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Kuriose Ziegenattacke im Streichelzoo


Kuriose Ziegenattacke im Streichelzoo

Eine Ziege attackierte im Streichelzoo eine Besucherin so heftig, dass Heilbehandlungskosten von über 30.000 EUR entstanden. Die möchte die Krankenkasse nun vom Betreiber des Streichelzoos zurück.

Eine etwas kuriose Schadenersatzklage ist aktuell beim Landgericht Stralsund anhängig. Die Krankenkasse Salus BKK fordert von einem Vogelpark über 31.000 EUR Schadenersatz. Der Forderung liegen die Kosten einer Heilbehandlung sowie geleistete Krankengeldzahlungen zu Grunde, die nach einer Ziegenattacke auf eine Besucherin in dem zu dem Vogelpark gehörenden Streichelzoo entstanden sind.

Geschädigte von Ziege umgerissen

In der vergangenen Woche wurde der Fall vor dem Landgericht Stralsund mündlich verhandelt. Die im Zeitpunkt des Vorfalls ca. 60 Jahre alte Geschädigte hatte mit ihrer Tochter, ihrem Schwiegersohn und ihrem Enkel den Vogelpark in Marlow in Mecklenburg-Vorpommern besucht. Dort verspürte sie nach ihren Angaben plötzlich von hinten einen „ordentlichen Rums“ in ihrer Kniekehle. Sie sei umgerissen worden und zu Fall gekommen. Die Verletzungen am Knie mussten aufwendig operiert werden. Die Geschädigte - von Beruf Altenpflegerin - war ein Jahr arbeitsunfähig.

Attacke eines ausgehungerten, aggressiven Ziegenbocks?

Die Krankenkasse behauptete, der Angriff sei von einem hochaggressiven Ziegenbock ausgegangen. Das Tier sei unzureichend ernährt, völlig ausgehungert und wahrscheinlich deshalb so aggressiv gewesen.

Keine Ziegenböcke im Streichelzoo

Die zoologische Leiterin des Vogelparks beteuerte vor Gericht, es seien keinerlei männlichen Tiere und damit auch keine Ziegenböcke im Streichelzoo gewesen. Im Streichelzoo habe sich lediglich eine körperlich besonders kleine Ziegenart, nämlich weibliche afrikanische Zwergziegen, befunden. Diese Ziegen verhielten sich sowohl untereinander als auch gegenüber Menschen besonders freundlich. Wegen ihres freundlichen Wesens würden afrikanische Zwergziegen in vielen Streichelzoos gerne gehalten.

Zwergziegen lieben Pellet-Futter

Die Vogelparkleiterin betonte weiter, dass die Tiere auch keinesfalls hungern würden. Bei den afrikanischen Zwergziegen handle es sich um Wiederkäuer, die 24 Stunden am Tag Zugang zu Heu hätten. Die Ziegen seien jedoch besonders scharf auf das Pellet-Futter, das die Besucher im Vogelpark in kleinen Tütchen erwerben könnten und dann an die Ziegen verfütterten. Entdeckten die Ziegen einen Besucher mit diesem Pellet-Futter liefen sie schon mal in dessen Richtung.

Aggressiv sind gelegentlich nur die Affen

In dem Vogelpark in Marlow sei es noch niemals zu einem Angriff durch Zwergziegen gekommen. Nicht ganz so freundlich wie die Zwergziegen seien gelegentlich lediglich die im Streichelzoo vorhandenen Affen, die in ungünstigen Situationen auch schon mal zubeißen könnten.

Wenn schon nicht männlich, dann doch kräftig und mit Hörnern

Die von der Krankenkasse beauftragte Prozessbevollmächtigte vermochte zwar nicht zu belegen, dass der Angriff auf die Besucherin - wie ursprünglich behauptet - durch einen männlichen Ziegenbock erfolgt war. Sie bestritt jedoch den angeblich freundlichen Charakter der afrikanischen Zwergziegen. Es sei jedenfalls ein „kleines kräftiges Ziegentier mit Hörnern“ gewesen, das die Geschädigte attackiert habe.

Zielgerichtete Attacke einer bösartigen Ziege?

Das LG hat Beweis erhoben und verschiedene Zeugen befragt. Diese bekundeten einhellig, dass die Ziegen im Streichelzoo sich gegenüber Menschen ziemlich aufdringlich verhielten und ständig um den Erhalt von Futter bemüht seien. Ein Zeuge berichtete von einem zielgerichteten, aggressiven Angriff eines einzelnen Tieres auf die geschädigte Besucherin. Das Tier sei direkt auf die Besucherin losgelaufen und habe sie erkennbar absichtlich „voll aufs Korn genommen“.

Oder doch keine böse Ziegenabsicht?

Nach der abweichenden Aussage des Schwiegersohns der Geschädigten sind mehrere Ziegen aus einem für ihn nicht erkennbaren Grund plötzlich in eine bestimmte Richtung losgerannt und hätten wohl ein aus ihrer Sicht hinter der Geschädigten liegendes Ziel im Auge gehabt. Seine Schwiegermutter habe den Ziegen einfach im Weg gestanden und sei dabei umgerannt worden. Einen zielgerichteten Angriff auf seine Schwiegermutter konnte dieser Zeuge nicht bestätigen.

Frage der Tierhalterhaftung noch nicht entschieden

Die Vorsitzende Richterin wies am Ende der Verhandlung darauf hin, dass ein Schadenersatzanspruch der Klägerin aus dem Gesichtspunkt der Tierhalterhaftung gemäß § 833 Satz 1 BGB in Betracht zu ziehen sei. Gemäß § 833 Satz 2 BGB scheide eine verschuldensunabhängige Tierhalterhaftung allerdings aus, wenn es sich um ein Nutztier handelt und der Tierhalter bei der Beaufsichtigung des Tieres die erforderliche Sorgfalt beachtet hat. Das Gericht ließ im Termin die Frage offen, ob afrikanische Zwergziegen als Luxustiere - wie Haustiere - oder als Nutztiere - wie etwa Milchkühe - zu qualifizieren sind. Das Gericht will am 23.12.2025 eine Entscheidung verkünden.


(LG Stralsund, mündliche Verhandlung v. 3.12.2025)

Schlagworte zum Thema:  Recht , Rechtsanwalt , Justiz , Juristen , Richter
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