I. Bedeutung.

 

Rn 25

Im Kontext von § 241 wird herkömmlich auch das Binom ›Schuld und Haftung‹ behandelt. Mit Schuld wird die aufgrund des Schuldverhältnisses bestehende Verbindlichkeit bezeichnet, welche den Schuldner zu einem Verhalten verpflichtet. Haftung meint hingegen in diesem – nicht haftungsrechtlichen – Zusammenhang das Einstehenmüssen für die Verpflichtung. Schuld und Haftung müssen nicht immer gleichzeitig vorliegen: eine Haftung ohne persönliche Verbindlichkeit, also ohne Schuld, wird durch die Bestellung dinglicher Sicherheiten für eine fremde Schuld begründet (s § 1147 Rn 1 ff, § 1204 Rn 1). Eine Schuld ohne Haftung liegt vor, wenn die betreffende Verbindlichkeit zwar vom Schuldner erfüllt, die Erfüllung vom Gläubiger aber nicht erzwungen werden kann; derartige Verbindlichkeiten werden als unvollkommene Verbindlichkeiten oder Naturalobligationen (s Rn 27) bezeichnet.

 

Rn 26

Grds haftet der Schuldner mit seinem gesamten Vermögen (Prinzip der unbegrenzten Vermögenshaftung). Das bedeutet, dass der Gläubiger die Verpflichtung gerichtlich durchsetzen und anschließend die Zwangsvollstreckung betreiben kann. Einschränkungen der Haftung können sich zum einen materiellrechtlich ergeben. So kann sich die Haftung auf bestimmte Vermögensgegenstände – etwa das verpfändete Grundstück bei einem für eine fremde Forderung bestellten Grundpfandrecht – oder auf ein Sondervermögen – etwa den Nachlass nach §§ 1975, 1990, 1991 – beschränken. § 1629a beschränkt zudem die Haftung des Kindes grds auf den Bestand des bei Eintritt der Volljährigkeit vorhandenen Vermögens des Kindes (zu Einzelheiten s § 1629a Rn 4). Prozessuale Beschränkungen der Haftung ergeben sich aus den Regeln über den Vollstreckungsschutz (§§ 811, 850 ff ZPO). Hingegen beschränken § 888 I u III ZPO ganz überwiegend nicht die Haftung des Schuldners, sondern die Durchsetzung des gegen ihn gerichteten Anspruchs in Natur.

II. Unvollkommene Verbindlichkeiten.

 

Rn 27

Verbindlichkeiten ohne Haftung werden als unvollkommene Verbindlichkeiten oder Naturalobligationen bezeichnet (mit Recht krit zum Begriff Jauernig/Mansel § 241 Rz 20). Das besondere Merkmal dieser Verbindlichkeiten ist, dass Naturalobligationen einen Behaltensgrund iSv § 812 darstellen. Basis für diesen Behaltensgrund ist nicht etwa eine sittliche Pflicht iSv § 814 Alt 2, sondern eine Verbindlichkeit im Rechtssinne, der es durch den Ausschluss der Haftung an der Durchsetzbarkeit fehlt (unrichtig Grüneberg/Grüneberg vor § 241 Rz 12). Gesetzlich geregelte Fälle sind Forderungen aus Spiel, Wette, soweit kein staatlich genehmigter Lotterie- oder Ausspielvertrag vorliegt (§§ 762, 763), der Ehemäklerlohn (§ 656), die Leistung auf die einer Restschuldbefreiung unterliegende Forderung (§ 301 III InsO) sowie die Erfüllung verjährter Ansprüche (§§ 214 II, 813 I 2). Eng verwandt ist die Unklagbarkeit des Verlöbnisses nach § 1297, ohne dass sich daraus ein Behaltensgrund ergäbe.

III. Pflichten und Obliegenheiten.

 

Rn 28

Überwiegend nicht als Pflichten im strengen Sinne, sondern als Verhaltenserwartungen eigener Art werden Obliegenheiten aufgefasst (grundl für den Begriff Schmidt Obliegenheiten 1953). Diese sind nicht in Natur durchsetzbar und ihnen ist ein vom üblichen Leistungsstörungsrecht deutlich abweichendes Rechtsbehelfsarsenal zugeordnet. Richtigerweise handelt es sich freilich auch bei ihnen um Pflichten im Rechtssinne, denen aufgrund ihres besonderen Schutzzwecks besondere Rechtsfolgen zugeordnet sind (Schmidt-Kessel Gläubigerfehlverhalten § 15). Typische Rechtsfolge ist der – vollständige oder partielle – Rechts- oder Einwendungsverlust. Bsp sind etwa §§ 254 II 1, 651o II, § 377 HGB, §§ 28, 81 VVG (= §§ 6, 62 VVG aF). Sehr viel umfangreicher ist die Rechtsfolgenseite bei Verletzung von Kooperationspflichten nach §§ 293 ff (s § 293 Rn 5). Der gelegentlich hier eingeordnete § 355 II 1 aF begründete hingegen eine auch mit Schadensersatzfolgen nach §§ 311 II, 280 I bewehrte Pflicht zur Belehrung über das Widerrufsrecht (s EuGH 25.10.05 Rs C-350/03 – Schulte Rz 94 ff); Art 246 III 1, 246a, § 1 II, § 246b, § 1 I Nr 12 EGBGB sprechen jetzt ausdrücklich von Pflichten.

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge