenn die Höhe der Ver­gü­tung bekannt ist oder auch, weil er sich nicht dem Vorwurf aus­setzen möchte, «raff­gierig» zu sein. Diese Haltung ist unklug. Auch  kann sich aus den beson­deren Umständen des Ein­zel­falls nach Treu und Glauben (§ 242 BGB) eine Pflicht des Rechts­an­walts ergeben, auch ohne Frage des Auf­trag­ge­bers diesen über die vor­aus­sicht­liche Höhe seiner Ver­gü­tung zu belehren (BGH, Beschluss v. 14.12.2005, IX ZR 210/03).    

Der Anwalt erspart sich auf jeden Fall mit der sofor­tigen Klärung der Ver­gü­tungs­frage spätere Aus­ein­an­der­set­zungen: Besser der Mandant geht gleich wieder, wenn er die Gebühren nicht akzep­tieren will, als dass man nach Abschluss des Mandats um sein Honorar im Extrem­fall pro­zes­sieren muss.

Einen ersten Über­blick über die vom Anwalt favo­ri­sierte Abrech­nungsart, z. B. Stun­den­satz, kann er auf seiner Home­page ver­mit­teln oder auch auf gängige Streit­werte hin­weisen und einen «Gebüh­ren­rechner» mit Bei­spiel­fällen «inte­grieren». Man­danten, die vor Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rungen «zurück­schre­cken», werden im Zweifel gar nicht erst kommen und so dem Anwalt Zeit sparen. Im ersten Gespräch muss auch die u. U. feh­lende Erstat­tungs­mög­lich­keit seitens des Gegners, z. B. bei Behörden, erör­tert werden.

Vor­schuss, Schluss­rech­nung

Der Rechts­an­walt kann nach § 9 RVG von seinem Auf­trag­geber für die ent­stan­denen und die vor­aus­sicht­lich ent­ste­henden Gebühren und Aus­lagen einen ange­mes­senen Vor­schuss fordern. Das sollte er immer im beid­sei­tigen Inter­esse mög­lichst zeitnah tun. Aus dem eigenen Inter­esse, weil er damit die «Bonität» des Man­danten bzw. dessen Zah­lungs­be­reit­schaft früh­zeitig testen kann und zum Nutzen des Man­danten, der sich dann auf weitere Gebühren «vor­be­reiten» kann und später nicht von dem End­be­trag «erschlagen» wird.

Wird die Abrech­nung unmit­telbar nach Ende einer Tätig­keit erstellt, ist das Risiko, Gebühren zu über­sehen, geringer. Eine kor­rekte Abrech­nung, die zeitnah erfolgt, wird von dem Man­danten, der die erfolg­reiche Tätig­keit des Anwalts noch vor Augen hat, gern bezahlt. Liegt die Abrech­nung lange Zeit zurück, zwei­felt der Mandant deren Höhe eher an, weil er sich gar nicht mehr an ein­zelne Tätig­keiten des Anwalts erin­nert.

Infor­ma­tion über Kos­ten­ent­schei­dungen

Anwälte sollten selbst «erstrit­tene» Kos­ten­ent­schei­dungen (Streit­werte oder Höhe/Anfall der Gebühren) immer geson­dert in der Kanzlei archi­vieren, um in ähn­li­chen Fällen schnell darauf zurück­greifen zu können. Glei­cher­maßen sollten alle gele­senen Ent­schei­dungen zum Thema „Gebühren/Kos­ten­recht“ – soweit kanz­lei­ty­pisch oder rele­vant – erfasst und vor allem dem Per­sonal bekannt gemacht werden. Die regel­mä­ßige Fort­bil­dung der Fach­an­ge­stellten im Gebüh­ren­recht und die Anschaf­fung der ent­spre­chenden RVG-Kom­men­tare «rechnen» sich schnell.

Anwälte sollten vor allem in Fami­li­en­sa­chen für jede Ange­le­gen­heit eine eigene Akte anlegen, damit bei der Bean­tra­gung von Ver­fah­rens­kos­ten­hilfe nichts über­sehen wird und bei der spä­teren Abrech­nung keine Gebühren ver­gessen werden.

Dif­fe­renz­ver­fah­rens­ge­bühr nicht ver­gessen

Nach Nr. 3101 Nr. 2 VV RVG ent­steht eine 0,8 Differenzverfahrensge­bühr, soweit im Rahmen einer gerichtlichen Einigung auch nicht rechtshängige Ansprüche mit abgegolten werden. Dass in einem Rechts­streit im Ver­hand­lungs­termin Ver­gleichs­ge­spräche geführt werden und dabei auch in diesem Rechts­streit nicht rechts­hän­gige Ansprüche in die Ver­gleichs­ver­hand­lungen mit­ein­be­zogen werden, ist in der Praxis vor allem im arbeits­ge­richt­li­chen Güte­ver­fahren (Kün­di­gungs­schutz­ver­fahren) der Fall, wenn ver­sucht wird, alle wech­sel­sei­tigen Ansprüche zwi­schen den Par­teien zu regeln (Urlaub, Zeugnis etc.).

Feh­ler­freie Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rungen schließen

Recht­strei­tig­keiten über Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rungen sind keine Sel­ten­heit. For­ma­lien stehen dabei sel­tener im Vor­der­grund, dennoch sind sie wichtig (§ 3a Abs. 1 RVG). Meist wird um die Höhe von Stun­den­sätzen gestritten. Eine Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung zwi­schen Rechts­an­walt und Mandant, nach der der Rechts­an­walt für seine außer­ge­richt­liche Tätig­keit z. B. ein Honorar in Höhe von 150 EUR je Stunde erhält, ist auch dann nicht nach § 138 BGB sit­ten­widrig, wenn durch den erheb­li­chen Zeit­auf­wand bei Bear­bei­tung der Ange­le­gen­heit der auf Stun­den­basis berech­nete Zah­lungs­an­spruch den­je­nigen, der sich bei einer streit­wert­ab­hän­gigen Berech­nung ergeben würde, deut­lich über­steigt (OLG Celle, Urteil v. 18.11.2009, 3 U 115/09).

