Mandantenübernahmeklausel mit Pflicht zu 20%-Abgabe stellt verdecktes Wettbewerbsverbot dar
Das LAG Köln hat ein erstinstanzliches Urteil des ArbG Köln bestätigt, in dem der Kündigungsschutzklage einer angestellten Rechtsanwältin stattgegeben wurde. Darüber hinaus teilte das LAG die Auffassung des Ausgangsgerichts, dass arbeitsvertragliche Auskunfts- und Zahlungsansprüche, die von der Arbeitgeberin im Rahmen einer Widerklage geltend gemacht wurden, nicht bestehen.
Anwälte streiten über Kündigung und Klausel in Arbeitsvertrag
Eine selbstständige Rechtsanwältin war im Rahmen einer Nebentätigkeit in der Kanzlei der Beklagten beschäftigt. Mittelfristig sollte die Nebentätigkeit in eine Vollzeitbeschäftigung umgewandelt werden. Der Arbeitsvertrag enthielt eine Klausel, nach der die Klägerin im Fall des Ausscheidens aus dem Arbeitsverhältnis verpflichtet war, einen Betrag von 20% des Gesamtumsatzes abzuführen, den sie mit der Übernahme von Mandanten der Beklagten erzielt. Einem Wettbewerbsverbot nach Beendigung des Vertragsverhältnisses unterlag die Klägerin ausweislich der Vertragsbestimmungen jedoch nicht.
Im Dezember 2023 kündigte die angestellte Anwältin ordentlich zum Ende des ersten Quartals 2024. Ende Dezember nahm sie für drei Tage Urlaub. Daraufhin kündigte die Beklagte der Klägerin fristlos mit der Begründung, diese habe sich ohne ihre Zustimmung selbst beurlaubt. Drei Tage später erklärte sie zudem die Anfechtung des Arbeitsvertrags, da sie von der Klägerin bei Vertragsabschluss arglistig getäuscht worden sei. Kurz darauf erhielt die Klägerin eine zweite fristlose Kündigung, da sie gegen das arbeitsrechtliche Wettbewerbsverbot verstoßen habe. Nach Zugang der ersten Kündigung hatte die Klägerin zu drei ehemaligen Mandanten der Beklagten auf deren Initiative Mandatsbeziehungen begründet. Im August 2024 (ArbG Köln, Urteil v. 7.8.2024, 9 Ca 712/24) stellte das ArbG Köln fest, dass das Arbeitsverhältnis durch die fristlosen Kündigungen der Beklagten nicht beendet worden sei. Auch die Anfechtung des Arbeitsvertrags sei nicht wirksam, da es an einem Anfechtungsgrund fehle. Die Widerklage hatte keinen Erfolg. Bei der Klausel handele es sich um eine nach § 75d S. 2 HGB unwirksame Mandantenschutzklausel. Es fehle somit an einem Auskunftsanspruch. Jedenfalls sei der Anspruch nicht fällig, da die fristlosen Kündigungen unwirksam gewesen seien und das Arbeitsverhältnis deshalb bis Ende März 2024 weiter bestanden habe. Gegen das Urteil des ArbG legte die Beklagte Berufung ein.
Fristlose Kündigungen wegen fehlender Abmahnungen unwirksam
Das LAG Köln teilte die Auffassung des ArbG, dass die gegenüber der Klägerin ausgesprochenen fristlosen Kündigungen unwirksam waren. Als milderes Mittel hätten zunächst Abmahnungen erfolgen müssen. Eine Prognose, ob auch in Zukunft mit weiteren Vertragsstörungen zu rechnen ist, könne ohne Abmahnung nicht ohne weiteres gestellt werden. Ebenso fehlte es für das Gericht an einem Anfechtungsgrund. Eine Täuschung durch die Klägerin bei Vertragsschluss sei mangels einlassungsfähiger Tatsachen eine durch nichts gerechtfertigte Unterstellung.
Vertragsabsprache als verdeckte Mandantenschutzklausel unwirksam
Das LAG führt in seinem Urteil weiter aus, dass die Abweisung der Widerklage durch das ArbG zurecht erfolgt sei. Zwar würden Mandantenübernahmeklauseln auch ohne Verpflichtung des Arbeitgebers zur Zahlung einer Karenzentschädigung grundsätzlich als zulässig und verbindlich angesehen. Vorliegend handele es sich jedoch um eine sogenannte verdeckte Mandantenschutzklausel. Da Mandantenschutzklauseln die Wirkung eines nachvertraglichen Wettbewerbsverbots hätten, seien diese nur wirksam, wenn sie mit der Pflicht des Arbeitgebers zur Zahlung einer Karenzentschädigung nach § 74 Abs. 2 HGB verbunden sind. Allerdings stelle eine Mandantenübernahmeklausel ohne Karenzentschädigung eine Umgehung i.S.v § 75d S. 2 HGB dar, wenn die Konditionen so gestaltet sind, dass sich die Bearbeitung der Mandate wirtschaftlich nicht mehr lohnt. Nach Ansicht des LAG schalte der Arbeitgeber dadurch den früheren Mitarbeiter als Konkurrenten aus, wodurch der Arbeitnehmer i.S.v § 74 Abs. 1 HGB in seiner beruflichen Tätigkeit beschränkt werde. Mit der Vereinbarung einer Verpflichtung zur Abgabe von 20% des Gesamtumsatzes sei dies vorliegend der Fall gewesen. Nach einer Schätzung der Beteiligten belaufe sich die Höhe der Abgabe auf die Hälfte des Nettogewinns. Die Klausel stelle daher ein verdecktes Wettbewerbsverbot dar.
Gericht sieht auch Verstoß gegen Transparenzgebot
Vieles spreche zudem dafür, dass die Klausel auch gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB verstoße, so das LAG. Sie sei augenscheinlich nicht „klar und verständlich“ und daher intransparent. Da die Klausel hier von der Beklagten vorformuliert und damit nach § 310 Abs. 3 Nr. 1 BGB im Rechtssinne gestellt gewesen sei, handele es sich um AGB. Auch die nur einmalige Verwendung habe genügt, da es sich um einen Verbrauchervertrag i.S.v. § 310 Abs. 3 Nr. 2 handele. Ob ein Verstoß gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB vorliegt, ließ das Gericht unter Verweis auf die Unwirksamkeit nach § 75d S. 2 HGB letztlich offen.
(LAG Köln, Urteil v. 17.7.2025, 6 SLa 484724)
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