Gesetzestext

 

(1) Für die Zwecke dieser Verordnung ist der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen der Ort ihrer Hauptverwaltung. Der gewöhnliche Aufenthalt einer natürlichen Person, die im Rahmen der Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit handelt, ist der Ort ihrer Hauptniederlassung.

(2) Wird der Vertrag im Rahmen des Betriebs einer Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung geschlossen oder ist für die Erfüllung gemäß dem Vertrag eine solche Zweigniederlassung, Agentur oder sonstigen Niederlassung verantwortlich, so steht der Ort des gewöhnlichen Aufenthalts dem Ort gleich, an dem sich die Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung befindet.

(3) Für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts ist der Zeitpunkt des Vertragsschlusses maßgebend.

A. Einleitung.

 

Rn 1

Art 19 definiert im Einklang mit Art 23 ROM II erstmalig den Begriff des gewöhnlichen Aufenthalts (engl habitual residence; frz résidence habituelle), an den ROM I in ihrem Kapitel II (Art 3–18) häufig anknüpft. II ergänzt die Definition in I um eine Fiktion. III fixiert den Zeitpunkt für die Bestimmung des gewöhnlichen Aufenthalts. Der Begriff ›gewöhnlicher Aufenthalt‹ wird an Stelle des Begriffs ›Wohnsitz‹ verwendet, an den Art 62 Brüssel Ia (früher Art 59 f EuGVO) anknüpft.

B. Gleichstellung zwischen gewöhnlichem Aufenthalt und Hauptverwaltung bzw.

 

Rn 2

Hauptniederlassung (Abs 1). I stellt dem gewöhnlichen Aufenthalt den Ort der Hauptverwaltung von Gesellschaften, Vereinen und juristischen Personen bzw – im Fall einer natürlichen Person, die im Rahmen ihrer beruflichen Tätigkeit handelt – den Ort ihrer Hauptniederlassung gleich. Hauptverwaltung und Hauptniederlassung werden nur in den seltensten Fällen auseinanderfallen und daher regelmäßig zum selben Ergebnis führen (Max Planck Institut RabelsZ (07), 225, 335). Dennoch muss unterschieden werden:

I. Hauptverwaltung (Abs 1 S 1).

 

Rn 3

Die Hauptverwaltung (›central administration‹; ›administration centrale‹) stellt im Gegensatz zur Hauptniederlassung ein unternehmensinternes Merkmal dar (v Bar/Mankowski § 7 Rz 39; MPI RabelsZ (07), 225, 335). Der Ort der Hauptverwaltung ist der Ort der Leitung eines Unternehmens (Rauscher/Thorn Art 19 Rz 9). Der Begriff entspricht seiner Bedeutung in Art 63 Brüssel Ia (früher Art 60 I lit b EuGVO) und Art 54 AEUV (s Mankowski IHR 08, 132, 139).

II. Beruflich handelnde natürliche Person: Hauptniederlassung (Abs 1 S 2).

 

Rn 4

Die Hauptniederlassung (›principal place of business‹; ›établissement principal‹) ist für natürliche Personen, die iRd Ausübung ihrer beruflichen Tätigkeit handeln, der Ort ihres ›gewöhnlichen Aufenthaltes‹, I 2. Auch bei Handel im Internet kommt es auf den gewöhnlichen Aufenthalt der Person und nicht auf den Ort an, von dem aus der Internetauftritt erfolgt (Reithmann/Martiny/Martiny Rz 2.280).

III. Nicht beruflich handelnde natürliche Person.

 

Rn 5

Der gewöhnliche Aufenthalt einer nicht beruflich handelnden natürlichen Person wird in ROM I nicht definiert. Insoweit ist der in ROM I vielfach (zB in Art 4 ff) verwendete Begriff ›gewöhnlicher Aufenthalt‹ autonom auszulegen (Rauscher/Thorn Art 19 ROM I Rz 12). Wie auch sonst im IPR ist an den tatsächlichen Lebensmittelpunkt anzuknüpfen (MüKoIPR/Martiny Art 19 Rz 12; Grüneberg/Thorn Art 19 Rz 6).

C. Zweigniederlassung, Agentur oder sonstige Niederlassung (Abs 2).

 

Rn 6

Die Niederlassung, durch die der Vertrag geschlossen wurde oder die dem Vertrag zufolge die Leistung bewirken muss, bestimmt nach II den Ort, der bei Gesellschaften, Vereinen oder juristischen Personen als ›gewöhnlicher Aufenthalt‹ gilt. IVm Art 4 bildet die Regelung des Art 19 damit Art 4 II 1, 2 Var 2 EVÜ nahezu ab (Mankowski IPRax 06, 101, 112).

 

Rn 7

Mit dem Abstellen auf das Handeln (engl: ›in the course of the operations of‹) der Zweigniederlassung (›branch‹; ›succursale‹), Agentur (›agency‹; ›agence‹) oder sonstige Niederlassung (›establishment‹; ›établissement‹) übernimmt ROM I den Wortlaut von Brüssel Ia (früher EuGVO, s dazu Bitter IPRax 08, 96, 100; Mankowski IHR 08, 133, 140). Zur Parallelnorm in Art 23 ROM II weist die Kommission ausdrücklich darauf hin, dass Art 7 Nr 5 Brüssel Ia (früher Art 5 Nr 5 EuGVO) als ›Vorbild‹ für diese Vorschrift diente (Begr der Kommission zu ROM II, KOM [2003] 427 endg, 30). Der Begriff der Niederlassung in II ist daher entsprechend der vom EuGH in der Rs ›Somafer/Saar-Ferngas‹ (EuGH 22.11.78 – Rs 33/78, Slg 1978, 2183, 2193 – Somafer Rz 12) zu Art 5 Nr 5 EuGVÜ entwickelten Definition zu verstehen als Mittelpunkt geschäftlicher Tätigkeit, der auf Dauer als Außenstelle des Stammhauses hervortritt (s.a. Grüneberg/Thorn Art 19 Rz 4). Erforderlich hierfür ist eine für die selbständige Teilnahme am Rechtsverkehr ausreichende personelle und sachliche Ausstattung (EuGH 22.11.78 – Rs 33/78, Slg 78, 2183, 2193 – Somafer Rz 12). Im Anschluss an die Rechtsprechung des EuGH zu Art 5 Nr 5 EuGVÜ genügt aber auch ein entsprechender Rechtsschein (EuGH 9.12.87 – Rs 218/86, Slg 87, 4905, 4920 – Somafer Rz 15). Bei gemeinsamer Tätigkeit mehrerer Niederlassungen kommt indes wieder I zur Anwendung (Staud/Magnus Art 19 Rz 27 f unter Hinweis auf BGH AWD 69, 453; dagegen MüKoIPR/Martiny Art 19 Rz 16 unter Hinweis auf die hauptsächlich koordinierende Niederlassung).

D. Maßgeblicher Zeitpunkt (Abs 3).

 

Rn 8

Maßgebli...

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