Gesetzestext

 

1Ein Lotterievertrag oder ein Ausspielvertrag ist verbindlich, wenn die Lotterie oder die Ausspielung staatlich genehmigt ist. 2Anderenfalls finden die Vorschriften des § 762 Anwendung.

A. Normzweck, Anwendungsbereich, Bedeutung, Internationales Privatrecht.

 

Rn 1

Die Bestimmung des § 763 schafft eine Ausnahme zu § 762: Staatlich genehmigte private – oder staatlich veranstaltete (MüKoBGB/Habersack § 763 Rz 1) – Lotterien und Ausspielungen sind verbindlich. Ist keine Genehmigung erforderlich, gilt § 762 (§ 763 2), sofern der Vertrag nicht wegen Gesetzesverstoßes nichtig ist (s § 762 Rn 7 f).

 

Rn 2

Das Genehmigungserfordernis soll eine staatliche Kontrolle des Spielwesens gewährleisten. Es dient der Abwehr von Gefahren, die der Bevölkerung durch das Glückspiel drohen (BVerfG NJW 07, 1521, 1523 [BVerfG 07.12.2006 - 2 BvR 2428/06]) und soll den Spielbetrieb in geordnete Bahnen lenken (BGH NJW 99, 54, 55 [BGH 29.09.1998 - XI ZR 334/97]). Über seinen Wortlaut hinaus ist § 763 entspr anwendbar auf alle sonstigen Arten staatlich genehmigter Spiel- und Wettverträge (BGH aaO). Die Unterscheidung von Lotterie- und Ausspielvertrag ist damit praktisch von geringer Bedeutung. Entscheidendes Kriterium für die Verbindlichkeit aller Spielverträge ist das Vorliegen einer staatlichen Genehmigung (Erman/Müller § 763 Rz 2), die zB entfällt, wenn ein Spielautomat manipuliert und damit außerhalb seiner Zulassung betrieben wird (Brandbg MDR 13, 1272 [BGH 10.07.2013 - VIII ZR 295/12]).

 

Rn 3

Bsp staatlicher bzw staatlich genehmigter Spielveranstaltungen sind (s näher MüKoBGB/Habersack § 763 Rz 8 ff; Staud/Schönenberg-Wessel § 763 Rz 19 ff; Bahr Rz 16 ff): (1.) Staatliche Klassenlotterien; (2.) sonstige Lotterien (›Lotto‹, ›GlücksSpirale‹, ›Spiel 77‹); (3.) Toto (zB ›Oddset‹; vgl BVerfG NJW 06, 1261 [BVerfG 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01] zu Grenzen des staatlichen Wettmonopols); (4.) Spiele in Spielbanken (LG Baden-Baden WM 98, 1685, 1687 [LG Baden-Baden 17.04.1998 - 2 O 21/96]) oder an Spielautomaten; (5.) Online-Spiel (BGH NJW 08, 2026 [BGH 03.04.2008 - III ZR 190/07]).

 

Rn 4

Das anwendbare Recht für einen Vertrag iSv § 763 ist für seit dem 17.12.09 abgeschlossene Verträge nach Art 3 ff ROM I zu bestimmen (s Anhang Art 4 ROM I Rn 46). Die staatliche Genehmigung muss nach dem zuständigen Landesrecht erteilt werden (s Rn 13 f; vgl BGH NJW 02, 2175, 2176 [BGH 14.03.2002 - I ZR 279/99]). Es gilt bei objektiver Anknüpfung das Recht am gewöhnlichen Aufenthalt (Art 19 ROM I) des Veranstalters (vgl Art 4 ROM I Rn 11 und Anhang Art 4 ROM I Rn 46; Rauscher/Thorn, ROM I Rz 163; für den Auszahlungsanspruch: BGH NJW 88, 647 [BGH 29.06.1987 - II ZR 6/87]). Für Spiele in ausländischen Lotterien gilt im Zweifel das Recht des jeweiligen ausländischen Veranstalters (arg RGZ 58, 277, 280 f).

B. Lotterie- und Ausspielvertrag.

 

Rn 5

Für Lotterie wie Ausspielung ist charakteristisch, dass der Veranstalter Verträge mit einer Mehrheit von Spielern abschließt, in denen er verspricht, gegen Einsatz (meistens Geld) nach Maßgabe eines Spielplans an die spielplangemäß ermittelten Gewinner zu leisten, wobei dem Zufall bei der Ermittlung des oder der Gewinner(s) eine wesentliche Rolle zukommt (RGZ 77, 341, 344; 115, 319, 326; vgl Celle NdsRpfl 60, 270, 271). Zwischen den Spielern untereinander entstehen keine Vertragsverhältnisse (Celle aaO; für ›Tippgemeinschaft‹ als eine GbR Innengesellschaft vgl Fleischer/Hahn NZG 17, 1 Rz 2).

 

Rn 6

Die Ausspielung unterscheidet sich von der Lotterie allein dadurch, dass statt Geld Sachwerte zu gewinnen sind (RGZ 60, 379, 381 u 386; BGHSt 9, 39, 40). Erheblich ist die Abgrenzung nicht (s.o. Rn 2 aE).

 

Rn 7

Die Spieler können ihren Einsatz entweder offen (zB Loskauf) oder verdeckt (zB Eintrittsgeld, Vereinsbeitrag, Warenkaufpreis) entrichten. Die Annahme des Kaufangebots über ein Lotterielos ist idR nicht mehr möglich, wenn das Los bereits vor der Annahme des Vertrags (zB durch Geldzahlung im Wege per Nachnahme) gezogen ist (RGZ 50, 191, 193; 59, 296, 298, 300).

 

Rn 8

Der zwischen Veranstalter und Spieler abgeschlossene Vertrag ist trotz der öffentlich-rechtlichen Genehmigung ein Vertrag zivilrechtlicher Natur (BGHZ 131, 136, 138; BayVerfGH BB 64, 326). Der Veranstalter unterliegt keinem Kontrahierungszwang (BGHZ 131, 136, 138; NJW 06, 362; aA für Staatslotterien Staud/Schönenberg-Wessel § 763 Rz 29b).

 

Rn 9

Teilnahmebedingungen und Spielpläne der Veranstalter von Spielverträgen sind bei Vorliegen der Voraussetzungen der §§ 305 ff als AGB einzustufen (MüKoBGB/Habersack § 763 Rz 16). Sondernormen enthalten § 309 Nr 7 aE (Hs 3) (besondere Schutznorm für den Spieler vor einer etwaigen Minderung der Gewinnsumme durch Schadensersatzverpflichtungen des Spielveranstalters; BTDrs 14/7052, 188 f) und § 312g II Nr 12 (uU kein Widerrufsrecht bei Fernabsatzvertrag über Wett- und Lotteriedienstleistungen).

 

Rn 10

Pflichten: Der Teilnehmer muss den Einsatz leisten, der Veranstalter das Spiel durchführen, den Gewinn rechtzeitig ermitteln und an den Gewinner verteilen. Die auf nicht abgesetzte Lose fallenden Gewinne kann er für sich verbuchen (vgl Grüneberg/Sprau § 76...

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