Rn 1

§ 776 soll dem Schutz des Bürgen dienen (Erman/Zetzsche § 776 Rz 1): Gibt der Gläubiger bestimmte Sicherungsrechte auf, entfällt die Bürgenhaftung nach 1, soweit der Bürge nach §§ 774, 412, 401 aus diesem Sicherungsrecht hätte Ersatz erlangen können (aus § 776 folgt indes keine allg Sorgfaltspflicht des Gläubigers ggü dem Bürgen: s § 765 Rn 56). Diese Regelung verstärkt die Durchsetzbarkeit des Rückgriffsanspruchs und mildert die Folgen der Bürgenhaftung ab (BGHZ 144, 52, 57). 2 dehnt den Kreis der Sicherungsrechte, für die 1 gilt, auf nach Übernahme der Bürgschaft entstandene Sicherheiten aus.

 

Rn 2

In der Praxis bekommt der Bürge den Schutz von § 776 meist nicht: Die Rspr zum Ausgleichsverhältnis zwischen einem Bürgen und seinem Mitbürgen (s § 769 Rn 9) oder anderen Sicherheitsgebern (§ 774 Rn 32) schützt den Bürgen anders, weil die ›Aufgabe‹ einer anderen Bürgschaft oder anderen gleichrangigen Sicherheit (zB Grundschuld) durch den Gläubiger den bereits mit der Bestellung mehrerer Sicherheiten für dieselbe Forderung entstandenen Ausgleichsanspruch des Bürgen unberührt lässt (BGH NJW-RR 91, 499, 500 [BGH 20.12.1990 - IX ZR 268/89]; s.u. Rn 12): Er verliert in diesem Fall gar keine Ersatzmöglichkeit (Staud/Stürner § 776 Rz 6); die Voraussetzungen von § 776 1 sind damit idR nicht erfüllt (Gegenbeispiel: BGH NJW 13, 2508, 2509 ff [BGH 04.06.2013 - XI ZR 505/11] mit Analyse Derleder NJW 15, 817). Die praktische Bedeutung von § 776 wird durch diese Rspr auf Fälle beschränkt, in denen der Gläubiger ein im Verhältnis zur Bürgschaft ›höherrangiges‹ Sicherungsrecht aufgibt: etwa eine Vorbürgschaft (s § 765 Rn 94) oder eine kraft Vereinbarung vorrangig der Befriedigung dienende Sicherheit (s § 774 Rn 33). Die Norm gewinnt aber durch neue Rspr insolvenzrechtliche Bedeutung (s Rn 6).

 

Rn 3

Ferner ist § 776 begrenzt dispositiv; er wird oft abbedungen (Staud/Stürner § 776 Rz 6). Die Abbedingung kann – als eine den Bürgen belastende Abrede nur formgerecht (§ 766 Rn 6; MüKoBGB/Habersack § 776 Rz 3) – individualvertraglich erfolgen (BGHZ 144, 52, 55). Formularvertraglich ist der Verzicht nicht pauschal (arg § 307 I, II Nr 1; vgl BGHZ 144, 52, 55 ff; NJW 02, 295; BGHZ 156, 302, 310), sondern nur bei hinreichend konkreter gegenständlicher Begrenzung unter Beachtung der berechtigten Interessen des Bürgen zulässig (Bsp: Zulässigkeit der Freigabe von Pfandgut iRd ordnungsgemäßen Abwicklung der Geschäftsverbindung zwischen Gläubigerbank und Hauptschuldner; BGH NJW 02, 295). Auch bei wirksamer Abbedingung von § 776 findet die an sich zulässige Aufgabe einer Sicherheit ihre Grenze in der nach Treu und Glauben (s § 765 Rn 56) willkürlichen Aufgabe einer Sicherheit (RG JW 37, 1410; BGHZ 78, 137, 143 f; NJW-RR 86, 518, 519).

 

Rn 4

Außerhalb des Bürgschaftsrecht wird § 776 nicht analog angewendet (Staud/Stürner § 776 Rz 23; Grüneberg/Sprau § 776 Rz 3; im Erg auch Weber WM 01, 1229, 1232 f; aA Wacke AcP 170, 42, 62 f; MüKoBGB/Habersack § 776 Rz 2). Da § 776 die Durchsetzbarkeit des Rückgriffsanspruchs des Bürgen aus § 774 I schützen soll, besteht für eine analoge Anwendung der Vorschrift auch kein Bedürfnis, soweit – wie zB bei der Schuldmitübernahme (BGH BB 62, 1346) – ein Regressanspruch nicht (analog) besteht: s § 774 Rn 2. § 776 findet auch auf das Verhältnis zwischen Pfandgläubiger und Verpfänder keine analoge Anwendung (BGH NJW-RR 91, 499, 500 [BGH 20.12.1990 - IX ZR 268/89]; Erman/Zetzsche § 776 Rz 4; Grüneberg/Sprau § 776 Rz 3). Für ein Bsp entspr Anwendung auf bürgschaftsrechtliche Sachverhalte s.u. Rn 5.

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