Typische Problemfelder der Honorarabrechnung

Auf fol­gende typi­schen Pro­blem­felder sollte jeder Anwalt achten.  

Geschäfts­ge­bühr als Regel­fall?

Ein Standardfall in der Anwaltskanzlei ist die Beauftragung des Rechtsanwalts in einer zivilrechtlichen Angelegenheit und die sich hieran zunächst anschließende außergerichtliche Tätigkeit. Hierfür fällt gemäß Nr. 2.300 VV RVG eine Geschäftsgebühr aus einem Rahmen von 0,5-2,5 Gebühren an. Die mitt­lere Geschäfts­ge­bühr beträgt hiernach 1,5. Jedoch darf eine höhere Gebühr als 1,3 (= Schwel­len­wert) nur gefor­dert werden, wenn die Ange­le­gen­heit umfang­reich oder schwierig war. Damit zeigt sich bereits ein häufiges Problem der Gebührenrechnung. Die Rechtsprechung des BGH hierzu ist nicht eindeutig. Die Tendenz geht allerdings dahin, für durchschnittlich schwierige Angelegenheiten nicht mehr als eine 1,3 Regelgebühr zuzulassen. Der untere Gebührenrahmen von 0,5 gilt, wenn sich eine Angelegenheit nach Auftragserteilung, aber vor Tätigwerden des Anwalts nach außen erledigt hat.

Gebührendeckelung zugunsten von Verbrauchern

Das Gesetz zur Verbesserung des Verbraucherschutzes im Inkassorecht hat zum 1.10.2021 zu einer Gebührendeckelung geführt. Für nicht bestrittene Forderungen gilt seither eine neue Schwellengebühr von 0,9. Zahlt der Schuldner auf erstes Anfordern sinkt die Gebühr sogar auf 0,5. Bei unbestrittenen Forderungen bis 50 Euro beträgt die Maximalgebühr gemäß § 13 Abs. 2 RVG 30 Euro. Für bestrittene Forderungen gelten diese Einschränkungen nicht. Trifft der Anwalt für seinen Mandanten mit dem Schuldner eine reine Zahlungsvereinbarung, so wird eine 0,7 Einigungsgebühr – berechnet nach 50 % des Gegenstandswerts – fällig, § 31b RVG.

Unterschreitung der gesetzlichen Gebühr in Ausnahmefällen zulässig

Mit der zum 01.10.2021 in Kraft getretenen Änderung des § 4 RVG wurde die Möglichkeit der Unterschreitung der gesetzlichen Vergütung sowie eines vollständigen Gebührenverzichts ausgeweitet. Der Anwalt kann auf eine Vergütung verzichten, wenn Gegenstand der außergerichtlichen Tätigkeit eine Inkassodienstleistung nach § 2 Abs. 2 Satz 1 RDG ist. Auch die Vereinbarung einer niedrigeren als der gesetzlichen Vergütung ist bei bestimmten Inkassodienstleistungen zulässig.

Enge Grenzen für Erfolgshonorarvereinbarungen

Ein Erfolgshonorar darf gemäß § 49b Abs. 2 Satz 1 AO bei Geldforderungen bis zu 2.000 Euro und bei außergerichtlichen Inkassodienstleistungen vereinbart werden. Ausgenommen davon sind Aufträge betreffend Forderungen, die nicht der Pfändung unterworfen sind (z. B. Unterhaltsforderungen). Desweiteren darf ein Erfolgshonorar im Einzelfall vereinbart werden, wenn der Auftraggeber ohne die Vereinbarung eines Erfolgshonorars von der Rechtsverfolgung abgehalten würde. Auf die wirtschaftlichen Verhältnisse des Auftraggebers kommt es dabei nicht (mehr) an.

Doku­men­ta­tion

Im Hin­blick darauf, dass im Ernst­fall im Zah­lungs­pro­zess gegen den Man­danten die «Bil­lig­keit» der Gebüh­ren­be­stim­mung vom Gericht geprüft wird, sollte der Anwalt in der Hand­akte den zeit­li­chen Umfang voll­ständig doku­men­tieren - jedes (Telefon-) Gespräch mit dem Man­danten, Gegner und Dritten (Sach­ver­stän­dige, Zeugen, Haft­pflicht­ver­si­cherer, Dol­met­scher, Jugendamt), der Zeit­auf­wand für Wahr­neh­mung von Orts­ter­minen bzw. zum Akten­stu­dium, Recherche zu Urteilen, Dauer der Haupt­ver­hand­lung im Straf­ver­fahren.

Pra­xis­hin­weis:

Wirt­schaft­lich unver­zichtbar ist, dass der Anwalt seine Arbeits­stunden inklu­sive Fahr­zeiten zu Gericht, Park­ge­bühren, Ver­hand­lungs­dauer und Fort­bil­dungs­zeiten kon­se­quent auf­zeichnet, z. B. neben der Hand­akte par­allel in Outlook, um zumin­dest quar­tals­mäßig den Gewinn pro Stunde ermit­teln zu können und erfor­der­li­chen­falls daraus die (wei­teren) Kon­se­quenzen zu ziehen.

Über­durch­schnitt­liche Schwie­rig­keit

Von einer über­durch­schnitt­li­chen Schwie­rig­keit kann die Rede sein, wenn z. B. bei einem Ver­kehrs­un­fall Ver­let­zungen mit Dau­er­folgen/Ver­dienst­aus­fall regu­liert werden sollen, oder der Mandant unter Schwer­hö­rig­keit leidet, Sprach­schwie­rig­keiten hat oder beson­dere Umstände in der Per­sön­lich­keit des Auf­trag­ge­bers liegen oder der Anwalt sich mit Sach­ver­stän­di­gen­gut­achten medi­zi­ni­scher/psy­cho­lo­gi­scher Art aus­ein­an­der­setzen muss. Auch hier sollte dem Per­sonal anhand der Hand­akte Hin­weise für die Gebüh­ren­rech­nung bzw. Recht­fer­ti­gung einer über 1,3 lie­genden Geschäfts­ge­bühr gegeben werden.

Ermes­sens­spiel­raum

Bei der nach § 14 Abs. 1 Satz 1 RVG vor­zu­neh­menden Über­prü­fung (falls Mandant die Höhe der Gebühr moniert) muss das Gericht berück­sich­tigen, dass dem Anwalt bei der Bestim­mung der Gebühr ein Ermessen ein­ge­räumt ist, sodass diese auch dann ver­bind­lich ist, wenn die von dem Rechts­an­walt bestimmte Gebühr eine Tole­ranz­grenze von 20 % nicht über­schreitet (§ 315 Abs. 3 BGB). Eine 1,5 Geschäfts­ge­bühr kann also i. d. R. vom Man­danten, soweit nicht offen­sicht­lich will­kür­lich, nicht erfolg­reich ange­fochten werden.

Anwälte sollten über­prüfen, ob nicht aus reiner Routine/Angst vor Aus­ein­an­der­set­zungen bzw. Befürch­tung, dass der Mandant zur Kon­kur­renz geht, bisher von ihnen «der Ein­fach­heit halber» immer «nur» die 1,3 Geschäfts­ge­bühr ver­langt wurde/wird.

(Erst-)Bera­tung

Ohne aus­drück­liche – wirk­same – Gebüh­ren­ver­ein­ba­rung erhält der Anwalt für einen Rat, eine Aus­kunft oder für die Erstel­lung eines schrift­li­chen Gut­ach­tens, soweit nicht die Erfolgs­aus­sicht eines Rechts­mit­tels geprüft wird, vom Man­danten «nur» die «übliche» Gebühr nach § 34 Abs. 1 Satz 2 RVG i. V. m. § 612 Abs. 2 BGB.

Erteilt der Mandant als «Ver­brau­cher» (§ 13 BGB) den Auftrag, ist die Gebühr ohne Ver­gü­tungs­ver­ein­ba­rung – unab­hängig von der Dauer und Schwie­rig­keit der Sache – zudem auf einen Betrag von höchs­tens 250 EUR (= keine Fest­ge­bühr) beschränkt. Über die „tax­mä­ßige“ Ver­gü­tung lässt sich dann anhand der Orts- und Bran­chen­üb­lich­keit unter Berück­sich­ti­gung des § 14 RVG vor­treff­lich streiten.

Beim Ver­brau­cher ist zusätz­lich die Grenze von 190 EUR bei der Erst­be­ra­tungs­ge­bühr zu beachten (§ 34 Abs. 1 Satz 3a. RVG). Sowohl bei der Kap­pungs­grenze für Bera­tung/Gut­achten bzw. für die Erst­be­ra­tung gibt es bei meh­reren Auf­trag­ge­bern auch die Erhö­hungs­ge­bühr von 30 % pro wei­terem Auf­trag­geber (Nr. 1008 VV RVG analog).

Recht­zeitig infor­mieren

Dem Man­danten muss immer vor Beginn des Gesprächs ver­mit­telt werden, was eine Erst­be­ra­tung beinhaltet, nämlich nur ein bzw. das erste (Telefon-)Gespräch (aber unab­hängig von der Länge). Dies gilt auch, wenn sich der Anwalt auf­grund der Fragen des Man­danten sach­kundig machen will. Drin­gend emp­feh­lens­wert ist neben der schrift­li­chen Ver­ein­ba­rung der all­ge­meinen Bera­tungs­ge­bühr, z. B. nach Zeit­auf­wand/Stun­den­satz, zu über­legen/zu regeln, ob/dass diese nicht zwin­gend auf die weitere Tätig­keit ange­rechnet wird (§ 34 Abs. 2 RVG).

Aufklärungspflicht bei Zahlungsvereinbarungen

Vor Abschluss einer Zahlungsvereinbarung muss der Mandant darüber hinaus auf die damit verbundenen Kosten, insbesondere auf die zusätzlich entstehende Einigungsgebühr hingewiesen werden (§ 13 a Abs. 3 RDG, § 43d Abs. 3 BRAO).

Schlagworte zum Thema:  Anwaltsgebühren, Kanzleimanagement