Kurze Taktung bei Zeithonoraren empfehlenswert

Bei Vereinbarung einer Vergütung auf Zeitbasis muss der Anwalt sämtliche während eines Abrechnungszeitraums von ihm vorgenommenen Einzelmaßnahmen konkret und nachprüfbar darlegen. Die als Grundlage der Berechnung dienenden Zeitsegmente dürfen nicht zu lang gewählt werden. So sind Taktungen von 15 Minuten bereits zu ungenau (BGH, Urteil v. 13.2.2020, IX ZR 140/19). Empfehlenswert sind Taktungen bis zu 5 oder 6 Minuten.

Gestaltungsräume für Vergütungsvereinbarungen nutzen

Vergütungsvereinbarungen können auch den Gegenstandswert für einen Auftrag festlegen, wenn dieser wegen seiner Eigenart oder der Kumulation unterschiedlicher Ansprüche nicht ohne weiteres auf der Hand liegt. Auch der gesetzlich vorgesehene Gebührensatz kann modifiziert werden (z. B. 2,0 statt 1,5 Gebühr). Vergütungsvereinbarungen müssen in Textform abgeschlossen werden unter Beachtung der Formerfordernisse des § 3a Abs. 1 RVG (u. a. getrennt vom Vollmachtsformular).

Wichtig: Der Mandant ist darauf hinzuweisen, dass er im Fall eines Obsiegens vor Gericht vom Gegner nur Kostenerstattung in Höhe der gesetzlichen Gebühren fordern kann und er die darüber hinausgehenden höheren Gebühren aufgrund einer Vergütungsvereinbarung selbst zu tragen hat.

Sonderproblem Kappungsgrenze

Der BGH hält grundsätzlich an der Kap­pungs­grenze für frei ver­ein­barte Straf­ver­tei­di­ger­ho­no­rare fest (5-facher RVG-Satz). Das BVerfG hatte die pau­schale Kappung eines Straf­ver­tei­di­ger­ho­no­rars allerdings für ver­fas­sungs­widrig erklärt (BVerfG, Beschluss v. 15.6.2009, 1 BvR 1342/07). Der BGH hat die Anfor­de­rungen an die Abrech­nung von Zeit­ho­no­raren inzwischen angepasst und erlaubt eine Überschreitung des 5-fachen RVG-Satzes, wenn der Rechtsanwalt die Vermutung der Sittenwidrigkeit durch Darlegung gewichtiger, plausibler Gründe (besondere Schwierigkeiten des Falls, außergewöhnlich hoher, mit der Bearbeitung verbundener Zeitaufwand)widerlegt(BGH, Urteil v. 10.11.2016, IX ZR 119/14). Gleichzeitig hat der BGH klargestellt, dass die Vermutung der Sittenwidrigkeit bei Überschreitung des 5-fachen RVG-Satzes auch für zivilrechtliche Streitigkeiten gilt.

Besondere Vorsicht bei Honorarvereinbarungen mit Verbrauchern

Gegenüber Verbrauchern kann nach einer Entscheidung des BGH schon eine Überschreitung des 3-fachen RVG-Satzes die Vermutung der Sittenwidrigkeit begründen, jedenfalls dann, wenn weitere Umstände hinzutreten (BGH, Urteil v. 13.2.2020, IX ZR 140/19). In dem vom BGH entschiedenen Fall betraf die Honorarvereinbarung eine arbeitsrechtliche Kündigungsschutzklage und war mit der Vereinbarung einer Erhöhung des Gegenstandswertes um die vereinbarte Abfindung kombiniert.

Keine Anrechnung von Zeithonoraren auf gerichtliche Verfahrensgebühr

Pau­schal- oder Zeit­ho­no­rare, die ein Rechts­an­walt mit seinem Auf­trag­geber als Ver­gü­tung für eine vor­ge­richt­liche Tätig­keit ver­ein­bart hat, sind keine Geschäfts­ge­bühren i. S. d. Nr. 2300 VV RVG und damit auch nicht gemäß der Vor­be­mer­kung 3 Abs. 4 VV RVG auf die im nach­fol­genden gericht­li­chen Ver­fahren ent­stan­dene Ver­fah­rens­ge­bühr anzu­rechnen (OLG München, Beschluss v. 24.4.2009, 11 W 1237/09).

Auch Pflichtverteidiger dürfen Honorarvereinbarungen abschließen

Die Beiordnung als Pflichtverteidiger führt grundsätzlich nicht zur Unzulässigkeit von Honorarvereinbarungen. Nach einer Entscheidung des BGH ist ein beigeordneter Pflichtverteidiger, der mit dem Beschuldigten eines Strafverfahrens eine Honorarvereinbarung schließen will, allerdings vorvertraglich verpflichtet, den Beschuldigten darüber aufzuklären, dass

  • das vereinbarte Honorar die gesetzlichen Gebühren, die die Staatskasse trägt, übersteigt und
  • er als Pflichtverteidiger auch ohne Abschluss eine Honorarvereinbarung zur Durchführung der Verteidigung verpflichtet ist.

Nur ein über diese Punkte aufgeklärter Beschuldigter könne sachgerecht und ohne Druck über den Abschluss einer Honorarvereinbarung entscheiden (BGH, Urteil v. 3.12.2018, IX ZR 216/17).

Schlagworte zum Thema:  Anwaltsgebühren, Kanzleimanagement