Gesetzestext

 

(1) Der Verkäufer kann beim Verkauf einer neu hergestellten Sache von dem Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hatte (Lieferant), Ersatz der Aufwendungen verlangen, die er im Verhältnis zum Käufer nach § 439 Absatz 2, 3 und 6 Satz 2 sowie nach § 475 Absatz 4 zu tragen hatte, wenn der vom Käufer geltend gemachte Mangel bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden war oder auf einer Verletzung der Aktualisierungspflicht gemäß § 475b Absatz 4 beruht.

(2) Für die in § 437 bezeichneten Rechte des Verkäufers gegen seinen Lieferanten bedarf es wegen des vom Käufer geltend gemachten Mangels der sonst erforderlichen Fristsetzung nicht, wenn der Verkäufer die verkaufte neu hergestellte Sache als Folge ihrer Mangelhaftigkeit zurücknehmen musste oder der Käufer den Kaufpreis gemindert hat.

(3) Die Absätze 1 und 2 finden auf die Ansprüche des Lieferanten und der übrigen Käufer in der Lieferkette gegen die jeweiligen Verkäufer entsprechende Anwendung, wenn die Schuldner Unternehmer sind.

(4) § 377 des Handelsgesetzbuchs bleibt unberührt.

A. Inhalt, Bedeutung, WKRL.

 

Rn 1

§ 445a berechtigt den (Letzt-)Verkäufer zum Schutz vor der Regressfalle, die Ansprüche des Käufers an seinen Lieferanten (I) und über die Lieferantenkette an den Verursacher des Mangels durchzureichen (BTDrs 18/8486, 41 f), soweit der jeweilige Verkäufer Unternehmer ist (III); die Regressfalle resultiert va aus dem fehlenden Verschulden von Zwischenhändlern und der ihnen gegenüber eingetretenen Verjährung (s § 445b). I und III gewähren einen eigenen Anspruch auf Aufwendungsersatz. II modifiziert die Gewährleistungsrechte des § 437 im Hinblick auf das Erfordernis der Nachfristsetzung. IV bestimmt die unbeeinträchtigte Geltung von § 377 HGB. § 445b passt die Verjährungsfristen an die Besonderheiten des Regresses an. IRd Umsetzung der WKRL war die Aufzählung der zu ersetzenden Aufwendungen anzupassen, da neue Pflichten des Verkäufers normiert wurden, sodass § 439 VI 2 (Rücknahme der Kaufsache) und § 475b IV (Aktualisierungspflicht) ergänzt wurden (BTDrs 19/27424, 27). Die Streichung von § 475 VI resultiert aus der nunmehr uneingeschränkten Geltung des Verweigerungsrechts bei absoluter Unverhältnismäßigkeit auch im Verbrauchsgüterkauf (s § 439 Rn 31).

B. Anwendungsbereich.

I. Einführung.

 

Rn 2

Entsprechend § 478 aF gelten §§ 445a, b, c nicht für Werkverträge (BGH NJW 14, 2183 [BGH 02.04.2014 - VIII ZR 46/13] Rz 38; BeckRS 13, 15325; s Vor §§ 433 ff Rn 3). Da kein VerbraucherschutzR mehr, anwendbar auch auf unbewegliche Sachen (Erman/Grunewald Rz 3).

II. Neu hergestellte Sachen.

 

Rn 3

Für gebrauchte Sachen (s § 476 Rn 10) ist der Regress ausgeschlossen.

III. Keine Passivlegitimation von Zulieferern.

 

Rn 4

Aufgrund der Legaldefinition als der ›Verkäufer, der ihm die Sache verkauft hatte (Lieferant)‹ (I Hs 2), muss der Lieferant dem regressierenden Verkäufer die Kaufsache als solche geliefert haben. Damit scheiden alle Vertragsbeziehungen zwischen (Gesamt-)Herstellern (OEM) und Zulieferern aus, so dass der selbst verkaufende Hersteller bei Zulieferern nicht Regress nehmen kann und die Regresskette (III; s Rn 17) stets am Hersteller endet (Grüneberg/Weidenkaff Rz 8).

IV. Abdingbarkeit.

 

Rn 5

Da §§ 445a, b und c unmittelbar nur das Verhältnis zwischen Unternehmern betreffen, gilt § 476 nicht, sodass einer Abbedingung nur die allgemeinen Grundsätze va des AGB-Rechts entgegenstehen. Im Verbrauchsgüterkauf, vgl § 478 Rn 3.

C. Anspruch auf Aufwendungsersatz (Abs 1).

I. Rechtsnatur.

 

Rn 6

I begründet einen selbstständigen Anspruch (BTDrs 18/8486, 41; Erman/Grunewald Rz 2), der unabhängig vom Anspruch auf Aufwendungsersatz gem §§ 284, 437 Nr 3 Alt 2 ist.

II. Voraussetzungen.

1. Mangelhaftigkeit in der Lieferantenkette.

 

Rn 7

Ein Mangel der Sache muss vorliegen im Verhältnis Verkäufer/Käufer wie im Verhältnis Verkäufer/Lieferant, also im Regressverhältnis (Erman/Grunewald Rz 4). Für letzteres folgt dies aus dem Wortlaut, ›der vom Käufer geltend gemachte Mangel (sc: musste) bereits beim Übergang der Gefahr auf den Verkäufer vorhanden‹ gewesen sein. Daher dürfen die Mängelrechte des Regressierenden nicht ausgeschlossen sein, zB gem § 442, § 377 HGB (zu § 478 aF: MüKo/Lorenz Rz 28; Staud/Matusche-Beckmann Rz 42), weil der Regressierende mit dem Käufer weitergehende Mängelrechte als mit seinem Lieferanten vereinbart hatte (zu § 478 aF: BRHP/Faust Rz 10; Staud/Matusche-Beckmann Rz 42) oder die Sache umgearbeitet hat (Keiser JuS 14, 961, 964: da I auf ›die‹ Kaufsache abstellt). Es muss sich um gesetzliche Mängelrechte handeln, so dass Ansprüche allein aufgrund anfänglicher oder nachträglicher Erweiterung der §§ 434 ff kein Regressrecht gewähren (vgl zu § 478 aF: Staud/Matusche-Beckmann Rz 12 ff).

2. Verletzung der Aktualisierungspflicht gem § 475b IV.

 

Rn 7a

Mit Geltung zum 1.1.22 liegt durch die Ergänzung von I ein ersatzfähiger Mangel auch bei Verletzung der objektiven Aktualisierungspflicht nach § 475b IV vor, (s dazu § 475b Rn 7 ff). Im Gegensatz zum Mangel (Rn 7) wird der Regressanspruch allein durch die Verletzung der Aktualisierungspflicht im Verhältnis Verkäufer/Käufer (Verbraucher) ausgelöst. Folglich kann der Lieferant im Regress für die Verletzung einer Pflicht haften, welche dieser ggü seinem Käufer (Unternehmer) nicht hat (Lorenz NJW 21, 2067, Rz 20). Diese Neuerung resultiert aus der Tatsache, das...

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